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Sportmedizin - Mitfiebern gehört dazu
Episode 111th January 2024 • Medbase im Dialog • Medbase Gruppe
00:00:00 00:32:12

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Shownotes

Michelle Huwiler ist Physio- und Craniosacral-Therapeutin bei Medbase Zürich Löwenstrasse. Sportarzt Patrik Noack leitet das Sports Medical Center Medbase Abtwil. Zudem ist er Health Performance Officer im Swiss Olympic Team. Beide kümmern sich um die Gesundheit von Spitzensportlerinnen und Spitzensportlern - im Medical Center oder vor Ort an Sportanlässen. Dabei sind sie immer Teil eines interdisziplinären Teams. Michelle Huwiler und Patrik Noack blicken selbst auf eine Sportkarriere zurück.

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Transcripts

Medbase im Dialog - Folge 1 Sportmedizin

Michelle Huwiler: Ich weiss nicht, ob du das auch hast, Patrik, wenn du bei den Wettkämpfen zuschaust, würdest du nicht auch am liebsten noch mitmachen? So ein bisschen?

Patrik: Das würde ich so 100 % unterzeichnen. Ich habe immer gesagt, wenn sich bei mir die Härchen nicht mehr kräuseln, dann bin ich der falsche Arzt, der dort am Rand steht.

Lucia: «Medbase im Dialog: Zwei Perspektiven - eine Leidenschaft». Hallo zusammen, ich bin Lucia und für diesen Podcast treffe ich Mitarbeitende aus den verschiedenen Bereichen des Medbase-Universums. Heute geht es um die Sportmedizin. Sie steht nämlich am Anfang von Medbase. Vor über 20 Jahren gründeten zwei Physiotherapeuten und eine Physiotherapeutin eine Praxis und merkten schon bald, dass es mehr Sinn macht, wenn sie direkt im Zentrum mit Ärzten zusammenarbeiten können. Vor allem, wenn es um die Betreuung von Sportlerinnen geht. So entstand vier Jahre später das erste Medical Center von Medbase. Mittlerweile gibt es rund 70 Medbase Medical Center und einige davon haben sich auf die Sportmedizin spezialisiert. Über diese und die Zusammenarbeit zwischen Physiotherapeutinnen und Ärzten spreche ich jetzt mit meinen Gästen. Das sind Michelle Huwiler, sie ist Physio- und Craniosacral-Therapeutin bei Medbase Zürich Löwenstrasse, und sie ist ehemalige Spitzensportlerin im Zweierbobfahren. Und Patrik Noack, er ist Sportarzt und Leiter des Medbase Sports Medical Center Abtwil und ehemaliger Mittelstrecken-Leichtathlet. Hallo miteinander und willkommen hier im Studio.

Patrik und Michelle: Hallo.

Ihr kennt euch schon. Zum ersten Mal seid ihr euch an den Olympischen Spielen in Sotschi im Jahr 20 14. Erzählt mal, was habt ihr dort gemacht?

Michelle: Ja genau, ich war dort im Einsatz mit dem Zweierbob. Ich war vier, fünf Mal da in der Vorbereitung, aber startete dann am Wettkampf nicht, weil sich meine Pilotin verletzt hatte. Ich denke, dort kam Patrik zum Einsatz als Arzt. Ich persönlich kann mich an Patrik erinnern. Ich wusste, wer er war. Aber ich hatte glücklicherweise keinen Kontakt mit ihm, weil es mir sonst gut ging. Aber meine Pilotin war bei dir.

Patrik: Genau, mit ihr hatte ich dann leider mehr zu tun. Da muss man abwägen, wenn so etwas passiert, ob es geht oder nicht. Muskelfaserriss ist leider nicht eine Zerrung, mit welcher man es vielleicht noch probieren kann. Das ging nicht. Ich weiss noch, kaum war Sotschi vorbei - ein Artikel im Bieler Tagblatt - da gab sie schon ihr Commitment für Pjöngjang, das war ihr Ziel zum Weitermachen.

Lucia: Michelle, erzähl mal von deiner Bob-Karriere oder von deinem Spitzensport. Du warst Anschieberin beim Bob.

Michelle: Ja, genau. Ich war Anschieberin und bei den Frauen gibt es Zweierbob. Vier Frauen in einem Bob ist tendenziell schwierig, aber wir sind zu zweit im Bob, also Pilotin und ich als Anschieberin. Am Schluss war meine Aufgabe, im Ziel zu bremsen. Dort war ich mit dem Schweizer Kader unterwegs und durfte ganz viel darüber lernen, was es heisst, im Spitzensport unterwegs zu sein. Nach Sotschi im 20 14 habe ich dann aufgehört und bin zu Medbase arbeiten gegangen.

Lucia: Und die Physiotherapie Ausbildung hast du aber parallel zu deiner Sportkarriere gemacht?

Michelle: Ja, das war für mich ein Spagat. Ich hatte eine gute Schule, die mir viel erlaubt hat bzw. mich unterstützt hat und ich durfte das parallel machen. Zum Glück gibt es heute bessere Möglichkeiten für Sportlern oder die RS, mit diversen Organisationen oder Stiftungen, die Leute bzw. die Athleten dabei unterstützen, Ausbildung und Spitzensport gemeinsam machen zu können.

Lucia: Mittlerweile arbeitest du heute selbst mit Athletinnen und Athleten zusammen, einerseits im Medical Center. Du hast aber auch noch deine eigene Praxis. Erzähl mal ein bisschen von deinem Berufsalltag, wie sieht der aus?

Michelle: Also ich glaube, generell mag ich es sehr, wenn es vielseitig und abwechslungsreich ist. Und ich glaube, das ist auch mit ein Grund, dass ich Medbase sehr schätze und viele Möglichkeiten in den Medbase habe. Ich arbeite zwei Tage bei Medbase in Zürich und habe dort ein abwechslungsreiches, breites Spektrum an Klienten und Klientinnen. Und neben dem, dass ich auch noch Triathleten betreue, habe ich als drittes noch meine Selbstständigkeit, bei der ich zwei bis drei Tage arbeite als Craniosacral Therapeutin. Und das alles macht meine Wochen oder meine Tage recht abwechslungsreich. Und das ist etwas, das ich sehr schätze.

Lucia: Und wie sieht es bei dir aus, Patrik? Wie sieht dein Alltag aus?

Patrik: Ich bin noch 20% allgemeinmedizinisch tätig, 80% sportmedizinisch. Einen Tag in der Woche arbeite ich für Swiss Olympic, mit welchen wir einen Vertrag haben also Medbase mit Swiss Olympic, als Health Performance Manager - heutzutage ist alles auf Englisch. Dort bin ich verantwortlich für die Taskforce für die Olympischen Spiele, und für das Olympia Park Projekt in der Schweiz, das ja mal entstehen sollte, plus noch internationale Beziehungen, die sich ergeben haben im Rahmen des Chief Medical Officer Amts, in welchem ich drei Olympische Spiele gemacht habe.

Lucia: Das ist aber mehr ein Bürojob, also Konzepte machen usw., oder ist das auch Arbeit am Patienten bei Swiss Olympic?

Patrik: Da sind dann rein Bürosachen, Konzepte, Sitzungen, online, live und solche Sachen. Ich habe ja noch zwei weitere Mandate, also ich bin Chief Medical Officer Swiss Cycling und von Swiss Athletics und noch Verbandsarzt von Swiss Triathlon.

Lucia: Gehen wir doch zuerst noch auf diese Einsätze ein, die ihr macht, ausserhalb des Medbase Medical Center, wie muss man sich so einen Einsatz vorstellen? Ihr wart ja an verschiedenen Olympischen Spielen - Machst du auch Olympische Spiele als Therapeutin, Michelle?

Michelle: Ja, vielleicht Paris nächstes Jahr. Aber das ist jeweils so dann entschieden, wenn man im TGV sitzt nach Paris. Genau. Aber vielleicht, was ich erzählen kann, ich war dieses Jahr an den europäischen Olympischen Spielen. Das sind so ein bisschen wie die kleineren Olympischen Spiele, aber vom Ablauf her war es teilweise ziemlich ähnlich. Einfach, um einen Einblick zu haben. Man isst in riesigen Zelten mit allen Nationen, man kommt nur ins Dorf, wenn man kontrolliert wird, es gibt viele Abläufe und Regeln, die man beachten darf. Patrik, du hast drei grosse Olympische Spiele gemacht, ich glaube, du hast hier viel Erfahrung, was so grosse Anlässe betrifft.

Patrik: Es ist immer ein Privileg, dass man dabei sein darf. Schlussendlich sind es die Athleten, die auch noch etwas mitentscheiden, wer mitgeht. Dass das passen muss. Ich durfte bei drei Spielen in der Leitung sein und noch bei weiteren fünf im Medical Team, also bei den letzten acht - Peking zu Peking - da hat sich der Kreis geschlossen. Es braucht immer viel Vorbereitung vorher, das ganze Planen, vor allem die letzten zwei Corona-Spiele, das war noch etwas administrativ aufwändiger. Das Material, das man mitnehmen muss, Medikamente, Therapieliege, Laborgeräte und so weiter und so fort, da muss man immer mühsam Zollpapiere vorgängig ausfüllen. Das Material ist immer früher dort als der Staff selbst. Dann muss man auch schauen, dass man allen Anforderungen und Bedürfnissen gerecht wird. Das ist im Winter ein bisschen einfacher, weil dann haben wir mehr Akkreditierungen zur Verfügung für den Staff. Wir haben zwei Mannschaften.

Lucia: Warum ist das so?

Eishockey Damen und Herren geben mehr Akkreditierungen. Die brauchen einen Therapeut pro Spieler und im Sommer schaffen wir es halt nie, Handball, Volleyball und so. Dort hast du eine halbe Akkreditierung pro Athlet und da müssen Physio, Ärzte, Trainer, Coaches, alles Platz haben. Und darum haben die kleinen Sportarten meistens keinen Betreuer dabei. Die müssen dann via Poolphysio oder Physio von einem anderen Verband betreut werden. Und klar, Olympia ist nicht nur für alle Athleten, sondern auch für einen Betreuer ein Highlight. Und dann muss man dort manchmal auch ein paar heikle Gespräche führen, dass es vielleicht bei jemandem nicht reicht, was man dann nicht persönlich nehmen darf. Das ist dann halt so, wie es ist.

Michelle: Ich glaube auch, schlussendlich sind vor allem die Athleten im Zentrum. Wie Patrik sagte, sie müssen die Leistungen bringen. Sie sind das Zentrum und rundherum muss alles so passen, dass sie an dem Tag ihre Höchstleistung bringen können. Darum können nicht wir entscheiden, wer als Physio oder Ärztin mitgeht, sondern es ist ein Gesamtentscheid mit verschiedenen Leuten, die das entscheiden, von Swiss Olympic, wen nimmte man mit, und wer auch als Athlet vor Ort ist.

Patrik: Bei den Ärzten schauen wir, dass die Disziplinen ausgeglichen sind. Die Mehrheit macht Allgemeinmedizin aus. Aber es ist immer gut, einen Orthopäden im Team zu haben. Wenn es den braucht, ist es zwar meistens ein bisschen kritisch, aber es ist trotzdem gut vor Ort, je nach Land, wo man ist, einen Orthopäden zu haben, der mit ins Spital geht, um zu schauen, dass alles so läuft, wie es sein sollte.

Lucia: Wahrscheinlich ist es sehr unterschiedlich, wie oft ihr vor Ort im Einsatz seid. Bist du als Therapeutin regelmässiger im Einsatz und du als Arzt eher nur, wenn es dich braucht oder wenn es Verletzungen gibt, vielleicht zuerst zu dir Michelle?

Michelle: Ja, genau. Es läuft eigentlich folgendermassen ab: Wenn ich mit dem Triathlon unterwegs bin, hat man den Anreisetag, dann kommt man mal an im Hotel und meistens fange ich schon an zu behandeln. Ich nehme auch Kontakt auf mit den Athletinnen und Athleten, sodass ich updated bin. Gibt es etwas, das wichtig ist, vielleicht auch ein Ziehmuskel oder etwas, das ich wissen muss. Und sobald man dort ist, bin ich dann mit ihnen unterwegs und im Einsatz. Ich bin dann immer 24 Stunden erreichbar vor Ort, auch in der Nacht, wenn irgendetwas ist, jemand krank ist, irgendetwas braucht, bin ich erreichbar. Und auch am Wettkampftag selbst helfe ich dann. Mal etwas zu trinken bringen, das Jäckchen halten. Ja, auch mal da sein, wenn etwas nicht so läuft. Oder natürlich auch am Wettkampf so laut wie möglich rufen und unterstützen. Im Prinzip ist es so, wenn ich im Einsatz bin mit den Triathleten, mache ich das, was es braucht.

Lucia: Es klingt fast, als wäre es intensiver als in der Praxis und vielleicht auch ein breiteres Spektrum an Tätigkeiten.

Michelle: Ja, definitiv. Aber ich glaube, das ist genau etwas, was ich liebe. Ich liebe es, die Athletinnen zu unterstützen, in allem. Und wirklich auch einfach hier zu sein, von Morgen bis Abend oder auch bis in die Nacht. Und ja, wir können so unterstützen, dass sie ihre Höchstleistungen abrufen können. Und auch die Intensität löst natürlich ein breites Spektrum an Emotionen aus. Ich glaube, das ist etwas am Sport vom Schönsten, das man erleben darf. Dieses Spektrum an Emotionen, sei es Enttäuschung oder Freude. Es ist natürlich alles dabei. Das ist etwas, was ich enorm schätze.

Lucia: Sind deine Einsätze von der Intensität her vergleichbar, Patrik?

Patrik: Es ist einfach anders, es ist ganz klar, also rein körperlich am Patienten arbeitet der Physiotherapeut mehr. Bei uns ist es einfach so, wir haben es ja gehört, im Sommer hat man eine halbe Akkreditierung, einfach so in Zahlen, wir sind vier Ärzte und 18 Physios. Also als Arzt hast du einfach mehrere Sportarten, bei welchen du schauen solltest. Manchmal ist es so, dass es ruhig ist, du bist halt wirklich im Hintergrund. Es gibt Sportarten, die nie einen Physio oder einen Arzt dabei haben. Dann macht es keinen Sinn, dass du dann immer zu nah am Team bist, weil das bringt die Athleten durcheinander, dann bist du eher im Hintergrund. Und du musst einfach ready sein für alles, jederzeit. Es ist mehr die zeitliche Präsenz, die relativ lang ist. Du bist mehr im Umher-Zirkeln als der Physio, der meistens mit einem Team ist. Das ist eine andere Arbeit, eine andere Ermüdung. Meistens sind wir gleich müde am Abend, aber es ist ein bisschen anders. Oder in Glasgow, wo gerade die Mountainbike-WM stattfand, hat man es gesehen. Als Physiotherapeutin bist du im Therapieraum, wenn du eine Athletin hast, die einen Schlüsselbeinbruch hat, bis du das alles organisiert hast, und es ist noch eine Minderjährige, dann gehst du mit und wartest drei Stunden auf dem Notfall. Dann hast du noch einen Wettkampf am Laufen, zu dem du auch schauen solltest, also musst du dich vielleicht doch jemand anderen dort hinschicken. Danach heisst es mit den Orthopäden zu Hause zu schauen, mit den Eltern, dass du dann noch die Unterschriften bekommst. Ja, dann wird es dann einfach aufwändig und kann lange dauern. Und dann dauert es so lange, wie es geht.

Michelle: Ja, ich denke, Patrik sagt etwas Wichtiges. Auch wenn es medizinisch wirklich etwas ist, wenn wir physiotherapeutisch nicht mehr machen können, als einfach da sein, dann hat schlussendlich der Arzt die Verantwortung, alles zu organisieren und in die Wege zu leiten. Ich denke, das Unberechenbare, das ihr eher noch habt, als wir im Therapeutischen, wo wir konstant näher dran sind und vielleicht mehr abschätzen können, was es braucht oder nicht braucht.

Lucia: Ist die Zusammenarbeit auf dem Feld oder bei einem Sportanlass ähnlich wie zu Hause im Medbase Medical Center zwischen Arzt und Therapeutin?

Patrik: Also ich würde sagen schon, ich bin immer gerne nahe an den Physios. Die wissen es auch, ich bin pro Tag sicher etwa 15 Mal bei den Physiotherapeuten hinten. Entweder auf dem Weg durchlaufen oder bei den Patienten nachkontrollieren, so dass sie keine sogenannte Pseudo-Nachkontrollen beim Arzt brauchen, die völlig keinen Sinn machen. Oder auch am Physio, wenn er sagt, du, kannst du nicht schnell darauf schauen. Und schlussendlich profitiert der Patient davon. Und an Olympischen Spielen auch, Ärztinnen und Physiotherapeuten sind immer gleich nebeneinander, wenn nicht sogar in gleichen Räumen. Und das finde ich extrem toll.

Michelle: Ich denke, es ist auch etwas, das die Leute schätzen oder es vielleicht auch ausmacht, dass wir die Möglichkeit haben, uns direkt zu besprechen oder Kontakt aufzunehmen mit dem Arzt vor Ort. Ich denke, das ist ein Vorteil. Man merkt auch, dass die Leute es schätzen, dass die Betreuung dadurch ganzheitlicher sein kann.

Lucia: In diesem Podcast bin ich nicht die Einzige, die Fragen stellt. Wir haben hier in der Mitte einen Korb mit verschiedenen Fragen. Die Idee ist, dass ihr als Gäste je eine zieht und euch diese gegenseitig stellt. Michelle, bitte.

Michelle: Das ist die folgende Frage, Patrik: Beim Sport setzt man sich Ziele. Welche Ziele hast du im Beruf?

Patrik: Ich habe mal Mittelstreckenlauf gemacht, das ist so eine Passion, jetzt habe ich diese Passion zum Beruf gemacht. Ich habe Sportmedizin gewählt, weil ich sehr viel von meinem Trainer mitbekommen habe, der ehrenamtlich auf dem Platz stand, bei jedem Wetter. Ich finde es schön, wenn man Athleten als Arzt unterstützen kann und sieht, dass sie durch das ihre Leistung bringen können. Das macht Spass, vor allem im Team.

Lucia: Wolltest du immer schon Arzt werden oder hast du ursprünglich eine Sportkarriere angepeilt?

Patrik: Es war gestern die Frage, es war Zukunftstag, und das war die Standardfrage der Jungen, die bei uns in der Praxis rumgerannt sind. Zuerst habe ich mir gedacht, schon etwas mit Sport. Sportlehrer war mal oben auf der Liste, danach kam ich zur Sportler-RS in Magglingen. Da hatte ich den ganzen Tag nur Sport. Sport aktiv ausgeübt und Sport als Hobby. Dann hatte ich eine Oberdosis von Sport. Ich fand, das ist es dann doch nicht. Dann kam ich auf die Medizin und fand, wieso nicht Sportmedizin? Da hat man den Sport, aber nicht ganz so aktiv. Man kann ja dann als Hobby immer noch weitermachen, aber als Betreuer. Ich selbst, ja ich habe es in die Sportler-RS geschafft, ich habe 19 74er Jahrgang, da sind auch noch Christian Belz und Viktor Röthlin, die auch 19 74 Jahrgang haben, da hatte man eine schöne Konkurrenz. Da konnten es nicht alle schaffen. Dann kam das Medizinstudium und noch Verletzungen. Dann hat es im Juniorenalter, wenn man eine massive Steigerung des Trainings machen sollte, um in die Eliten zu gelangen, nicht mehr gereicht.

Lucia: Wie ist es bei dir mit Zielen im Beruf?

Michelle: Ja, ich finde das eine sehr gute Frage. Allgemein ein Ziel zu haben im Leben, im Beruf. Ich glaube mehr.. der Anspruch an mich selbst, dass ich mich immer weiterentwickeln oder weiterlernen darf, ganz allgemein. Ich lerne auch gerne etwas Neues und entdecke neue Sachen. Ein Ziel ist es auch, weiterhin die Athleten zum Bestmöglichen unterstützen zu können. Ganz spezifisch im Beruf als Physio, auch Menschen in ihrem Gesundsein, im Gesundwerden und in ihrem Potenzial zu unterstützen. Die Leute motivieren oder dazu bringen, sich Gedanken zu machen, was tut mir gut, was tut mir nicht gut, was brauche ich, wie bleibe ich lange gesund. Das ist etwas, was ich sehr spannend finde.

Lucia: Patrik, du darfst auch noch eine Frage ziehen.

Michelle: Du, bitte eine Gute!

Patrik: Ja, ich gebe mir Mühe. Michelle, welches Erlebnis hat dich kürzlich persönlich bewegt?

Michelle: Ich kann dazu vielleicht zwei Erlebnisse erzählen, eines privat und eines im sportlichen Bereich. Ich stand vor drei Wochen auf einem 6'500er oben. Das war persönlich für mich sehr berührend. Die Luft dort oben ist relativ dünn. Das hat mir aber auch gezeigt, wie eindrücklich es ist, wie leistungsfähig ein Körper oder ein Mensch sein kann, wie viel wirklich auch der Kopf ausmacht und wie viel auch körperlich ausmacht und wo die Limiten sind oder eben auch nicht sind, wie viel da noch möglich ist. Also das war sehr, sehr spannend. Und vielleicht das Zweite war vor einer Woche, da waren wir am Olympiatreffen, Patrik war auch da. Es war ein Olympiatreffen für Paris, ein Informationsabend. Dort tauchte der Überraschungsgast Roger Federer auf. Das war schon cool, ihn mal zu sehen und mit ihm ein paar Worte sprechen zu dürfen. Das ist ein Highlight aus sportlicher Sicht.

Patrik: Da hat man wieder mal gesehen, wie bodenständig und easygoing er ist.

Michelle: Und wie gross er ist. Ich war mega überrascht. Er ist gross.

Patrik: Da hatte ich in London einmal die Ehre, da hab ich ihn in seinem Olympiaquartier besucht. Das ist natürlich meistens ausserhalb, jetzt kann er nicht mehr essen in der Mensa, hat er gesagt.

Michelle: Ja, das ist verrückt, oder?

Patrik: In den ersten Spielen war er dort, das geht gar nicht. Und dann haben wir zuoberst oben eine Prime-Location in London in einem Hochhaus bekommen. Da haben wir oben hinab geschaut. Er kam inkognito, mit Käppchen und so. Da hat ihn von einem schwedischen Flow-Ball-Team eine Athletin erkannt und dann hat man gesehen, wie sich nachher gerade eine Traube von Leuten um eine Person gebildet hat. Wahnsinn. Und da haben wir nebeneinander gestanden und ‘Oh, der ist grösser als man vom Fernsehen her meint. Eindrücklich.

Michelle: Ja, eindrücklich. Ich finde wirklich, wie man so auf dem Boden bleiben kann, mit dieser Art und Weise.

Lucia: Was ist dein Highlight, Patrik?

Patrik: Es gibt immer verschiedene Highlights. Ich habe gerade einen Vortrag bei den Samaritern gehalten, in meinem Heimatdorf in Tübach. Dort habe ich auch ein paar Folien vorgenommen. Und das letzte, also die Weltklasse Zürich, wo wir beide im Betreuungsteam waren, die kleine Schweizer Sprinterin Melissa Gutschmidt, wenn du siehst, wie sie der riesigen Holländerin, die drei Köpfen grösser ist, Paroli bietet auf der Schlussgeraden und dann mit dem Sturz ins Ziel, das finde ich ganz grosses Kino. Dass sie sich trotz der Körpergrösse nicht beirren lässt und ihrem Weg weitermacht und sagt, ‘auch ich kann es ganz nach vorne schaffen’, das hat mich berührt.

Lucia: Ihr seid beide auch sportlich aktiv oder Sportlerinnen gewesen. Du, Michelle, als Spitzensportlerin. Was nehmt ihr aus euren eigenen Sportkarrieren mit, was ihr jetzt bei eurer Arbeit bei Medbase einsetzen könnt?

Patrik: Also die Sportkarriere - bei mir in Anführungs- und Schlusszeichen - die war etwas bescheiden, an die Olympischen Spiele habe ich es sicher nie geschafft. Aber wertvoll ist, wenn man selbst mal Läufer war, dann hat man halt eine Knochenhautentzündung schon mal durchgemacht. Wenn man das erste Mal ein Bahntraining gemacht hat mit den Nagelschuhen, hat man schon mal einen Fersensporn gehabt, hat schon mal einen Jumpers Knee gehabt. Und durch meine Frau bin ich dann mal zum Triathlon gekommen. Sie ist eine sehr begnadete Schwimmerin. Das war immer ein bisschen frustrierend, den Rückstand, den man eingeheimst hat und nicht mehr aufholen konnte beim Laufen. Und dann habe ich mich überzeugt, einmal einen Ironman mitzumachen. Dann habe ich auch dort gesehen, was es bedeutet, so lange Distanzen psychisch, wie du jetzt den 6'000er erwähnt hast, alles, was man da selbst an Erfahrungen mitnimmt, Trailrunning, 42 Kilometer Wandern zum Berg, alles, was man mitgemacht hat, das ist ein Erfahrungsschatz, den man eben nicht vermitteln kann, wenn man nur die Theorie kennt.

Michelle: Ja, das unterschreibe ich. Ich glaube, es ist ein mega Geschenk. Ich erlebe es als Geschenk, fühlen und spüren zu dürfen und zu wissen, wo vielleicht der Athlet ist. Auch hier wieder, wenn jemand düster drauf ist, das Ziel nicht erreicht hat, knapp nicht erreicht hat oder sich aber auch über die erreichten Ziele freut. Und ich glaube auch, es ist sehr wichtig, einen Athleten eine Athletin abzuholen im Rahmen einer Therapie, im Rahmen einer Verletzung. Wissen, wie sich das anfühlt. Und dann auch unterstützen und begleiten zu können, um wieder gesund zu werden. Ich glaube, das ist ein grosses Geschenk, wenn man aus dieser Erfahrung heraus die Athleten unterstützen kann.

Patrik: Das ist das Geniale auch an grossen Anlässen wie Olympische Spiele, neue Sportarten zu betreuen, sich reinzudenken, was sind dort die sportartspezifischen Verletzungsmuster oder wieso? Schlagsportarten mit Racket oder halt die Kampfsportarten Taekwondo und Judo, Karate, bei welchen man sich im Fitnesscenter aufwärmt. Auf einmal so eine Sportart live zu erleben und zu sehen, wie die funktionieren, das finde ich immer noch sehr faszinierend. Etwas Neues kennenlernen.

Michelle: Ja, genau. Und was ich manchmal noch, ich weiss nicht, ob du das auch hast, Patrik, wenn du bei den Wettkämpfen zuschaust, würdest du nicht auch am liebsten noch ein bisschen mitmachen? So ein bisschen? Also weisst du, so das Mitfibern, ich weiss nicht, ich kann mich erinnern als Athletin selbst, ich hatte das manchmal so, hey, du trainierst, du isst, du schläfst, du stellst eigentlich dein ganzes Leben hinter diesem Prozess, wenn du jetzt den Olympischen Zyklus mitmachst, die vier Jahre, du gibst wirklich alles für diesen Moment, für den einen Tag. Und mich freut das jetzt gerade, wenn ich dann auch an diesen Wettkämpfen bin, zu wissen, hey, jetzt genau heute muss dieser Moment passen. Und du hast so viel investiert, so viel gegeben für das.

Patrik: Das würde ich 100 % unterzeichnen. Ich habe immer gesagt, wenn sich bei mir die Härchen nicht mehr kräuseln, bin ich der falsche Arzt, der da am Rand steht. Das gehört aus meiner Sicht dazu.

Lucia: Ich würde sagen, wir machen eine weitere Runde aus dem Körbchen.

Michelle: Patrik, was war das Verrückteste, das du je gemacht hast?

Patrik: Ein Jahr vor den Olympischen Spielen, gibt es ja diese Testwettkämpfe, die berühmt-berüchtigten Tests auf der Olympia-Originalstrecke, um zu schauen, passt alles. Es ist immer gut, wenn man dort für die positive Erinnerung gut war. Dann in Peking. Ich weiss nicht mehr wer, aber eine Schweizer Athletin hatte gut abgeschnitten. Dann sagte der Coach, wenn sie gewinnt, dann rennen wir zu diesem chinesischen Kapellchen rauf. Und der Mech hat auch mitgemacht. Der Mech hatte vielleicht ein bisschen zu viel Gewicht auf der Rippe. Dann sind wir halt, wenn man A sagt, muss man auch B sagen, sind wir da hochgerannt. Aber da dachte ich, wieso habe ich Defi nicht mitgenommen? Da habe ich mich ein bisschen Sorgen gemacht um den Mech. Aber wir sind dann doch noch heil oben angekommen. Und es war weiter, als man denkt. Du weisst, wenn man vor einem Berg steht, denkst du, jaja schnell dort hochrennen.

Michelle: Es zieht sich dann meistens noch. Aber das Gute ist, sie hatten dich dabei als Arzt. Du hättest gewusst, wie ohne Defi reanimieren.

Patrik: Ich habe nicht viel gelernt: in der Rekko in Pjöngjang, ein Jahr vor Pjöngjang 20 17, habe ich auch gefunden am Abend, jetzt muss ich noch was machen, bin irgendwo raufgerannt und dann kam die Dämmerung so schnell. Dann hatte ich keine Lämpchen dabei und das war dann ein bisschen komisch, da runter im Dunkeln. Irgendwo in the middle of nowhere und niemand wusste, wo ich bin.

Michelle: Ups.

Patrik: Michelle, welchen Berufswunsch hattest du mit zehn?

Michelle: Ich wollte früher immer Psychologie oder Sport studieren. Das war von Anfang an mein Wunsch. Ich habe dann die Mitte genommen als Physio. Wir haben Psychologie dabei, mit dem Betreuen der Klienten und Klientinnen. Und natürlich auch ganz viel Sport, mit dem Betreuen der Athleten. Genau, so ein bisschen die Mitte.

Lucia: Sport ist Teamwork. Beim Zweierbob ist es offensichtlich. Aber auch, wenn man alleine unterwegs ist, muss man ein gutes Team im Hintergrund haben, damit man Erfolg haben kann. Welche Rolle spielt Teamwork bei euch im Berufsalltag? Habt ihr Beispiele, wo man genau sieht, dass es Teamwork braucht zwischen den verschiedenen Berufsgattungen im medizinischen Bereich?

Patrik: Ein Beispiel, wir betreuen einen Läufer, Dominic Lobalu. Er ist ein Flüchtling aus dem Südsudan. Sein Trainer ist ein ehemaliger Mittelstreckenläufer, mit dem ich noch gelaufen bin, ein Kollege von mir. Er ist auf uns zugekommen. Am Anfang ging es darum, dass er Interesse am Laufen hat. Dann kamen die ersten medizinischen Fragestellungen. Dann bin ich dazu gekommen. Ich fand, er braucht etwas im Kraftbereich. Dann kam ein Physiotherapeut dazu, der eine Ausbildung als Athletik-Coach hat. Er hat dann im Kraftbereich beraten. Dann kam ein weiterer Kollege, ein Trainer von mir, der ist Richter, dazu. Betreffend den ganzen Rechtsgeschichten, ob er in die Schweiz starten darf, obwohl er noch nicht Schweizer Bürger ist und all diese Geschichten. Und so ist das immer weitergegangen. Das sind jetzt ganz viele Kollegen von mir. Plus jetzt auch noch die Orthopäde, die wir brauchen, wegen der Schultern, mit dem wir in unserer Praxis zusammenarbeiten. Und so macht das das Ganze aus. Das läuft Hand in Hand. Und nicht dort ein Termin und nochmals dort ein Termin, da schaut man, dass das gerade so im Fluss läuft. In einem Netzwerk, in einem Team geht das einfach besser und schneller.

Michelle: Dass ein Team gut funktioniert, ich denke, das ist wie die Voraussetzung, dass man miteinander redet, unkompliziert ist, offen ist, authentisch ist. Und dass man irgendwie, ich weiss nicht, auch für einander schaut und einander unterstützt. Manchmal vergisst man das ein bisschen. Ja, ich glaube, generell funktioniert sehr wenig, wenn das Team nicht funktioniert. Ganz allgemein, wenn man das nicht miteinander macht, funktioniert eigentlich nicht so viel.

Patrik: Das ist so. So kritische Situationen haben wir sicher auch an Grossanlässen schon erlebt. Wenn du merkst, da ist ein Knatsch oder jemand will sich in den Vordergrund stellen. Das ist manchmal fast anstrengender als die Fälle, die man hat. Aber das ist im Beruf und in der Praxis genau gleich. Wenn das Team nicht geeignet ist, dann ist es schwierig.

Lucia: Ihr habt beide verschiedene Aufgaben und viele Mandate und Projekte oder eine eigene Praxis nebenzu. Wie bringt ihr das unter einen Hut, Michelle?

Michelle: Ja, das frage ich mich manchmal auch. Aber ich glaube, der Punkt ist, es macht mir alles Freude. Und ich glaube, es ist so, dass ich es manchmal gar nicht so empfinde, als ob ich jetzt arbeiten muss. Sondern, ich darf ganz viele schöne Sachen und Begegnungen erleben. Und das ist dann das, was mich zufrieden macht, mich glücklich macht und mich auch motiviert, weiterzugehen, Neues zu machen und Neues zu lernen. Ich glaube, das ist für mich der Grundantrieb. Patrik, wie ist es für dich?

Patrik: Ich sehe es genau gleich. Wie gesagt, es gibt ja Eustress und Distress. Das Positive und das Negative. Das hat man mal im Studium gelernt. Viele fragen mich, wie ich das mache. Erstens ist es mal Teamwork, da bist ja nicht du alleine, auch wenn es manchmal gegen aussen so erscheint, aber das musst du jedes Mal wieder erklären. Ich habe überall Medical Teams, es ist keine One-Man-Show, das macht es ganz fest aus. Wenn man sieht, wo sind die eigenen Grenzen, dann sagt man ‘so, jetzt geht es einfach nicht mehr’. Also nein, ich könnte sagen, da habe ich schon auch ein bisschen lernen müssen. Eine Anfrage hier und kannst du noch einen Vortrag dort machen und mit der Familie dann auch noch. Und darum habe ich auch gesagt, ich mache drei olympische Spiele als Leiter und dann höre ich auf. Obwohl viele sagen, da bist du ja erst 50, du könntest schon noch. Nein. Wir hatten andere negative Beispiele von den Vorgängern, die Sesselkleber waren. Ich bin auch überzeugt, die Sportlerinnen werden immer jünger. Das muss die jüngere Generation machen. Vielleicht kann man im Hintergrund weiter da sein und unterstützen. Ich glaube, das macht es auch aus, wenn man weiss, wann man loslassen muss. Da gibt es leider manchmal ganz viele tragische Beispiele, bei welchen alles Gute, was man vorgemacht hat, in den letzten drei, vier Jahren, ein bisschen bachab geht. Ich glaube, das ist ganz wichtig. Und er Eigensport, der muss immer Platz haben.

Michelle: Oh ja, stimmt.

Patrik: Das ist ein Fixtermin im Alltag, wie eine Konsultation, der muss Platz haben, sonst werde ich grantig.

Lucia: Was möchtet ihr einem jungen Menschen mitgeben, der oder die gerne in euren Beruf einsteigen möchte?

Michelle: Ich glaube, das ist das, worüber wir schon diskutiert haben. Die Voraussetzung für mich ist, dass man die Freude mitbringt, das Interesse am Menschen, das Interesse am Sport, das Interesse, sich weiterzuentwickeln, weiterzudenken, mitzugehen mit der Zeit, mit dem, was um sich herum passiert. Und dann, ja, dafür gehen.

Patrik: Interesse, Passion, finde ich ganz wichtig, wie Michelle schon gesagt hat, wozu ich manchmal auch noch rate oder was manchmal ein wenig untergeht, Geduld braucht man manchmal auch noch ein wenig. Vielfach gibt es dann Leute, die Maisl schreiben und anrufen und sagen, ich will auch gerne an die Olympischen Spiele, aber so direkt, das hat bei mir nicht funktioniert und wird auch in Zukunft nicht so funktionieren. Man muss lernen, dass man irgendwo mal anfängt, mit dem Nachwuchs, mit Tageseinsätzen, die Geduld haben. Die vermisse ich manchmal bei gewissen Jüngeren. Auch wir mussten das Leiterchen raufklettern und konnten keine Abkürzung nehmen. Das gehört dazu.

Michelle: Ich finde, das ist ein ganz wichtiger Punkt.

Lucia: Patrik Noack und Michelle Huwiler, ich bedanke mich bei euch herzlich für das Gespräch und wünsche euch alles Gute für die Zukunft.

Michelle, Patrik: Danke vielmals.

«Medbase im Dialog. Zwei Perspektiven, eine Leidenschaft.»

Das ist ein Podcast der Medbase-Gruppe, produziert von der Podcastschmiede. Mein Name ist Lucia Vasella. Alle Episoden von «Medbase im Dialog» findest du auf Spotify, Apple Podcasts und allen gängigen Podcastplattformen oder auf www.medbase.ch/podcast.

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