SQUARE Talks Folge fünf mit dem Autor und Regisseur Calle Fuhr. Sein aktuelles Werk widmet sich der komplexen und vielschichtigen Erzählung rund um den österreichischen Unternehmer René Benko. Es ist Kooperation mit der investigativen Plattform Dossier entstanden und dreht sich um Immobilienmärkte, die sozioökonomischen Dimensionen von Benkos Aufstieg und Fall und die Widersprüche des modernen Kapitalismus. Ausserdem spricht Fuhr mit Tim Kramer und Corinne Riedener über die Rolle des Theaters als gesellschaftliches Medium, um das Publikum mit drängenden Fragen unserer Zeit zu konfrontieren und ein kollektives Nachdenken über systemische Fehlentwicklungen zu ermöglichen.
Das Gespräch wurde am 16. April 2025 im Rahmen von Calle Fuhrs Aufenthalt als Artist in Residency am SQUARE der Universität St.Gallen geführt.
Square Talks, unser Podcast mit den Personalities und Artists in Residence.
h mal Küchengehilfe und seit: Calle:Hallo, schön hier zu sein.
Corinne:Neben uns sitzt Tim Kramer, der Intendant des SQUARE und verantwortlich dafür, dass du hier als Artist in Residence bist. Drei Tage. Hallo Tim.
Calle:Hallo. Hallo.
Corinne:Und ich bin Corinne Riedener. Gestern Abend haben wir eine Schweizer Premiere erlebt und zwar hast du, Calle, das Stück Aufstieg und Fall des Herrn René Benko performt.
Es wurde gemeinsam entwickelt mit der investigativen Plattform Dossier.
aufgeführt wurde es im März:Am 17. April bzw. War, wenn dieser Podcast erscheint, ist das leider leider vorbei, hoffentlich mit vielen Zuschauern.
Ja, wie war der Abend für dich, Calle, gestern bei der Aufführung im Square?
Calle:Ja, es war besonders, weil normalerweise spiele ich den Abend in ganz üblichen Theaterhäusern im Volkstheater Wien zum Beispiel. Und erstmal hier anzukommen und dieses irre Gebäude wahrzunehmen, war halt schon mal komplett neu.
Und und dann habe ich erst im Verlaufe des Vormittags so richtig realisiert, dass ich ja hier eigentlich vor Fachpublikum spiele, dass unter anderem der Immobilienclub anwesend ist.
Und der Abend ist vor allem für die breite Maße eben auch gedacht für Menschen, die sich nicht primär mit Immobilien oder der Finanzwelt auseinandersetzen. Und dann habe ich gemerkt, dass mir doch noch mal anders die Pumpe ging.
Zu wissen, dass da jetzt ganz genau zugehört wird beim Machen, hat sich dann relativ schnell eher in Gefallen aufgelöst, weil ich noch mal ganz anders gemerkt habe, dass so Kleinigkeiten, die vielleicht einer Person, die jetzt nicht in der Finanzwelt sich gut auskennt, nichts sagen, hier die ganze Zeit auf fruchtbaren Boden stoßen. Also bestes Beispiel, wenn ich von Carsten Maschmeyer, dem Unternehmer, rede, kennen in Wien kaum Menschen.
Hier habe ich in strahlende oder nicht so strahlende Gesichter geschaut. Das hat dadurch einfach noch mal extrem viel Spaß gemacht, weil ich 90 Minuten was erzählen durfte und alle Leute sich gut auskannten.
Corinne:Magst du vielleicht, ich weiß, es ist ganz schwer, aber so in ein paar wenigen Sätzen erzählen, worum es im Stück geht bzw. Was diese Performance überhaupt ist.
Calle:Ja, voll gern.
Also René Benko ist Österreicher, in Innsbruck geboren, in Tirol, kommt aus relativ einfachen Verhältnissen und hat es in erstaunlich kurzer Zeit zum Milliardär und einem, vielleicht sogar dem Unternehmer Österreichs geschafft. Er war eine sehr schillernde Figur, weil er eben nicht nur in Österreich aktiv war, sondern weit über die Landesgrenzen hinaus.
Immobilien, die ihm gehört haben, muss man mittlerweile sagen, waren das Kaufhaus des Westens in Berlin zum Beispiel oder auch das Chrysler Building in New York.
nternehmer ist im Spätsommer:Er befindet sich seit Januar diesen Jahres in Untersuchungshaft in Wien und sein ach so tolles Immobilienunternehmen, die Signa, hat sich in Schall und Rauch aufgelöst.
Und diese Geschichte erzähle ich mit einer Prise Humor, so eben, dass es Menschen verstehen können, die nicht permanent die Wirtschaftsnachrichten lesen.
Habe dafür, wie du schon erwähnt hast, ganz eng mit Dossier, einem investigativen Medium aus Österreich, zusammengearbeitet, die mir diesen ganzen Komplex besonders gut erklären konnten, weil sie schon seit über zehn Jahren zu René Benko recherchieren und einen exklusiven Einblick hatten.
Corinne:Vielen Dank. Zur Entstehung des Stücks kommen wir noch. Ich würde gerne von Tim noch wissen, wieso habt ihr diese Stück bzw.Calle mit diesem Stück in den Square geholt? Haben wir es hier besonders nötig oder ist es einfach cool, auch vor Fachpublikum zu spielen?
Tim:Ja, also ich bin ja erst seit einem dreiviertel Jahr hier und als ich dann so ungefähr vor einem Jahr, die mir gesagt haben, okay, das klappt, wir machen das mit dir, da war eigentlich, da hatte ich schon gehört von dem Abend, also in der Zeitung gelesen oder im Internet gelesen, und das war mir schon präsent und das kam so, das war so deckungsgleich.
Also es war gleich du kommst jetzt dahin und dann war für mich gleich der erste Gedanke, oh, da muss ich, dann müsste ich eigentlich den Callefuhr anrufen, ob der nicht Lust hat hierher zu kommen. Weil es gibt da mehrere Punkte, die eigentlich toll sind.
Das eine ist, dass die Beschäftigung, die er dort macht, auch etwas ist, was auch im Theater nicht so so häufig ist in den letzten Jahren schon mehr, aber sagen wir jetzt traditionell nicht. Das heißt eben, sich wirklich mit zeitaktuellen Themen auseinanderzusetzen und die auch auf die Bühne zu bringen.
Da gibt es eine direkte Verbindung zur Universität, weil die Universität sich ja seit Beginn eigentlich als integrative Universität versteht, sprich als eine Universität, die eben nicht im wissenschaftlichen Elfenbeinturm sein möchte, sondern immer auch ihre Forschung und ihre Lehre immer in Zusammenarbeit mit den Zeitkreisen Themen sieht.
Also da gibt es wirklich eine ganz direkte, also die Idee der Wirtschaftswissenschaften hier in der Universität ist immer ganz klar verbunden mit der Praxis. Das ist schon mal so, da fand ich schon mal, das ist schon mal so eine Verbindung.
Und die nächste Verbindung war ganz klar die Frage der Wissensvermittlung. Also Square als Grundgedanke.
Der neue Form der Wissensvermittlung zu fördern, bedeutet eben auch wirklich andere Formen der Präsentation von Wissen zu zeigen.
Und da habe ich gedacht, das ist schon auch wieder eine Deckungsgleichheit zu dem, was Calle dort macht, weil es auch hier ja auch eine Form von, also neues Theater ist immer so ein Wort, wir wissen, Theater gab es vieles auch schon, aber doch speziell sagen wir eine spezielle Art ist, ein zeitgenössisches Thema anzugehen und theatrale Mittel nicht 1 zu 1 zu benutzen, sondern irgendwie so als Steigbügelhalter, um eben eine politische Diskussion anzutreiben oder ein politisches Verständnis beim Publikum irgendwie hervorzurufen. Und diese zwei Punkte fand ich jetzt einfach so unglaublich gut.
Und dann gibt es eigentlich noch einen dritten Punkt, der da ist, wenn es darum geht, sich als Dozierender sich damit auseinanderzusetzen, wie könnte ich denn noch mal meine Lehre anders gestalten?
Dann habe ich so naja, dann, also es gibt in der Wirtschaft, gerade in der Wirtschaft ja viele solche Workshops, wo man so lernt zu performen, aber du hast es ja gestern gesehen, das Tolle ist ja, dass es so eine Underperformance ist, was Karl Mar eigentlich also eben einfach durch eben doch überraschende Mittel irgendwie und auch eher diese schön leichten theatralen Mittel benutzt, also Bilder, vor allem Assoziationen, mit Assoziationen arbeitet, die eben die nicht so dick auftragen, auch das Gegenteil, was so dieser Manager Performance Nummer ist. Und insofern hatte ich schon gehofft, dass der eine oder andere Dozent sich das anschaut.
Corinne:Ja, also wir hatten Full House, können wir ja verraten an dieser Stelle und davor hast du das Stück ja noch nie live gesehen. Was sagt jetzt ein Tag danach der innere Theaterkritiker in dir?
Tim:Ne, ich fand es super.
Also klar, das sind immer so, man hat es eben nicht gesehen, aber ich habe so natürlich ein bisschen paar Clips gesehen und so und ein bisschen reingeschaut ins Video, aber im Theater ist natürlich immer was anderes.
Nein, also wenn du mich als Theatermann fragst, besonders natürlich sage ich mal, diese, das ist jetzt sehr subjektiv, ich mag einfach die einfachen Bilder wie die Hütchen, wo man einfach mit relativ Fantasie, also wo man mit einfachen Requisiten, einfachen Bildern eine bedeutungsoffene Assoziation hervorruft. Das finde ich einfach toll.
Und das ist immer für mich immer die größte Magic am Theater, wenn das erreicht wird, weil das wirkt auch nur im Theater, weil du gesagt hast, das sind so Sachen, die wirken im Theater, wenn ein Stück Stoff zu Meer wird.
Also solche Sachen, das kannst du im Video nicht sehen, aber im Theater ist es dann toll, weil wenn alle den blauen Stoff als Meer bespielen, das ganze Ensemble, und du siehst es auch auf einmal als Meer, dann das ist einfach, das kann nur Theater.
Corinne:Calle, du hast gestern den Benko als Hochstapler beschrieben und als Laien hatte ich das Gefühl, die Figur des Hochstaplers ist ja doch auch eine beliebte Figur im Theater. Ist das ein eigenes Genre, dieses Hochstaplerstück, oder hast du das gerade erfunden?
Calle:Gute Frage. Es ist mir im Nachgespräch ja so ein bisschen rausgerutscht, weil ich genau den Begriff im Stück aus juristischen Gründen nicht verwenden soll.
Also, naja, klar, es gibt schon einfach eine Tradition der Hochstaplerstücke der Literatur. Bester Fall ist, oder bekanntester Fall ist sicherlich Felix Krull von Thomas Mann.
Corinne:Bekenntnis eines Hochstaplers.
Calle:Bekenntnis eines Hochstaplers, genau, weil es ja einfach wahnsinnig viel Spaß macht, Menschen dabei zuzusehen, wie sie sich hoch bullshitten.
Das ist ja einfach, ich sag mal, House of Cards ist da ja auch gar nicht so weit von entfernt, wenn man in der ersten Staffel versucht oder Frank Underwood dabei zusieht, wie er sich irgendwie in dieses Präsidentenamt hochsneakt. Vielleicht nicht hochstapelt.
Ja, genau, weil man als Publikum irgendwie weiß, okay, die Person, die kann es offiziell nicht, aber irgendwie gelingt es doch und das macht Spaß. Und bei René Benko war es ja lange genau andersrum.
Der hat sich selbst auch immer als Tiefstapler eher inszeniert als den Mann aus einfachen Verhältnissen, der dann halt mal mit einer fetten Yacht kommt. Ja, kann passieren. Kann passieren, absolut.
Aber auch nicht als wahnsinnig partywütig galt, sondern sehr viel Zigarre immer geraucht hat und der nachdenkliche Tiroler war, der auch seinen Dialekt nie wirklich abgelegt hat.
Auch etwas ist, was viele Investoren als so unglaublich bodenständig bei ihm beschrieben haben, dass der noch in seinem Tiroler Bergdialekt da spricht, obwohl er mit den großen internationalen Investoren agiert und dass sich diese Story so gedreht hat, vom Tiefstapler zum Megahochstapler. Das ist natürlich besonders interessant.
Corinne:Ihr habt ja das Stück getauft, Aufstieg und Fall des Herrn René Benko. Was hat es mit diesem Herrn auf sich? Wieso ist das so wichtig?
Calle:Ach, weil ich es irgendwie, im Englischen würde man sagen decent fand. Also, ja genau.
Also man muss dazu sagen, auf René Benko wird und wurde in der österreichischen Presse mit besonderer Kraft eingeschlagen, was unter anderem den Grund hat, dass René Benko sich mehr oder weniger heimlich einen sehr großen Anteil der Kronenzeitung gesichert hat, wo die Herausgeber, die Familie Dichant, eine sehr besondere, wichtige Familie in Österreich, die eben die Herausgeber in der Kronenzeitung sind, die vergleichbar ist mit der Bild in Deutschland. Ich weiß nicht, was hier das perfekte Blick Pendant ist.
Und ja, und auf einmal ist da dieser Benko Teil der Kronenzeitung wahrscheinlich mit dem Hintergedanken, wenn ich die hinter mir habe, dann bin ich safe.
Corinne:Am Kurier hat er auch noch Anteile.
Calle:Genau, das ist eine ähnliche, ist dieselbe Konstruktion dahinter.
Und die Familie Dichant hat aber daraufhin beschlossen, nee, nee, nee, nee, nee, hier so eine heimliche Übernahme oder Teilhabe, die ermöglichen wir dir nicht. Du bist jetzt zwar Herausgeber, aber wir machen dich platt.
Und ich fand das auch wieder irgendwie falsch, weil man ja auch in der ganzen Causa Benko bedenken muss, der hat ja auch für einige Leute und jetzt nicht nur für Großinvestoren, was Gutes getan, für den ganzen Bausektor in Österreich teilweise wahnsinnig viele Jobs geschaffen und man hat ihn so lange hofiert und ihn jetzt, das ist auch so ein österreichisches Gen, glaube ich, ihn jetzt so in die Schmuddelecke zu stellen, hat mir auch nicht gepasst.
Und deswegen erzähle ich in diesem Abend ja auch nicht permanent, wie furchtbar René Benko ist, sondern blicke mit einer gewissen Faszination auf diese ganze Persona.
Corinne:Ja, und es ist ja, was du erzählst, ist ja auch ein systemisches Versagen. Er hat einfach das System ziemlich gut ausgedribbelt. Kann man ja schon anerkennen, oder?
Calle:Absolut.
Also ich meine, was er wirklich geschafft hat und das ist für mich auch so als Theatermensch irgendwie das Interessanteste, er hatte einfach eine saugute Story, die aus so einer Bescheidenheit eben kommt, der sich hochgearbeitet hat, also eigentlich ganz klassisch erstmal auch banal, die aber offensichtlich so gut verkauft hat, dass die hochrangigsten Wirtschaftsbosse da mitgegangen sind, obwohl es ja lauter Alarmsignale die ganze Zeit gab. Und das finde ich total beeindruckend.
Corinne:Wie seid ihr denn vorgegangen bei der Entwicklung des Stücks? Du hast ja eben mit Dossier zusammengearbeitet. Wie habt ihr euch da gefunden?
Hatten diese Journalistinnen überhaupt ein Verständnis für die Materie Theater? Wie war das?
Calle: ien engagiert und Da sind wir:Und da ist die Wahl relativ schnell auf Dossier gefallen, weil in Österreich, ich mache es ganz kurz, gibt es ein ganz großes Problem mit der sogenannten Inseratenkorruption.
Also dass du über Werbeschaltungen, sei es von der Regierung oder von großen Konzernen, Berichterstattung relativ effektiv beeinflussen, wenn nicht sogar verhindern kannst. Ja, Sebastian Kurz hat genau das, worüber Sebastian Kurz also A profitiert und dann drüber gestolpert ist.
Und Dossier war das oder ist das erste Medium in Österreich, das gesagt Wir nehmen keine Werbung an.
Wir finanzieren uns ausschließlich über die Menschen, die mit einem erstaunlich geringen Beitrag Dossier als Jahresabonnentinnen durch eine Mitgliedschaft unterstützen können. Und das fanden wir so grundsympathisch, dass wir gesagt Hey, hättet ihr nicht Lust, dass wir uns mal treffen?
Und Kai Vogel ist der Intendant des Volkstheater Wiens, der hat zuvor schon mit Correctiv in Deutschland zusammengearbeitet, die man ja sicherlich kennt. Sprich, da gab es schon ein bisschen Erfahrungsschatz und ich habe mir das Thema dann einfach gekrallt.
Ich habe gesagt, ich finde die so cool, ich möchte mit denen was machen. Und daraus sind mehrere Projekte entstanden.
dann klar war im Frühsommer:Und wir dachten noch am O Wir bringen dieses Signa Wunderland, wie wir es nennen. Wir schaffen es, dass wir der Tropfen sind, der es dann zu Fall bringt.
Aber keine zwei Monate später implodierte das Ganze bereits und dann haben wir gesagt, okay, was könnte jetzt unsere Aufgabe sein?
Wir haben dann relativ schnell gemerkt, dass wenn du einen Überblick behalten möchtest über diese ganze Causa Benko, da brauchst du mindestens fünf Zeitungsabos, weil die einzelnen Magazine oder Zeitungen immer wieder auf andere Berichte refrieren, die aber hinter einer Paywall sind. Und es ist für einen Normalbürger, eine Normalbürgerin quasi unmöglich, einen Überblick zu behalten.
Und das passiert bei Wirtschaftsthemen ja ganz oft, dass du irgendwann aussteigst, weil es einfach zu kompliziert wird, zu groß wird. Und wir dachten hey, hier können wir doch eine Brücke schlagen.
Hier kann das Theater der Raum sein, der ein zugängliches Verständnis bietet, einen Überblick bietet in diesem wahnsinnigen Informationsdschungel, der rund um die Causa Benko herrscht.
Corinne:Und wie war das dann? Habt ihr, ich nehme an, eine Art Drehbuch geschrieben? Musstet ihr da viele Kompromisse eingehen?
Musstet ihr dramaturgisch irgendwelche Kniffe machen, Dinge weglassen, weil es ist ja ein endloses Universum. Nur schon die Signa Holding mit ihren 900 unter Tochtergesellschaften.
Calle:Ja, also wir haben im ersten Schritt einfach gesammelt, weil es gab jeden Tag, ich weiß nicht wie viele Medienberichte, wo wo Dossier schon mal die Leistung erbracht hat zu scannen. Was ist überhaupt relevant?
Weil natürlich die eine Tochtergesellschaft, die jetzt noch ein Haus in, ich sag jetzt mal der Ostschweiz hatte, Ist das für die große Erzählung zu René Benko wirklich relevant oder ist es einfach nur ein kleines weiteres Detail, was ein Medium gerade exklusiv hatte und es deswegen publiziert hat? Das war schon mal eine mega Aufgabe. Parallel dazu musste ich die Immobilienbranche verstehen, weil ich hatte keine Ahnung davon.
Und da haben sich die Kolleginnen von Dossier unendlich viel Zeit genommen, weil ich wirklich immer und immer wieder nachfragen okay, aber wie funktioniert jetzt zum Beispiel die Aufwertung von Immobilien wirklich? Warum glaubt man das, wenn ein Gutachter das passt? Warum ist das so okay, was Rechtfertigtes?
Und ja, dann haben wir gesammelt, gesammelt, gesammelt und relativ schnell gemerkt, okay, diese Geschichte lässt sich am besten chronologisch erzählen. Deswegen auch Aufstieg und Fall, weil in einzelnen Themenblöcken vorzugehen, macht es wieder zu kompliziert für einen Theaterabend.
Und als dann so ein grober Weg gezeichnet war, haben wir relativ schnell gemerkt, okay, das wird wahrscheinlich ein dreistündiger Theaterabend, da hauen die uns ab nach zwei Stunden spätestens. Und ich krieg das auch nicht in meine Birne rein.
Und deswegen mussten wir ein bisschen gucken, okay, was ist denn für die große Story am relevantesten und vielleicht gleichzeitig das, wo man nicht über einen Podcast oder eine minütige Doku hinkommt. Und da wurde dann viel weggelassen.
Und dann ging es im dritten Schritt darum, das, was ich jetzt nach langen Gesprächen verstanden hatte, wirklich so zu kondensieren, dass es in der 1 zu 1 Theater live Erfahrung verständlich ist und gleichzeitig auch unterhaltsam bleibt.
Corinne:Wie ist denn das normalerweise? Beim Theater hat man ja Kostüm, Bühne, Requisite, weißer Teufel und bei diesem Stück war sehr einfach.
Vor allem die enorme Rechercheleistung, die da gezählt hat. Hat das Volkstheater Wien diese Journalistinnen irgendwie vergütet für diese Arbeit oder wie ist das abgelaufen?
Calle:Also wir haben eine langfristige Kooperation mit Dossier, wo beide Seiten einfach enorm profitieren. Es fließt kein Geld zwischen den beiden Häusern, auch weil Dossier eben kein Geld von Regierungsorganisationen annimmt.
Und dann zu okay, wir sind als Theater dazwischen geschaltet.
Das hat sich nicht so ganz richtig angefühlt, sondern Dossier hat dann Räume, Personal teilweise von uns bekommen, um da eine entsprechende Gegenleistung zu erbringen.
Corinne:Du hast etwas sehr Schönes gesagt, nach der Performance gestern, als es um die Frage ging, was du eigentlich mit diesem Stück willst oder was ihr wolltet.
Und du sagtest, dir gehe es darum, dass du Zugänge schaffst, dass du willst, dass sich die Menschen wieder mündig fühlen, weil du da einen Überblick gibst und dass sie sich im Idealfall politisieren. Ich bin seit zwölf Jahren Journalistin.
Ich habe da schon einen leisen Stich im Herzen gefühlt, weil ich mir so gedacht Ja, das ist eigentlich genau das, was wir Journalistinnen auch wollen, aber es nicht mehr so richtig schaffen, weil irgendwie dieser Beruf langsam aber sicher in Bedrängnis kommt. Sagen wir es mal so. War dein Stück, ist dein Stück Journalismus oder Theater? Oder wie würdest du das erklären jemandem, was du da machst?
Calle:Es ist beides. Es ist die Kombination aus beidem. Es ist faktengecheckt.
Also das ganze Skript ist durch den sehr aufwendigen Dossier Faktencheck gegangen, Aber es ist auch Theater. Weil ich mir in einer Szene eine blöde Brille aufziehe, behaupte ich wäre mein Mathelehrer aus meiner Kindheit und der bin ich ja gar nicht.
Ich tue so, als wäre ich jemand anderes und jemand anderes schaut mir dabei zu Theater.
Und ich glaube, was diese Verbindung besonders macht, ist, dass sowohl Theater als auch Journalismus seit Jahren schon in einer Krise stecken, weil das Theater immer mehr an Zuschauer innen verliert, an Relevanz verliert und der Journalismus gleichzeitig extrem unter Beschuss ist.
Ich würde es, glaube ich, sogar noch mal verstärken, weil man ein glaubwürdiger auf einmal bekommt, weil die Meinung von einem TikToker auf einmal genauso viel Wert ist wie ein extrem aufwendig recherchiertes Investigativstück. Und gleichzeitig der Journalismus auch das Problem hat, dass kaum jemand das liest.
Also ich habe es bei Correctiv und auch bei Dossier immer wieder gemerkt, dass ich gesehen, wie viel Zeit da drin steckt, dass da über Monate recherchiert wird und was sind dann die Zugriffszahlen? Das ist gering.
Und das Magische ist, dass hier tatsächlich Minus und Minus auf einmal Plus macht, weil wir im Theaterraum den Luxus der Unerreichbarkeit erstmal genießen. Leute sind nicht permanent am Handy. Wo gibt es das noch?
Man ist nicht abgelenkt, man folgt einem Komplex über 90 Minuten oder vielleicht sogar länger. Das ist außergewöhnlich.
Und gleichzeitig haben wir die Erfahrung gemacht, dass auch so jetzt erstmal im Grunde nicht komplett aufbauende Themen wie René Benko, wo man sieht, wie viel Geld der auch aus staatlichen Organisationen gezogen hat oder auch der Konzern OMV in Österreich, zu dem wir ein Stück gemacht haben oder mit Correctiv zu Klimaleugnern, also alles keine Good News, dass es extrem heilsam ist, diese Themen nicht nur alleine in der U-Bahn oder vorm Schlafengehen.
Auf dem Screen zu bearbeiten, sondern im Kollektiv in einem Theatersaal, wo man gemeinsam lachen kann, gemeinsam sich empören kann und vor allem in der Regel danach noch bei einem Bier oder einem anderen Getränk sich dazu unterhalten kann und verbinden kann.
Und da sehen wir, ohne dass wir es groß geplant haben, muss ich dazu sagen, das war eher so durch die Praxis, haben wir gemerkt, wow, das hat enorm viele Vorteile, das haben wir über die letzten Jahre so immer weiter vertieft und das macht sehr viel Spaß.
Corinne:Was würdet ihr denn sagen, sagen wir mal im deutschsprachigen oder im europäischen Raum, hat dieses investigativ oder dokumentarische Theater einen hohen Stellenwert oder kommt das vielleicht wieder? Ist das das nächste große Ding?
Tim:Also ich glaube, man muss sich schon bewusst machen, dass am Anfang stand Peter Weiß mit der Ermittlung, da kam vielleicht noch eine andere Ebene dazu, so eine Ebene, wo das Kollektiv noch die Aufgabe hatte von so einer, auch von so einem kollektiven Trauma sozusagen, was man dann auch da verarbeitet hat. Und von dort ausgehend glaube ich, dass es dann immer wieder andere Variable gibt.
Also ich habe so ein Negativbeispiel, also ich finde es so cool, dass es bei euch so funktioniert hat jetzt.
Ich habe mal ein Projekt gemacht über das Milosevic Tribunal, da hat die Dramaturgin, das war auch, wir haben die Recherche gemacht und die Probenarbeit live während das Tribunal lief und dann hat die Dramaturgin immer die ganzen, da gab es noch keine Übersetzung, KI, dann hat die immer für uns jeden Morgen von 6 Uhr in der Früh bis zu Probenbeginn immer sämtliche Protokolle übersetzt, oh mein Gott, die wir dann gelesen haben, um dann das da auch wieder eben, was Kalli gesagt hat, zu kürzen eben und die Essenz eben auch zu finden und solche Sachen. Und nach zwei Monaten haben wir da Premiere gemacht und dann hatten wir wahnsinnig gute Kritiken.
Ich glaube, ich habe in meinem Leben noch nie so gute Kritiken gehabt, bis hin zu Spiegel, also Calle Weiß zum Beispiel, Spiegel, ich weiß nicht, ob die heute überhaupt noch Theater kriegen, die haben auch eine Seite gemacht und die Vorstellungen waren so zwei Monate, sechs Wochen angesetzt und wir haben dann so im Schnitt so vor vier bis fünf Zuschauern gespielt.
Corinne:Wow, Hauptsache die Kritik war super.
Tim:Also wie soll ich sagen, es gibt auch die.
Also ich finde es einfach so cool, dass man, Ich habe so das Gefühl, ihr habt so eine Lösung gefunden, dieses eben so ein Unterhalten, also wo die Gemeinsamkeit auch so was Unterhaltendes hat, weil man eben gemeinsam auch lachen kann.
Es ist was schöner, als nur vorm Bildschirm alleine zu lachen so also wo das Unterhaltende, was ja im deutschsprachigen Raum ja sowieso immer manchmal immer noch so ein bisschen anrüchig ist leider, dass sozusagen da so einen Weg zu finden, dass es trotzdem seriös ist, aber irgendwie.
Aber das ist trotzdem was Unterhaltendes und das fand ich jetzt schon mal so ein Twist, der da drin ist, den ich richtig gut finde, auch im Zusammenhang mit dem, was gerade vorhin gesagt hat, dass es ja wirklich ein Problem ist.
Genauso einfach mit den Zuschauern auch, also mit der Bereitschaft sich auch einzulassen, mit einer Sache sich ein bisschen intensiver auseinanderzusetzen.
Corinne:Wenn ich so als St.
Gallerin an Theater denke, das ernste Themen behandelt, ist natürlich immer zuvorderst im Kopf auch Milo Rau, der auch viele Sachen und ernste Themen inszeniert hat. Macht er eurer Wahrnehmung nach auch sowas wie investigatives Theater oder ist das noch mal ein Dreh weiter gedacht?
Calle:Also erstmal weiß ich gar nicht, ob ich investigatives Theater mache, muss ich dazu sagen.
Ich würde einfach sagen, ich arbeite mit Journalistinnen zusammen und Milo Rau dreht das ja durchaus noch mal weiter, weil ich glaube jetzt nicht, dass sein primäres Ziel ist, einen Komplex zugänglich aufzuarbeiten, sondern dass er auch noch mal anders mit, ja, er noch mal ganz anders mit Behauptungen spielt, ein eigenes Gericht einfach einsetzt.
Corinne:Also Underperformance wäre jetzt definitiv kein Wort, was in diesen Zusammenhang fallen würde.
Calle:Genau, aber ich glaube, das ist ja gerade das Schöne, deswegen finde ich es auch gerade ganz interessant, was so im deutschsprachigen Feuilleto ein passiert, weil alle versuchen, dem jetzt wieder ein Label zu geben und die Vielfalt in diesem Zugang zeitgemäße Themen auf die Bühne zu bringen, die interessiert mich viel mehr, weil auch bei Milo Rau sagt man teilweise, das ist Dokumentartheater.
Weiß ich nicht, glaube ich nicht, sondern er spielt eben da und gerade dieses Verspielte von ihm, was zumindest in seinen Setzungen total vorhanden ist, da würde ich sagen, liegt eine klare Parallele.
Corinne:Oh ja, vielleicht stimmt der Vergleich auch irgendwie überhaupt nicht.
Ich empfinde wie beides als sehr aufklärerisch oder als wirklich auch etwas, wo man sich eben, wie du sagst, irgendwie auch gerne mit schweren Themen auseinandersetzt und das nicht allein tun muss. Das spüre ich bei Milo auch. Aber vielleicht ist auch wirklich, sollte man euch nicht ins gleiche Theater stecken?
Tim:Nein, Gott sei Dank nicht. Also ich meine, das würde Milo sicher auch so sehen.
Das ist ja eben, wie du sagst, das Schöne ist, dass man vielleicht jetzt auch ein bisschen spielerischer jetzt von Peter, weiß ich vorhin meinte von Peter, weil es ausgehend jetzt in der Lage ist, da mitspielerisch umzugehen und verschiedene Wege zu finden. Ich habe ein Problem gehabt, das auch sehr subjektiv ist so ein bisschen.
Ich finde, es gab eine Zeit lang eine Verkürzung im dokumentarischen Theater, die darin bestand, dass man, da gab es sogar einen speziellen Begriff dafür, Experten des Alltags, die wurden auf die Bühne geholt und dann hat man sich gedacht, wenn ich die Realität einfach auf die Bühne hole, dann kann ich die Realität abbilden. Und das ist ehrlich gesagt so dumm.
Er ist einfach so blöd und so kurz gedacht, weil in dem Moment, wo jemand als Experte auf die Bühne tritt, in dem Moment, wo er auf die Bühne tritt, ist er nicht mehr er selber, weil er wird beobachtet und er performt. Er ist einfach. Und das ist auch so.
Ich habe mir in den Produktionen, die ich angeschaut habe, ich jedes Mal, sorry, aber das ist halt eine Performance von einem Amateur, der vielleicht über was spricht, was er sehr gut kennt, aber nicht die Realität. Die Realität stellt sich eben immer über einen Kniff dar. Das ist das, was ich meine.
Das ist das, was ich auch gestern bei deiner Performance so toll fand, dass die Realität sich eben herstellt über eine Brücke, über eine Assoziation, über die Brille deines Mathelehrers.
Über solche Sachen stellt sich dann Realität her, die eine Realität ist, die nicht einfach nur eine 1 zu 1 Abbildung ist, sondern die eben, was ich vorhin meinte, Essenz, also wo noch was anderes dahintersteckt an Erkenntnis im Grunde genommen schon. Die Realität selber ist einfach mir persönlich zu wenig.
Also dafür gehe ich einfach nicht, weil ich bin auch ganz gut, mich ins Café zu setzen und die Leute anzuschauen. Da habe ich eine Menge Realität und das mache ich auch gern ab und zu, finde ich auch sehr interessant.
Das ist etwas, was man vielleicht auch zu wenig macht, auch ich. Aber wenn ich ins Theater gehe, dann möchte ich schon. Also ich brauche da ein bisschen mehr, einfach mehr, mehr Sud Sud.
Ein Sud muss ich irgendwie erkennen, eine Verdichtung auf eine bestimmte Arten Weise.
Und die kann sehr unterhaltsam sein, auch zum Teil, wie es gestern, kann für mich aber auch durchaus anspruchsvoll und auch tragisch sein, sag ich mal, die beiden Seiten, die das Theater zur Verfügung hat.
Aber diese ganze Idee, da bin ich oft ausgestiegen, so in den letzten Jahren, wenn das dokumentarische Theater dahingehend war, zu okay, ich bin da ist jetzt Realität, die ich, wenn ich auch nie leider dann auch nie so erkannt habe.
Also es war dann auch nicht nur so, dass die Behauptung war schon irgendwie falsch und dann aber auch noch die Zielsetzung hat dann auch nicht funktioniert, weil mir es dann auch zu wenig war.
Calle:Ja, und gleichzeitig würde ich sagen, hat aber für viele Leute extrem gut funktioniert.
Und ich glaube, da kommen wir auch so in die etwas größere Frage nach der Authentizität, weil das Interessante ist ja, wenn ich mich jetzt als, ich sage mal, Hamlet auf die Bühne stelle, kann ich wahnsinnig authentisch sein, obwohl oder gerade weil alle wissen, der ist nicht Hamlet. Bei den Expertinnen des Alltags hingegen, da wird ja erstmal Authentizität vorgegaukelt, ja, oder sagen wir behauptet.
Und bis zu einem gewissen Grad ist die ja auch da, weil eine Person, weil ich dann eben nicht als Hamlet dastehe, sondern als Calle. Aber zu glauben, dass das dann zwingend authentisch ist, würde ich ähnlich wie du, Tim, auch ein Fragezeichen hintersetzen.
Und interessant ist dann ja auch wiederum, dass man das auf TikTok und Instagram oft genauso denkt, dass wir da ja permanent mit Expertinnen des Alltags zu tun haben, die zu jedem möglichen Thema ihren Senf abgeben können. Und da glaube ich wieder ein professionelleres Expertinnentum zu pflegen.
Und eben nicht, dass ich mich jetzt als Calle auf die Bühne stelle und sage, wie ich mich zu René Benko fühle, sondern nee, nee, nee, ich habe selber davon keine Ahnung. Deswegen hole ich mir Leute, die richtig Ahnung haben und versuche zwischen, also mich als Brücke zwischen denen und den Menschen da unten zu sehen.
Das ist zumindest der Zugang, den ich gewählt habe, den ich auch am ehrlichsten finde.
Corinne:Allgemein das Thema Fühlen wird für meine Verhältnisse leicht überinterpretiert.
Oft, wenn es gerade um Expert innen geht, zum Beispiel in Frauenfragen oder in Rassismus Fragen, dann ist es immer zuerst ja, wie fühlst du dich denn damit? Wie fühlst du dich denn als schwarze Frau oder irgendwie so.
Man spricht mit den Leuten nicht mehr als Expertin, die einfach ein Fachwissen haben, sondern man muss immer zuerst über die Gefühle gehen.
Und damit habe ich ein bisschen Mühe, weil dann auch viel subjektiviert wird und die Leute dann auch auf ihre Funktion als, sagen wir jetzt, schwarze Frau reduziert werden und nicht als Expertinnen in einer Fachdiskussion wahrgenommen werden, unabhängig von ihrer eigenen Betroffenheit. Ich bin noch bei der Essenz hängengeblieben oder so bei diesem Sud oder bei auch der Frage, worum geht es eigentlich wirklich in diesem Stück?
Du hast dich jetzt lange mit der Materie beschäftigt. Was ist für dich so der doppelte Boden oder das, was diesem Stück noch darunter liegt?
Calle:Also ich glaube, das, was mich an René Benko am allermeisten interessiert, ist sein Umfeld, weil gerade auch in der Erzählung über René Benko immer wieder er der einzige Protagonist ist und dann gibt es so ein paar Nebendarstellungen, Muss man nicht gendern, weil sind alles Männer.
Und ich fand es eben gerade interessant, okay, René Benko steigt auf und fällt, die Nummer ist jetzt erstmal gegessen, aber der war ja gar nicht alleine, sondern er hatte Menschen, die extrem durch ihn profitiert haben und durch die auch René Benku natürlich profitiert hat.
Bestes Beispiel seine Steuerberaterin, die sich das ganze Konstrukt hinter der Signa mit ausgedacht hat und es überhaupt erst bisher juristisch sauber ermöglicht hat, dass das Ganze so lang funktioniert hat.
Ja, was ist denn jetzt mit der, weil die ist ja immer noch da Und wer sagt denn, dass nicht der nächste René Benko bei der an der Tür klopft und hey, du hast da ja einen ziemlich stabilen Job gemacht, kannst dasselbe noch mal für mich machen.
Und gerade diese Menschen, die es sich sehr bequem machen, als Schattenexistenz, die ins Rampenlicht zu ziehen, das ist für mich das Interessante, das Mittäter tun und darüber erzähle ich ja auch sehr viel in dem Amt.
Corinne:Die Mittäter aber schon auch, ich habe es sehr fest auch als wirklich ein systemisches Problem wahrgenommen. Man könnte alle Personalien auswechseln und es hätte trotzdem so oder ähnlich stattfinden können auf jeden Fall.
Calle:Aber am Ende sind es ja trotzdem Menschen, die handeln.
Und ich glaube, wenn Menschen, die ein System besonders ausnutzen, zur Rechenschaft gezogen werden, dann ist die Abschreckung für die nächste Person, es wieder zu tun, auf jeden Fall ein bisschen größer.
Nur was wir ja gerade beobachten, ist, dass ich habe jetzt erst auf LinkedIn wurde mir wieder irgend so ein Quatsch reingespielt, dass Alfred Gusenbauer, der die Nummer zwei, kann man fast sagen, im ganzen Signa Konzern schon wieder auf irgendwelche Wirtschaftskongresse eingeladen wird.
Und ich denke mir, dieser Mann hat Millionen aus der Signa gezogen, hat konsequent weggeschaut und wird gerade einfach wieder, wie sagt man, wieder eingesetzt, rehabilitiert. Das war das Problem.
Corinne:Durchaus passiert. Parallelen zu gewissen Bankern zum Beispiel, das waren ja ähnliche Systeme, die da gespielt haben, wo es wieder rehabilitiert wurde.
Calle:Absolut.
Und ich glaube, ein System zu verändern, es ist ja auch gerade, sage ich mal, in linkeren Diskursen immer wieder, dass wir darauf kommen, wir müssen das System ändern. Ja, aber wir haben a keine Mehrheiten dafür und b funktioniert das nicht so einfach.
Und ich glaube, da erstmal über Individuen zu gehen, die systemische Kraft haben, das hat man ja prinzipiell, wenn man in diesen Einkommensschichten, wo die Freundinnen und Freunde von René Benko sich bewegen, hat man ja eine ganz andere Power, diese Menschen ins Rampenlicht zu ziehen und vor allem als verantwortlich zu markieren. Das ist mir enorm wichtig, weil ich glaube, das kann durchaus etwas ändern.
Tim:Du hast ja ein tolles Beispiel auch mit dem Wiedeking gehabt, finde ich, Also der ja gesehen hat, Moment, die Zahlen stimmen nicht, ich bin raus.
Calle:Ja, genau.
Tim:Fand ich sehr eindrücklich, weil es so ein positives Beispiel war von menschlicher Einschätzung, Handlungsfähigkeit, die eben wohl ganz ausgeschert ist aus dem Ganzen.
Corinne:Ja, aber ist ein positives Beispiel, weil er einfach sich moralisch hinterfragt hat oder weil er gedacht hat, ja, wenn ich jetzt mein Geld nicht habt, sie, dann sehe ich es nie wieder.
Tim:Moralisch würde ich noch nicht mal ansetzen, sondern rein einfach von der Legalität her einfach von bis dahin darf ich 80 km h fahren und darüber nicht und ich fahre jetzt nicht schneller. Also da ist gar nicht so, das haben die Zahlen, so habe ich es verstanden.
Calle:Absolut. Genauso ist es.
Also Wiedeking war, Wendelin Wiedeking war lange Investor, ist dann wie du sagst aufgrund von falschen Zahlen, für die Benko keine Erklärung hatte, ausgestiegen, weil er gemerkt hat, OK, hier scheint etwas schief zu laufen und alle anderen Menschen haben entweder den Fehler nicht bemerkt, kann man auch hinterfragen. Die sind ja in sehr wichtigen Positionen.
Corinne:Noch immer aktiv, die haben ja miteinander gesprochen.
Calle:Hoffen wir es. Also entweder haben sie es nicht gesehen, das wäre eine Katastrophe, oder sie haben es gesehen und es war ihnen egal.
Und das halte ich für wahrscheinlicher. Und eben wie du sagst, da kann man ja bei Wiedeking ansetzen und naja, es geht auch anders. Und zwar ganz einfach.
Corinne:Ihr habt jetzt zusammen mit Dossier die Person, die Protagonistin beleuchtet und ihr habt doch auch zum Schluss versucht, noch ein paar Hebel aufzutun oder ein paar Dinge, vielleicht auch gesetzliche Ansätze zu formulieren, wie man einen zweiten René Benko bzw. Fall Signa verhindern könnte. Kannst du da vielleicht ein, zwei Beispiele noch?
Calle:Also ich glaube, dass zwei Sachen vielleicht erstmal das etwas Kompliziertere und dann das Einfachere.
Und zwar, was bei der Signa ein großes Konstruktionsproblem war, dass die Beiräte, also die Berater der Signa, gleichzeitig oft auch Aufsichtsräte waren, Sprich die Menschen, die das Unternehmen beraten haben und vom Profit des Unternehmens selber profitiert haben, sollten gleichzeitig die Kontrolleure sein. Und das ist ein Riesenproblem.
Im Stück sage ich, wenn ein Fußball Schiri ein Spiel pfeift und Geld damit macht, dass eine Mannschaft gewinnt, würden wir sagen, der ist geschmiert. Und das war letztlich das System der Signa.
Und wir können von der Gesetzgebung her sagen, dass in einem Firmenkonvolut wie der Signa, also mit all diesen Tochtergesellschaften, es geht jetzt nicht um den Handwerkerbetrieb um die Ecke, der wahrscheinlich auch keinen Beirat hat, können wir Hey, wenn jemand im Beirat sitzt, also berät, sollte diese Person nicht gleichzeitig auch Kontrolleur sein?
Corinne:So eine verbindliche Gewaltenteilung.
Calle:Absolut, genau. Dass wir einfach sagen, du solltest vielleicht nicht Richter und Politiker sein, das geht sich nicht so gut aus.
Und das Zweite ist, dass und das ist vor allem in Deutschland der Fall, da weiß ich jetzt nicht genau, wie das hier in der Schweiz ist, aber die Bundesrepublik hat Galeria Kaufhof Karstadt mit Geld zugehörig.
Drückt, weil man quasi gesehen hat, während Covid oh Gott, Galeria geht insolvent, super viele Arbeitsplätze, die da potenziell verloren gehen, wir müssen da Geld drüber schütten damit wir zumindest das Gefühl wiedergeben, dass wir hier aktiv sind.
Man hat dabei aber eben nicht betrachtet, dass René Benko daraus wahnsinnig viel Geld für sich abgezogen hat, hat und am Ende trotzdem Menschen ihren Job verloren haben. Nur mal als Vergleichszahl. Das ist die gesamte Braunkohleindustrie Deutschlands Menschen.
Und da können wir einfach fordern, dass wenn wir in einen Privatkonzern mit unserem Steuergeld, wenn wir dort einspringen sollen, dass wir volle Transparenz bekommen, dass wir sehen können, wo dieses Geld wirklich hinfliesst, weil das ist so nicht passiert und das Geld ist erstmal futsch.
Corinne:Ja, also das System hast du jetzt kapiert. Jetzt beginnst du auch in Immobilien zu investieren oder hast du schon ein anderes Projekt? Woran arbeitest du gerade?
Calle:Also ein Langzeitprojekt, was hoffentlich in den nächsten zwei Jahren am Schauen Köln realisiert werden könnte, wäre tatsächlich zur Deutschen Bahn, weil mich interessiert, was da ab Mitte der er eigentlich so schief gelaufen ist, wie die ach so pünktliche, zuverlässige Deutsche Bahn zu dem werden konnte, was wir mehr oder weniger alltäglich erleben.
Corinne:Sehr interessant. Ja, vielen Dank, Calle Fuhr, dass du bei uns warst.
Uns bleibt nichts weiter, außer dir toi toi zu wünschen für deine Performance morgen Abend im Palast St. Gallen.
Calle:Ich habe mich sehr gefreut, hier bei euch im Podcast zu sein. Danke für die Einladung.
Tim:Dankeschön.
Calle:Vielen Dank.