In den ersten drei Folgen von Chopfsach widmen wir uns den drei häufigsten Demenzformen. In Folge 1 legen wir den Fokus auf die Alzheimer-Demenz, weil sie sehr viele Menschen betrifft. Die Demenz-Expertin Judith Kronbach und die Schauspielerin Verena Bosshard zeigen die Auswirkungen und Symptome dieser Krankheit sowie den Hintergrund der Namensgebung auf - unter anderem auch mit einer eindrücklichen Szene, erzählt von Schauspielerin Bosshard. Und Kronbach spricht im Fachexpertinnen-Interview mit der Zürcher Stadtärztin Gabriela Bieri über Ursachen und Hintergründe der Krankheit: “Je besser trainiert unser gesundes Hirn ist, desto später kommt die Demenz.”
Die Hosts:
Judith Kronbach, Expertin für Demenz, unterrichtet zum Thema Demenz und arbeitet in der Gerontologischen Beratungsstelle SiL der Stadt Zürich.
Verena Bosshard ist Schauspielerin und Theaterschaffende, unter anderem beim Hirntheater. Dieses sensibilisiert sein Publikum praxisorientiert und lebendig zu verschiedenen Themen innerhalb des Bereichs Demenz.
Interviewgast:
Dr. med. Gabriela Bieri-Brüning ist Stadtärztin, Chefärztin des Geriatrischen Dienstes und Ärztliche Direktorin der Gesundheitszentren der Stadt Zürich.
Alles zum Podcast Chopfsach finden Sie auf: Chopfsach-Podcast.ch
Anregungen, Bemerkungen, Wünsche gerne an: chopfsach@podcastschmiede.ch.
Chopfsach ist eine Produktion der Podcastschmiede, Hauptpartnerin ist die Stiftung Plattform Mäander. Sie setzt sich für die Inklusion von Menschen mit Demenz in unserer Gesellschaft ein.
Finanziell unterstützt wird der Podcast von der Stiftung Plattform Mäander, Paulie und Fridolin Düblin Stiftung und Lundbeck.
Produzentin: Franziska Engelhardt
Musik: Daniel Hobi
Audioproduktion: Christina Baron
Direkt Betroffene, indirekt Betroffene, einfach alle
Speaker:Alle Menschen, die irgendwo mit diesem Thema zu tun haben, konfrontiert werden.
Speaker:Mit diesem riesigen Thema Demenz. Wer sind wir überhaupt? Ich
Speaker:bin Judith Kronbach, 56 Jahre alt. Ich beschäftige mich
Speaker:seit vielen Jahren mit dem Thema Demenz. Ich arbeite bei
Speaker:der Gerontologischen Beratungsstelle des Staatärztlichen Dienstes. Ich
Speaker:bin ursprünglich Pflegefachfrau und Gerontologin und
Speaker:berate und unterrichte zu diesem Thema, dem Demenz und
Speaker:Ich bin Verena Bossart, Schauspielerin und Theaterschaffende. Ich
Speaker:bin dieses Jahr schon einmal 75 Jahre alt. Ich
Speaker:bin seit neun Jahren beim Hirntheater Basel und
Speaker:vor allem spiele ich Angehörige. Das heisst meistens
Speaker:die Frau eines demenzkranken Mannes. Und es ist
Speaker:unglaublich, wie man auch einfach, wenn man eine Rolle spielt, alles
Speaker:mitfühlt, was hier abgeht. Ich fühle mich extrem allein am
Speaker:Schluss der Szene. Einfach verloren. Wir brauchen
Speaker:Das ist ja genau unsere Motivation, weshalb wir
Speaker:so einen Podcast machen wollen. Jeder kennt irgendjemanden, der
Speaker:eine Demenz hat oder Angst vor einer Demenz hat. Also
Speaker:auch die Nähe der Altersvergesslichkeit. Oder
Speaker:ist das wirklich schon eine Demenz? Wenn ich an meiner Schule bin, erkläre ich
Speaker:das wie so ... Wenn ich einen Kartoffelstock machen will, Wenn
Speaker:ich in der Küche bin und noch die Kartoffeln brauche, gehe ich in den Keller und
Speaker:hole die Kartoffeln. Es geht uns immer wieder so, dass wir denken,
Speaker:was wir eigentlich hier wollen. Wenn ich keine
Speaker:Demenz habe, kann ich nachvollziehen, dass ich im Kochen bin.
Speaker:Verena kommt zu mir auf Besuch. Ich suche noch die Kartoffeln und die müssen hochkommen.
Speaker:Wenn ich eine Demenz habe, stehe ich unten im Keller und
Speaker:bin ein Stück weit verloren. Wir
Speaker:Das ist so das Schwere. Man hat das Gefühl, mein Mann spinnt. Ich
Speaker:Sie hat vor allem ein neues Hobby, das ist Rauchen. Und
Speaker:Ich habe schon gedacht, das wird eine Katastrophe. Und es ist
Speaker:eine Katastrophe geworden. Die Krankheit der
Speaker:Demenz hat so viele verschiedene Gesichter. Bei jedem betroffenen
Speaker:Menschen passiert etwas anderes. In unserem Podcast beleuchten
Speaker:wir möglichst viele Aspekte und informieren über
Speaker:Wir wollen auch die Angst nehmen. Und alle, die irgendwie betroffen
Speaker:Legen wir aus? Fangen wir an? Fangen wir an. «A» wie «Alzheimer».
Speaker:«Alzheimer» und «Demenz». Ich mache ja schon so lange zu diesem Thema
Speaker:Forumtheater. Und in den Anfängen wusste ich doch nicht, was
Speaker:Bis ich herausgefunden habe ... Genau, das ist der
Speaker:erste Punkt. Demenz ist einfach das grosse Dach. Das
Speaker:grosse Dach dieser Krankheit. Und es gibt über 50 verschiedene
Speaker:Demenzformen. Aber Alzheimer-Demenz ist
Speaker:die häufigste Form, die bekannteste Form und das
Speaker:ist auch etwas, das ganz wichtig ist, dass wir das noch einmal sagen
Speaker:können, wie du gesagt hast. Demenz und Alzheimer. Alzheimer ist
Speaker:Da bin ich sehr froh. Als ich das herausgefunden habe, musste ich lachen, dass
Speaker:Jetzt weiss ich es. Und Alzheimer ist ja auch so ein komischer Name.
Speaker:Es ist ja nur der Familienname von Alois Alzheimer,
Speaker:der 1901 eine Kundin bekommen hat,
Speaker:eine Patientin oder Insassin, hat man ihnen wohl noch
Speaker:gesagt. Und der Mann von Auguste, Auguste Detter,
Speaker:der Herr Detter hat Auguste gebracht zum Psychiater. Er
Speaker:hat gesagt, seine Frau habe sich in letzter Zeit sehr verändert.
Speaker:Sie ist eifersüchtig auf die Nachbarn. Sie versteckt
Speaker:alles. Sie kann den Haushalt nicht mehr machen. Sie ist
Speaker:einfach ganz anders, als sie früher war. Ich komme nicht mehr in den
Speaker:Schlag mit dieser Frau. Was hat sie? Er
Speaker:hat sie betreut und 1906 das erste
Speaker:Mal Alzheimerkrankheit beschrieben, die ihn nachher
Speaker:Unglaublich. Ich fand zudem eine
Speaker:Szene und vorbereitete. Augusta
Speaker:Deter ist in der Klinik des Dr. Alzheimer. Augusta
Speaker:Deter sitzt am Mittagstisch dieser Klinik und
Speaker:Dr. Alzheimer sitzt zu ihr.
Speaker:Dr. Alzheimer fragt, wie sie heisst. Augusta
Speaker:Deter sagt ... ... Auguste. ... ihren
Speaker:Geschlechtsnamen. Auguste. Wie
Speaker:heisst ihr Mann? Ich
Speaker:glaube, Auguste. Ihr Mann?
Speaker:Ach so. Wie alt sind Sie? 51. Wo
Speaker:wohnen Sie? Aber Sie
Speaker:waren doch schon bei uns. Sind
Speaker:Sie verheiratet? Oje, ich
Speaker:bin doch so verwirrt. Wo sind Sie?
Speaker:Hier und überall. Hier und jetzt. Sie dürfen
Speaker:mir das nicht übernehmen. Wo sind wir hier?
Speaker:Ja, hier werden wir noch wohnen. Wo
Speaker:ist ihr Bett? Wo soll
Speaker:es denn sein? Mittags isst
Speaker:Frau Deter Schweinungs- und Blumenkohl. Was
Speaker:essen sie hier? Während sie Fleisch kaut,
Speaker:sagt sie, Spinat «Was
Speaker:essen Sie jetzt?» «Ich esse zuerst Kartoffeln
Speaker:und dann mehretig.» Nach dem Essen gibt
Speaker:Dr. Alzheimer Auguste Deter ein Blatt Papier und
Speaker:einen Bleistift. «Schreiben Sie ein
Speaker:Fünfi.» Sie schreibt «eine
Speaker:Frau». «Schreiben Sie ein Achti.» Während
Speaker:des Schreibens sagt sie immer wieder «Ich
Speaker:habe mich sozusagen verloren.» Ich habe mich sozusagen
Speaker:Danke vielmals. Dieser Text zeigt ganz viel
Speaker:aus über die Symptome einer Alzheimer-Demenz. Gerade
Speaker:am Anfang sagt er ja, wer sie sind. Sie
Speaker:hat wirklich die Orientierung zu der eigenen Person.
Speaker:Das ist ein grosses Thema. Neben der Vergesslichkeit. Ich
Speaker:glaube, ganz wichtig ist, dass man zuerst sagt, bei der Alzheimer-Demenz ist
Speaker:die Vergesslichkeit wirklich ein ganz
Speaker:Ja, das hört man hier draussen. Auch, dass sie nicht mehr weiss, dass
Speaker:Genau, sie ist nicht mehr orientiert, sie hat es vergessen. und
Speaker:versucht es aber immer ein wenig zu überspielen oder zu
Speaker:relativieren. Ja, vor allem, wenn sie
Speaker:fragt, wo sie wohnt. Genau, wo wohnt sie? Sie
Speaker:waren ja schon bei uns. Wo ist ihr Bett? Also,
Speaker:die örtliche Orientierung, die Orientierung auch
Speaker:zu ihrer Person, wer sind sie, und die zeitliche Orientierung
Speaker:mit dem Heiraten, die sie einfach nicht mehr hat, das
Speaker:sind Symptome bei der Alzheimer-Erkrankung, die am Anfang der
Speaker:Erkrankung schon im Vordergrund sind und die wir auch
Speaker:Ja. Was ich z.B. schön finde, ist,
Speaker:wenn sie fragt, wo sie ist, dass sie Antworten
Speaker:gibt, hier und überall. Ja, und hier und jetzt.
Speaker:Das ist für mich eigentlich schon fast poetisch. Also
Speaker:Und trotzdem sagt sie am Schluss ... Ich habe mich eigentlich verloren.
Speaker:Das stimmt aber auch. Das stimmt. Das ist auch etwas, das mir in der Praxis extrem
Speaker:auffällt, wenn die Leute immer sagen, dass sie
Speaker:nach Hause wollen. Ich hatte eine Patientin, die seit
Speaker:50 Jahren in ihrer Wohnung wohnte. Und sie hat
Speaker:immer gesagt, Judith, ich will jetzt nach Hause. Und
Speaker:sie war daheim. Und es geht eigentlich gar nicht so darum, wo
Speaker:lebe ich, in welchen Quadratmetern, sondern es ist die innere
Speaker:Verlorenheit. Bei sich daheim sein. Bei sich. Also die
Speaker:innere Verlorenheit, die man verliert und nicht mehr die Schlagkonten
Speaker:mit. Und dadurch einfach nach Hause, in die Geborgenheit. Ja,
Speaker:genau. So ein bisschen in Geborgenheit. Das kommt hier
Speaker:schön heraus. Ich muss es nochmals betonen, auch
Speaker:auf Hinblick auf unsere nächsten Folgen, dass die Vergesslichkeit bei
Speaker:der Alzheimer-Demenz im Vordergrund steht und dass das
Speaker:die häufigste Form der Demenz ist, die wir
Speaker:haben. Es gibt sehr, sehr viele Formen. Die
Speaker:Alzheimer-Demenz mit mindestens 50 % macht
Speaker:das aus. Darum ist uns diese alle auch
Speaker:so bekannt. Die nicht so bekannten Formen wollen
Speaker:Du hast doch dein erstes Interview zum Thema Alzheimer
Speaker:Mit Frau Dr. Gaby Bieri, Gerontologin, Stadtärztin
Speaker:der Stadt Zürich, Chefärztin des Geriatrischen Dienstes und
Speaker:ärztliche Direktorin des Gesundheitszenters für das Alter
Speaker:der Stadt Zürich. Von ihr wollte ich wissen, wie
Speaker:sie zu dem Thema Demenz kam, was in unserem gesunden Hirn
Speaker:passiert und was bei der Alzheimererkrankung passiert. Wir
Speaker:sitzen hier bei Gabi Biri, bei dir im Büro. Vielen
Speaker:Dank, dass du dich bereit erklärt hast für das erste
Speaker:Interview. Du bist meine Chefin seit mehr als neun
Speaker:Jahren. Ich finde es cool, dass wir das zusammen machen können. Wo
Speaker:bist du das erste Mal dem Wort Demenz begegnet? In
Speaker:Ich bin ein etwas älterer Jahrgang. Ich habe 1985 ein
Speaker:Staatsexamen gemacht. Im Rahmen des
Speaker:Studiums war Demenz eigentlich kein Thema. Ich
Speaker:stellte an meiner ersten Assistenzarztstelle. Wir hatten
Speaker:eine Weiterbildung zu diesem Thema, aber damals sprach
Speaker:man von POS, also psychoorganischem Syndrom.
Speaker:Dieser Ausdruck der Demenz und
Speaker:dessen Präsenz, ist
Speaker:erst in der Zeit, als ich beim staatärztlichen Dienst
Speaker:Darunter weiss man mehr über Demenz. Ich
Speaker:möchte mit dir anschauen, was überhaupt im
Speaker:Das gesunde Hirn ist sehr schwierig zu erklären. Es
Speaker:ist eine ganz wichtige Steuerung-
Speaker:und Schaltfunktion, die das Hirn hat. Eigentlich
Speaker:ist das Hirn für praktisch alles,
Speaker:was im Körper funktioniert, aber
Speaker:auch, wo wir gegen aussen in
Speaker:der Kommunikation weitergeben, wo
Speaker:wir aufnehmen. Ganz viel Verhalten ist
Speaker:vom Hirn gesteuert. Am einfachsten ist, wenn man
Speaker:sich überlegt, was ein kleines Kind alles
Speaker:lernt. Das ist alles dann im
Speaker:Hirn gespeichert. Dass
Speaker:wir laufen können, das lernen wir, und das ist im Hirn. Dass
Speaker:wir essen können, dass wir uns
Speaker:ausdrücken können. All diese Dinge sind für das das Hirn
Speaker:Wir sprechen heute über Alzheimer-Demenz, die
Speaker:häufigste Demenzform. Da gibt es ja Hirnveränderungen. Was
Speaker:passiert einfach im Hirn
Speaker:Die Alzheimer-Demenz ist eine Form einer Demenz.
Speaker:Es ist eine degenerative Form. Bei allen
Speaker:Am einfachsten ist es zu erklären, wenn man es
Speaker:bei der vaskulären Demenz erklärt. Dort werden
Speaker:die Hirnzellen nicht durchblutet und sterben ab. Dann
Speaker:hat man eine vaskuläre Demenz. Bei den degenerativen Formen
Speaker:gehen die Hirnzellen auch zu Grund und man weiss aber
Speaker:Bei der Alzheimer-Demenz sind die Zellen nicht weniger durchblutet, sondern
Speaker:Dieser Mechanismus ist nicht genau bekannt. Man beobachtet die
Speaker:Zellen und es gibt
Speaker:Veränderungen von gewissen Proteinen, wo es auch Ablagerungen
Speaker:gibt. Das sind die Amyloid-Proteinablagerungen ausserhalb
Speaker:der Zellen und die Tau-Proteinablagerungen innerhalb
Speaker:der Zellen. Das beobachtet man. Man
Speaker:weiss aber nicht, ob das die Ursache ist oder ein Ausdruck von
Speaker:etwas anderem vom Metabolismus, das in den Zellen nicht mehr funktioniert.
Speaker:Die Synapse, die Verbindungen zwischen den Zellen funktionieren
Speaker:nicht mehr und am Schluss geht die Zelle kaputt. Das
Speaker:Hirn hat viele Reserven. Es können relativ
Speaker:viele Zellen kaputtgehen, bevor es im
Speaker:Alltag zu Auswirkungen kommt. Aber irgendwann sind
Speaker:so viele Zellen kaputt, dass es nicht mehr geht. Dann
Speaker:können gewisse ... Hirnleistungen funktionieren
Speaker:nicht mehr normal. Bei der Alzheimer-Demenz ist es in der Regel das Gedächtnis,
Speaker:weil die Veränderungen in dem Bereich sind, die für
Speaker:Gedächtnis ist etwas vom wichtigsten Symptom. Was
Speaker:Es ist das erste Symptom. Es ist typisch für eine Alzheimer-Demenz.
Speaker:Eigentlich funktioniert mit der Zeit alles nicht
Speaker:mehr, was das Hirn macht. Ganz am Anfang ist
Speaker:es Gedächtnis, Orientierung, dass
Speaker:es Schwierigkeiten mit der Sprache gibt, dass es Schwierigkeiten gibt,
Speaker:mit dem Alltag das Gewähr leisten können. Das
Speaker:ist vielleicht noch wichtig, weil es mir gerade in den Sinn kommt. Es
Speaker:braucht, damit man wirklich sagt, diese Person hat
Speaker:eine Demenz, eine Einschränkung im Alltag. Man
Speaker:kann nicht einfach sagen, er sei vergesslich, er habe
Speaker:eine Demenz. Es ist ganz wichtig, dass man sagt, irgendetwas
Speaker:muss im Alltag nicht mehr gut funktionieren. Am Anfang sind es z.B. seine
Speaker:finanziellen Angelegenheiten, wenn sie etwas komplexer sind, nicht mehr
Speaker:umsetzen kann. Erst dann ist es Demenz. Das wäre
Speaker:etwas, das relativ früh im Alltag kommt, dass man das nicht mehr
Speaker:kann. Später hat man vielleicht Schwierigkeiten mit
Speaker:dem Kochen, mit dem Haushalt, ein
Speaker:Trambilett lösen zu können, so Alltagssachen.
Speaker:Aber eben, die Sprache kann beeinträchtigt werden, Rechnen wird irgendwann
Speaker:beeinträchtigt. Irgendwann auch andere
Speaker:Sachen in vorgeschrittenen Stadien, dass auch zum Beispiel
Speaker:Bewegungen eingeschränkt sind, dass jemand nicht mehr laufen kann. Aber
Speaker:auch so Sachen wie flexibel reagieren zu können, ist
Speaker:eine Hirnleistung. Vergessen wir immer, dass wir
Speaker:das als kleines Kind gelernt haben, dass man flexibel
Speaker:sein muss, dass nicht alles sofort so sein kann, wie man es
Speaker:Es sind immer Dinge, die man vorher gut konnte. Ganz genau.
Speaker:Es geht nicht um die Schulbildung, sondern man geht von dem aus,
Speaker:was man vorher konnte, was dann nicht mehr so gut geht.
Speaker:Ja, genau. Man sagt, wie
Speaker:gut das Hirn trainiert ist. hat einen Einfluss,
Speaker:wie schnell es zu Symptomen kommt. Je
Speaker:besser das gesunde Hirn ist, je besser
Speaker:trainiert. Wichtig ist, dass nicht nur Schule
Speaker:Hirntraining ist, sondern soziale Kontakt
Speaker:ist Hirntraining. Sich auch ... Mit
Speaker:Politik oder Lesen oder Musizieren oder
Speaker:Sport. Alles das trainiert unser Hirn.
Speaker:Je besser das Ausgangshirn ist, desto später kommt
Speaker:Demenz. Aber eine früher oder später wahnsinnige Demenzerkrankung
Speaker:Da waren wir schon ein bisschen bei der Prävention. Für
Speaker:mich ist noch die Frage, man hat das Gefühl, es gibt immer mehr und mehr
Speaker:demenzerkrankte Menschen. Ist das, weil wir älter
Speaker:werden? Oder was hat das für einen Ursprung, das Gefühl, immer
Speaker:Der Hauptgrund ist, dass wir älter werden. Die
Speaker:neuesten Studien – so neu sind sie gar nicht – zeigen
Speaker:schon länger, dass, wenn man das Alter korrigiert,
Speaker:die Demenz nicht weiter ansteigt, sondern rückläufig
Speaker:ist. Was heisst «Alter korrigieren»? Wenn
Speaker:die Demenzerkrankung häufiger wird
Speaker:mit dem Alter, dann muss man quasi
Speaker:die Gleichalterungen miteinander vergleichen. Wenn
Speaker:wir jetzt sagen, wir vergleichen, wie viele Menschen mit Demenz es gibt,
Speaker:jetzt im Vergleich zu ... vor zehn Jahren, dann müssen wir
Speaker:ja sagen, aber dann schauen wir, dass wir gleich
Speaker:viele Gleichaltrige haben, die beiden, wie
Speaker:vor zehn Jahren. Sonst hat es automatisch jetzt
Speaker:Also wenn man das Alter jetzt korrigieren würde, dann hätten es weniger
Speaker:Ja, also wenn man jetzt beim gleichen Alter
Speaker:schauen würde, wie viele 85-Jährige jetzt
Speaker:eine Demenz haben und wie viele 85-Jährige vor zehn Jahren eine Demenz
Speaker:hatten, dann sind es weniger. Und wieso ist das so? Ein
Speaker:Teil ist wirklich, dass das Hirn besser trainiert ist, weil die Schulbildung besser
Speaker:wurde. Und das andere ist wahrscheinlich, dass
Speaker:man auch mehr bei den kardiovaskulären Risikofaktoren, also
Speaker:Hypertonie, Rauchen, Zucker usw., investiert
Speaker:hat und diese Veränderungen des Hirns weniger
Speaker:Das denke ich auf jeden Fall. Das versucht man ja. Das hat
Speaker:man schon mit der nationalen Demenzstrategie versucht, mit den
Speaker:kantonalen Umsetzungen. Ich glaube, es gibt wahrscheinlich
Speaker:niemanden mehr in der Schweiz, der das Wort Demenz nicht versteht.
Speaker:Die Auswirkungen, was es dann bedeutet, da gibt es sicher
Speaker:noch Aufklärungsbedarf, aber was eine Demenz ist
Speaker:oder dass es eine Demenz gibt, das ist überall bekannt
Speaker:Das ist unsere Motivation mit dem Demenz-Podcast,
Speaker:dass wir all die verschiedenen Auswirkungen thematisieren können
Speaker:in den verschiedenen Folgen. Wie gehen wir damit um? Was gibt
Speaker:es bei uns in der Umgebung? Was können wir selber
Speaker:lernen? Auch die Leute motivieren, weil es eine extrem
Speaker:spannende Arbeit ist, die wir machen. Wir haben
Speaker:auch viel Erfolg. Erfolg ist
Speaker:für mich, dass es meinem gegenüber, dem demenzerkrankten Menschen, wirklich
Speaker:Längere Zeit ja diese Medikamente. Das
Speaker:sind die Medikamente, die vorübergehend eine
Speaker:individuelle Stabilisierung, sehr unterschiedlich, auch
Speaker:abhängig von der Form der Demenz, bieten können. Neu
Speaker:erwartet man die Freigabe für die
Speaker:neuen Antikörpertherapien. Ein Medikament
Speaker:ist bei Swissmedic in Abklärung,
Speaker:ob das freigegeben werden soll. In den USA
Speaker:wurde es bereits freigegeben. Die Europäische
Speaker:Auf jeden Fall. Ich glaube, es wäre ganz wichtig, dass
Speaker:man auch etwas sagt,
Speaker:was man erwarten kann. Man kann sicher
Speaker:keine Heilung erwarten. Man kann
Speaker:eine Verbesserung der Symptome erwarten.
Speaker:So weit ist man im Moment in den Studien. Aber man
Speaker:kann noch nicht sagen, wie lange das anhält. Ich
Speaker:glaube, die Studie ist die längste, über 18 Monate. Was passiert
Speaker:nachher, ist noch nicht klar. Da gibt es noch sehr viele Unklarheiten.
Speaker:Ich glaube, es ist wichtiger, dass die
Speaker:Personen, die mit Menschen mit Demenz zu tun haben, diesen
Speaker:Umgang mit ihnen so haben, dass
Speaker:Ich glaube, das macht dich auch aus, als Stadtärztin, uns
Speaker:allen Mitarbeitenden das auch durchzugeben und das auch im
Speaker:Vordergrund zu stellen, dass wir wirklich den Fokus haben, wie
Speaker:Ganz genau. Einfach, weil diese
Speaker:Menschen nicht mehr die gleichen Möglichkeiten haben, auf
Speaker:irgendetwas zu reagieren. Und sie brauchen dann Unterstützung in
Speaker:dieser Situation. Das ist immer eine Gradwanderung, wie
Speaker:viel Unterstützung sinnvoll ist oder braucht es unbedingt.
Speaker:Denn die meisten sehen nicht so ein, dass sie
Speaker:Hilfe bräuchten. Und wieviel kann man aber auch
Speaker:Das heisst, wir lassen den Menschen im Vordergrund mit seinen Bedürfnissen und
Speaker:versuchen, einfach dort zu unterstützen, dass der
Speaker:Ganz genau. Das muss ganz individuell sein.
Speaker:Man kann das nicht generell sagen, welche Person
Speaker:Ich muss als Erstes sagen, dass ich erstaunt war,
Speaker:zu hören, dass Gabi Bieri 1985 oder
Speaker:nach 1985 das erste Mal von Demenz gehört hat.
Speaker:Ist das möglich? Das ist möglich. Ich habe 1991 meine erste
Speaker:Pflegeausbildung abgeschlossen, als Krankenschwester. Ich
Speaker:kann mich nicht erinnern, dass wir dieses Thema einmal aufgriffen. Im
Speaker:Nachhinein sehe ich schon Patienten, die ich
Speaker:dort begleitete und in mir immer dachte, was eigentlich mit ihnen
Speaker:los ist. Und jetzt weiss ich, dass sie zusätzlich
Speaker:zu dieser medizinischen Diagnose, die sie im Spital hatte,
Speaker:Es hat mich ehrlich betroffen gemacht, als
Speaker:sie erzählt hat, dass wir von Kind auf alles
Speaker:lernen, was wir brauchen, um zu überleben. Und wenn
Speaker:man demenzkrank wird, verlieren wir einfach alles
Speaker:Beim Alzheimer verliert man am Anfang das Gedächtnis. Das heisst, man
Speaker:wird vergesslich. Das ist das erste und wichtigste Symptom.
Speaker:Frau Dr. Biri hat auch ganz schön gesagt, den Alltag, den
Speaker:man nicht mehr gewährleisten kann. Dort finde ich es wichtig, dass
Speaker:man das ein bisschen einteilen kann. Einfach einteilt ist
Speaker:das in einer leichten Demenz, in einer mittelschweren und
Speaker:in einer schweren Demenz. Bei der leichten Demenz
Speaker:geht es darum, dass man vergesslich wird.
Speaker:Man hat vielleicht Mühe, mit dem Trambillett zu bestellen. Man
Speaker:hat Mühe im Haushalt, so wie Frau Detter. Einkaufen
Speaker:kann ein Problem sein, die Wäsche machen, die Medikamente oder
Speaker:die Finanzen einnehmen. Das nennt man sog. EADL.
Speaker:Das sind Aktivitäten des täglichen Lebens. Bei
Speaker:der leichten Demenz sind teilweise diese
Speaker:Aktivitäten eingeschränkt. Aber man kann
Speaker:noch ganz viel. Man kann noch ganz viel auf sich selbst schauen, man
Speaker:kann sich anlegen, man kann essen, man geht aufs WC. Das
Speaker:sind dann die ADLs. Die sind dann auch betroffen bei
Speaker:einer mittelschweren Demenz. Das sind sich selber
Speaker:waschen, sich anziehen, sauber aufs WC gehen. Das
Speaker:sind die anderen, die dazukommen, wenn die Demenz zunimmt.
Speaker:Bei der schweren Demenz haben wir eine vollständige Abhängigkeit. Was
Speaker:Oder ADL? Genau, das sind die englischen
Speaker:Begriffe oder die englische Zusammenfassung für die Aktivitäten des
Speaker:täglichen Lebens. Unter der IADL verstehen
Speaker:wir Posten, Kochen, Haushalt führen, Wäsche
Speaker:erledigen, Medien nehmen und die Finanzen. Und unter
Speaker:der ADL verstehen wir Wäschen, sich anziehen, aufs
Speaker:WC gehen und selber essen. Der Übergang ist
Speaker:oft sehr fliessend und auch ganz wieder extrem individuell.
Speaker:Es ist sowieso für die Angehörigen eines Patienten
Speaker:oder einer Patientin gar nicht einfach, auch nicht am
Speaker:Nein, das siehst du richtig. Man weiss, man kann eine Teilsache
Speaker:gut und eine Teilsache nicht mehr. Bei
Speaker:jedem Menschen ist es anders. Man kann das nicht einfach so
Speaker:einteilen. Aber beim Alzheimer ist eine
Speaker:Ja. Was mich sehr fasziniert an
Speaker:diesem Interview ist, dass sie wegen des Alters korrigiert hat.
Speaker:Zuerst kam ich nicht ganz daraus, bis
Speaker:sie das richtig aufklärt hat. Wie
Speaker:ist es jetzt? Gibt es weniger? Demenzkranke Personen?
Speaker:Ja, genau. Es gibt mehr ältere Menschen, Menschen, die
Speaker:wirklich hochalterig werden. Im Verhältnis zu
Speaker:diesen vielen Menschen gibt es aber doch weniger
Speaker:Aber auch die Antwort, das mit der Bildung.
Speaker:Ja. Bildung hat sich ganz schön herauskristallisiert, dass es nicht nur
Speaker:darum geht, dass ich gut rechnen und lesen kann,
Speaker:sondern dass auch soziale Kompetenz eine grosse
Speaker:Bildung ist. Musik, Kultur, Sport. Das
Speaker:geht alles zusammen unter Bildung. Uns wirklich
Speaker:zu motivieren, um weiterzukommen. Du bist ein Paradebeispiel, Verena.
Speaker:Danke. So aktiv und nimmst jetzt noch deinen ersten Podcast
Speaker:auf. Gerne sogar. Das
Speaker:war die erste Folge von unserem «Demenzpodcast» über
Speaker:In der nächsten Folge sprechen wir über eine weitere Form, die häufig vorkommt,
Speaker:Hier hören wir, was diese Demenzform für Auswirkungen hat.
Speaker:Ich bringe ein kleines Beispiel von meiner Praxis. Da kommt eine
Speaker:Kundin vom Post nach Hause wie jeden Tag. Sie hat auch
Speaker:heute wieder ein Bullenschnitzel gekauft. Aber es
Speaker:hat schon 20 Bullenschnitzel im Kühlschrank der
Speaker:letzten paar Monate. Sie stopft sie vorne rein und die anderen
Speaker:rutschen hinterher. Und die hintersten? sind schon ziemlich blau.
Speaker:Und von mir gibt es die Geschichte von Frau Glor und ihrer Tochter Frau
Speaker:Gerber. Frau Gerber kommt völlig verzweifelt mit
Speaker:ihrer Mutter zur Hausärztin. Sie weiss nicht mehr ein,
Speaker:Ich bin Judith Kronbach, Expertin für Demenz, berate und
Speaker:beim Hirntheater. Wenn Sie Anregungen oder Wünsche haben, können
Speaker:«Kopfsache» ist eine Produktion der Podcastschmiede. Unsere
Speaker:Produzentin ist Franziska Engelhardt. Musik
Speaker:Unsere Hauptpartnerin ist die Stiftung «Plattform Meander», die
Speaker:sich für ein gutes Zusammenleben von Menschen mit und ohne Demenz einsetzt.
Speaker:Mehr Infos unter plattform-meander.ch Weiter
Speaker:bedanken wir uns herzlich für die Mitfinanzierung bei der Pauli
Speaker:Alles zum Podcast «Kopfsach» finden Sie auf der Internetseite «kopfsach-podcast.ch».
Speaker:Und hören können Sie «Kopfsach» sowieso auf allen Podcast-Apps. Wir