Seit hundert Tagen ist Beat Grögli Bischof von St. Gallen. Er spricht über seine ersten Erfahrungen im neuen Amt, über Papst Leo XIV. und die Zukunft seines Bistums. Und: Er sagt auch, wie er sich erholt und zur Ruhe kommt.
Weitere Themen dieser Folge:
Natürlich spielt es eine Rolle, was ein Papst sagt, welche Zeichen er setzt, was er tut, was er nicht tut. Aber schlussendlich sind wir auch Kirche hier vor Ort, und ich bin hier Bischof für das Bistum St. Gallen. Und wir werden unseren Weg weitergehen. Da sind Zeichen möglich.
Sandra Leis [:Das sagt Beat Grögli, der neue Bischof von St. Gallen. Er ist seit 100 Tagen im Amt. Im Podcast «Laut + Leis» sprechen wir über seine ersten Erfahrungen als Bischof, seine Begegnung mit Papst Leo sowie über seine Ziele fürs Bistum St. Gallen. Und: Er sagt auch, wie er sich erholt und zur Ruhe kommt. Ich bin Sandra Leis und besuche Bischof Beat im Bischofssitz in St. Gallen. Bischof Beat, vielen Dank, dass Sie sich Zeit nehmen für unser Gespräch und herzlich willkommen.
Bischof Beat Grögli [:Sehr gerne, danke.
Sandra Leis [:Zum Einstieg ein paar Fragen, die Sie kurz beantworten können. Wenn Sie auf die ersten 100 Tage als Bischof von St. Gallen zurückschauen, gibt es etwas, womit Sie wirklich nicht gerechnet hätten?
Bischof Beat Grögli [:Ich konnte mir vieles vorstellen, aber vielleicht die Kadenz der Anlässe hat mich dann doch etwas überrumpelt.
Sandra Leis [:Also die Menge.
Bischof Beat Grögli [:Die Menge und wie sie zeitlich sehr dicht aufeinander folgen.
Sandra Leis [:Und was hat Ihnen besonders Freude bereitet?
Bischof Beat Grögli [:Alle Begegnungen, in den Pfarreien mit den Seelsorgerinnen und Seelsorgern, auch dann in Rom, der Baby-Bischof-Kurs, alle Begegnungen.
Sandra Leis [:Und was hat Sie als Bischof auch einmal geärgert?
Bischof Beat Grögli [:Es braucht relativ viel, bis ich richtig wütend werde. Ich habe gewusst, dass auch schwierige Themen relativ schnell kommen. Die haben mich nicht in dem Sinn geärgert, aber die kosten natürlich mehr Kraft als das Schöne.
Sandra Leis [:Sie haben vorhin die Kadenz der Anlässe angesprochen, so über den Daumen gepeilt, wie hoch ist Ihr Arbeitspensum?
Bischof Beat Grögli [:Das ist eine schwierige Frage, sicher über hundert Prozent. Ich habe in meiner Arbeit vieles, das mir eben sehr Spaß macht. Und wenn ich an Anlässen teilnehme, dabei bin, dann ja, ist das vielleicht dann auch irgendwann ein bisschen Freizeit, wenn ich beim Apéro noch länger bleibe. Ja, vielleicht 150 Prozent.
Sandra Leis [:Also jetzt in den ersten 100 Tagen wahrscheinlich sowieso, nehme ich an. Ich habe gelesen, dass sie sehr, sehr gerne schwimmen, dass das Wasser Ihr Element ist, dass Sie auch Stand-Up paddeln. Eine schöne Vorstellung, der Bischof auf dem Stand-up. Haben Sie außerhalb der Sommerferien auch mal Zeit gehabt, Ihrer Leidenschaft nachzugehen?
Bischof Beat Grögli [:Also ich schwimme jede Woche. Das gehört zu meinem Wochenprogramm. Stand-up-Paddling ist etwas schwieriger. Das habe ich jetzt nicht mehr geschafft.
Sandra Leis [:Sie sind kürzlich 55 Jahre alt geworden. Mit 75 können Sie Ihren Rücktritt einreichen. Möchten Sie 20 Jahre lang Bischof von St. Gallen bleiben?
Bischof Beat Grögli [:Diese Frage stelle ich mir noch nicht so bewusst. Ich kann mir vorstellen, dass die Kirche sich in diesem Punkt auch ändert. 20 Jahre ist eine lange Zeit, da haben Sie recht. Wenn ich gesund bleibe, wenn ich frisch bleibe dann würde ich auch 20 Jahre Bischof von St. Gallen bleiben im Amt. Aber ich hoffe, ich merke auch frühzeitig, wenn ich das nicht mehr bringen kann.
Sandra Leis [:Könnte man den Rücktritt auch früher erbitten, sozusagen.
Bischof Beat Grögli [:Im Moment ist es schon noch so, dass das irgendwie ein bisschen anrüchig ist: Hat er Probleme, ist er nicht ganz gesund? Aber ich könnte mir vorstellen, dass sich das verändert in der Kirche.
Sandra Leis [:Können Sie sich auch vorstellen, einmal Kardinal zu werden?
Bischof Beat Grögli [:Das ist ein Ehrentitel, der verliehen wird, das ist nicht in meiner Hand. Und es gibt dann die Kardinäle, die bleiben an ihrem Ort, in ihren Aufgaben.
Sandra Leis [:Genau, aber es wäre nicht ausgeschlossen, sagen wir es mal so.
Bischof Beat Grögli [:Das ist nicht meine Entscheidung.
Sandra Leis [:Nach Ihrer Wahl zum Bischof im Mai haben Sie gesagt: «Ich trete in große Fußstapfen.» Worin ist Ihnen Ihr Vorgänger, Bischof Markus Büchel, ein Vorbild?
Bischof Beat Grögli [:Sicher in seiner Nähe zu den Menschen, in seiner Zugänglichkeit, in der Sprache, die die Menschen verstehen.
Sandra Leis [:Und was werden Sie anders machen als er?
Bischof Beat Grögli [:Also, das ist noch schwierig zu sagen. Ich bin in einer anderen Zeit jetzt Bischof geworden. Ich werde Entscheidungen treffen müssen bezüglich unseren Strukturen. Wir werden das nicht mehr so flächendeckend weiterführen können. Das Personal wird weniger. Das heißt, ich bin gefordert, Entscheidungen zu treffen, die Bischof Markus so noch nicht treffen musste.
Sandra Leis [:Ihr Wahlspruch, der lautet «In Concordiam Christi», also zu Deutsch herzlich in Christus, das ist ein Statement. Wie bringen Sie diesen Wahlsprich konkret im Bistum St. Gallen ein?
Bischof Beat Grögli [:Der Wahlspruch hat ja verschiedene Facetten, also es ist sicher die Herzlichkeit, ich glaube, dass wir zu den Herzen sprechen müssen und dass es gut tut, wenn wir herzliche Menschen sind. Es heisst herzlich in Christus, in Concordiam Christi, also da ist die Mitte schon gewiesen, in Christus, und Concordiam heisst immer wieder das Gespräch suchen, den Dialog, den Ausgleich, das entspricht auch meiner Person.
Sandra Leis [:Sie haben es bereits angesprochen, Sie waren im September zusammen mit 191 anderen neuen Bischöfen im sogenannten Baby-Bischof-Kurs. Der heißt ja wirklich so, Sie haben es selber gesagt. Welches ist die wichtigste Erkenntnis, die Sie in diesem Treffen gehabt haben?
Bischof Beat Grögli [:Im Baby-Bischof-Kurs erlebt man die Kollegialität der Bischöfe, also physisch. Wir sind fast 200 Bischöfe, die da zusammenkommen, 200 neue Bischofe innerhalb eines Jahres. Das ist unglaublich, mich zu erleben als Teil dieses grossen, weltweiten Bischofskollegiums.
Sandra Leis [:Ich habe irgendwo gelesen, vielleicht stimmt das auch nicht, dass Bischöfe aus Asien und Afrika einen separaten Kurs hatten, stimmt das?
Bischof Beat Grögli [:Das war für mich auch neu, das hatte ich nicht gewusst vorher. Die sind wirklich anders organisiert auch anderen römischen Institutionen zugeordnet. Aber wir hatten zwei Tage gemeinsam, und diese beiden Tage waren besonders spannend, wegen diesen Begegnungen.
Sandra Leis [:Das kann ich mir vorstellen, weil sonst ist es ein bisschen merkwürdig, wenn man dann die Leute nach Kontinenten separiert. Aber Sie sagen ja, es hat zwei Tage gegeben, an denen man sich gemeinsam getroffen hat.
Bischof Beat Grögli [:Die Situationen sind schon sehr unterschiedlich, natürlich weltweit überhaupt, aber die jungen Kirchen, und in Afrika und in Asien gibt es wirklich Diözesen, die noch jung sind, oft mit einem geringen Katholikenanteil, jetzt in Asiens besonders im Vergleich zur Gesamtbevölkerung. Das sind einfach ganz andere Situationen.
Sandra Leis [:Es gab auch ein Treffen mit Papst Leo XIV. Und auf kath.ch haben Sie gesagt, der Papst habe Ihnen, Zitat, «unglaublich Eindruck» gemacht. Was hat Ihnen besonders imponiert an Papst Leo?
Bischof Beat Grögli [:Seine Präsenz, also wenn ich an die Kadenz seiner Anlässe denke, wie präsent er da war, wie viel Zeit er sich genommen hat, also über drei Stunden war er bei uns, und wie er auf unsere Fragen, die er vorher nicht gekannt hat, geantwortet hat, das fand ich unglaublich.
Sandra Leis [:Vergangene Woche, Ende letzter Woche, hat der Heilige Stuhl das erste Lehrschreiben von Papst Leo veröffentlicht. Er hat da die Arbeit vollendet, die Papst Franziskus begonnen hat. Es ist auch ein bisschen im Stil von Papst Franziskus geschrieben, es ist eine Kritik am Kapitalismus, eine starke Kritik. Was kann die Kirche oder was muss die Kirche tun, um Armut zu lindern? Das ist ja ein Hauptanliegen dieses Lehrschreibens.
Bischof Beat Grögli [:In diesem Baby-Bischofs-Kurs sprach als letzter, das letzte Referat, Parolin, der Kardinalstaatssekretär. Und er hat auch über die Diplomatie des Heiligen Stuhls gesprochen, natürlich, über die vielen Beziehungen. Und er sagt: Wir haben nur die Kraft des Wortes. Wir haben keine militärische Macht, wir habe keine ökonomische Macht, keine finanzielle Macht. Also am Schluss ist es die Kraft des Wortes, ein Appell, ein vielleicht auch deutliches Wort an die Mächtigen dieser Erde, wo andere politisch Rücksicht nehmen müssen, wirtschaftliche Interessen berücksichtigen müssen. Ich glaube, das ist die Kraft der Kirche, die sie in diesen Fragen einbringen kann.
Sandra Leis [:Also dass sie sich auch politisch positionieren soll.
Bischof Beat Grögli [:Genau, das macht sie ja sehr deutlich. Keine Parteipolitik, aber Sachpolitik.
Sandra Leis [:Vor diesem Lehrschreiben ist ein Interview veröffentlicht worden bzw. Auszüge eines Interviews. Mittlerweile ist dieses Interview in einem Buch veröffentlicht, auf Spanisch. Und dieses Interview hat weltweit für Schlagzeilen gesorgt. Denn der Papst sagt darin unter anderem, ich nehme drei Beispiele: An der Sexualmoral der römisch-katholischen Kirche werde er nichts verändern. Segnungen für homosexuelle und lesbische Paare dürfen niemals der Eheschließung zwischen Mann und Frau gleichgestellt werden. Und der Papst, das sagt er dezidiert in diesem Interview, lehnt das Priesteramt für Frauen ab. Allerdings ist er bereit, die Frage weiter zu diskutieren, ob Frauen Diakoninnen werden können. Wenn ich so diese drei Kernpunkte herausschäle aus diesem Interview, dann heißt das de facto: Mit Papst Leo gibt es keine tiefgreifenden Reformen. Enttäuscht Sie das, Bischof Beat als junger Bischof, der erst jetzt angefangen hat?
Bischof Beat Grögli [:Ich war auch überrascht, wie vorsichtig, also wie total zurückhaltend diese Antworten im Interview ausgefallen sind. In dem Sinn hätte ich etwas anderes erwartet. Ich habe vorher von der Kraft des Wortes gesprochen. Es ist ein relativ langes Interview. Ich glaube, noch wichtiger als die Worte sind schlussendlich auch die Zeichen. Und Papst Franziskus war ein Meister dieser Zeichen: die erste Reise ins Ausland oder von Rom weg nach Lampedusa. Er allein auf dem Petersplatz in der Corona-Zeit, das sind unglaublich starke Zeichen, und ich bin gespannt, welche Zeichen Papst Leo setzen wird. Die Worte, die er jetzt gesprochen hat in diesem Interview, waren sehr abgewogen, sehr zurückhaltend.
Sandra Leis [:Und auch dass er klar an der Lehre festhalten will. Das sagt er ja schon deutlich, da ist er eigentlich nicht zurückhaltend.
Bischof Beat Grögli [:Ja ja, das kann sich auch ändern.
Sandra Leis [:Glauben Sie das? Haben Sie da Hoffnung?
Bischof Beat Grögli [:Ja, ich glaube, Papst Leo ist ein Mensch, der nachdenkt und der die Dinge sieht und den Dingen auf den Grund gehen will, und wenn die Fakten oder gesellschaftliche Entwicklungen oder menschliche Probleme sich so deutlich zeigen, dann glaube ich, wird er demgegenüber nicht gleichgültig bleiben.
Sandra Leis [:Wenn wir auf Ihr Bistum schauen, das Bistum St. Gallen, da hat es natürlich auch Katholikinnen und Katholiken, die sind froh, dass in Rom kein, ich sage jetzt mal ein bisschen salopp, Reform-Turbo sitzt. Also das ist er sicher nicht, ein Reform-Turbo, das wird einige beruhigen, sagen wir es mal so. Aber es gibt auch andere, ich nenne da nur die Petition mit dem Titel «Reformen jetzt». Gerade in Bistum St. Gallen gibt es Menschen, die wünschen sich sehnlichst Reformen in der römisch-katholischen Kirche. Was sagen Sie diesen Gläubigen in Ihrem Bistum?
Bischof Beat Grögli [:Natürlich spielt es eine Rolle, was ein Papst sagt, welche Zeichen er setzt, was er tut, was er nicht tut. Aber schlussendlich sind wir auch Kirche hier vor Ort, und ich bin hier Bischof für das Bistum St. Gallen. Und wir werden unseren Weg weitergehen. Da sind Zeichen möglich. Die inner-katholischen Spannungen werden vermutlich noch zunehmen, das sagen uns die Religionssoziologen, das zeichnet sich so ab. Das macht mir, also nicht Angst, aber das betrachte ich mit Sorge. Das ist schwierig, weil ich mich als Mann der Mitte verstehe, und wenn die Spannungen dann zunehmen, dann wird man in der Mitte zerrissen.
Sandra Leis [:Sie spüren natürlich diese Kräfte auch hier im Bistum St. Gallen, das ist ganz klar. Gibt es denn ein Anliegen oder vielleicht zwei, für die Sie sich persönlich einsetzen wollen, vielleicht gemeinsam mit Ihren Kollegen der Schweizer Bischofskonferenz oder auch mit Kollegen aus Deutschland oder Österreich. Gibt es da ein Anliegen oder zwei, bei denen Sie wirklich sagen, hier möchte ich mich einsetzen. Ob es dann klappt, weiß ich nicht, aber hier möchte ich mich engagieren.
Bischof Beat Grögli [:Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass Rom wahrnimmt, dass die Mitbestimmung und die Partizipation der Gläubigen bei uns selbstverständlich ist in vielen Strukturen, die über die Jahrhunderte so gewachsen sind und die wichtig sind, damit Macht geteilt wird. Und die Rolle der Frauen ist unbedingt auch ein Thema. Eine Männerkirche, das geht nicht, dass Frauen mitbestimmen, überall dort, wo es sie betrifft, und dass sie selbstverständlich auch in Entscheidungsgremien drin sind.
Sandra Leis [:Sie haben kürzlich mal auf kath.h gesagt: Das Frauenpriestertum wird kommen. Werden wir Heutige das noch erleben mit Papst Leo XIV.?
Bischof Beat Grögli [:Nach diesem Interview bin ich etwas skeptisch, aber ich bin überzeugt, dass es kommt. Weil das ja die Entwicklung ist, die sich gesamtgesellschaftlich abzeichnet in der Bedeutung der Rolle der Frau. Deshalb sage ich, es wird kommen.
Sandra Leis [:Sie haben vorhin gesagt, es gehe nicht an, dass Männer auch über Anliegen von Frauen entscheiden. Das müsse sich ändern, und das wollen Sie auch im Bistum St. Gallen so handhaben. Ich habe mal auf die Webseite geschaut, auf die aktuelle Bistumsleitung. Es ist klar, Sie haben auch Leute übernommen, sie können ja nicht alles auswechseln, muss ja auch nicht sein. Aber wenn man das anschaut auf der Bistumsleitung, dann ist es so, dass sieben von acht Führungspositionen mit Männern besetzt sind. Einzige stimmberechtigte Frau ist derzeit Ingrid Krucker, sie leitet das Amt für Ausbildung. Das Verhältnis stimmt jetzt meiner Meinung nach noch nicht so ganz. Wie wollen Sie das ändern oder können Sie das ändern?
Bischof Beat Grögli [:Ich habe hier schon Personalentscheidungen treffen müssen und habe da auch wieder Männer berufen. Das zeigt aber auch, wie anspruchsvoll dieses Anliegen oder dieses Ziel ist, auch Frauen zu finden, die bereit sind, die jetzt fähig sind, solche Aufgaben zu übernehmen. Das ist sicher ein längerfristiges Projekt und ist jetzt bei den ersten Personalentscheidungen noch nicht so umgesetzt.
Sandra Leis [:Und wie wollen Sie das in Zukunft haben, oder wie fördern Sie das, dass dann die Frauen auch diese Qualifikationen haben, die es braucht für diese Führungsaufgaben?
Bischof Beat Grögli [:Wir haben auch hier in der Bistumsleitung das Thema Frauen-Mentoring zusammen mit anderen Diözosen der Schweiz, also wie fördern wir Frauen, wie bauen wir sie auf, wie sehen wir sie überhaupt, wie finden wir sie? Also das ist ein ganz konkreter Ansatz, um Frauen auch für Führungsaufgaben vorzubereiten.
Sandra Leis [:Im Juli sind Sie schweizweit nicht nur wegen Ihrer Weihe, sondern auch sonst ganz ungewöhnlich eigentlich bekannt geworden, weil Sie beim Endspiel der Europameisterschaft im Sankt Jakobsstadion in Basel zugegen waren, Spanierinnen gegen die Engländerinnen, und Sie haben da ein Polo-Shirt getragen, auf dem stand «Heute gewinnen die Frauen». Welche Reaktionen haben Sie da bekommen, weil man kannte Sie ja schon ein bisschen aus den Medien, weil Sie gerade zum Bischof geweiht wurden. Also Sie wurden sicher erkannt im Joggeli, wie man in Basel sagt.
Bischof Beat Grögli [:Nein, also in der Reihe schon. Ich musste ja schauen, dass ich noch Plätze bekomme, die wurden uns vermittelt. Aber ich habe viele Reaktionen bekommen auf meinen Status, und die meisten haben sich gefreut. Es ist ja auch ein unglaublich schöner Anlass dieses Finalspiel. Ich wollte mit Magdalena hingehen, das ist die Tochter eines Matura-Kollegen. Wir haben schon vor einem Jahr darüber gesprochen, und eigentlich wollten wir zwei T-Shirts anziehen, also sie natürlich England und ich Spanien, aber das haben wir dann auf die Schnelle nicht gefunden, und dann hat mein Kollege in der Nacht noch dieses T-Shirt gemalt.
Sandra Leis [:Und das Bistum St. Gallen hat dann auch Bilder von Ihnen gepostet, also auf dem eigenen Social-Media-Kanal. Und da gab es auch Kritik, zum Beispiel von Monika Schmid, sie ist eine bekannte Theologin aus Effretikon. Sie hat auf Facebook geschrieben: «Sein T-Shirt-Spruch ist zynisch für einen Bischof einer Kirche, welche die Frauen systematisch ins Abseits befördert. Foul!» Was sagen Sie dazu? Ist es zynisch?
Bischof Beat Grögli [:So war es nicht gemeint. Es war ein Ferien-T-Shirt. Für einen schönen Anlass, wo ich meine, sind die Frauen wirklich, sind sehr stark aufgetreten. Diese Frauen-EM fand ich großartig. Auch in der Resonanz, in der Bevölkerung, also dass Frauenfußball auch guter Fussball ist. Mit einer total guten Stimmung im Stadion, keine Fangewalt, das war eine tolle Sache. Magdalena hat gesagt, sie habe noch nie ein so friedliches Fußballspiel erlebt.
Sandra Leis [:Themenwechsel. Vor zwei Jahren ist die Pilotstudie zum Missbrauch herausgekommen, und im Bistum St. Gallen sind im letzten Jahr 7500 Menschen ausgetreten, also doppelt so viele wie im Vorjahr. 2027 wird die Folgestudie publiziert. Was werden wir darin lesen? Was vermuten Sie? Was kommt da auf die Kirche und die Menschen, vor allem die Gläubigen, zu?
Bischof Beat Grögli [:Ich glaube noch mehr als jetzt bei der Pilotstudie werden wir hören, dass die Kirchgemeinden, die Behörden und auch die politischen Gemeinden, die ja auch eine Verantwortung haben für Heime, für Institutionen, die auch nicht so genau hingeschaut haben oder dann nicht gehandelt haben. Also das war schon auch eine gesellschaftliche, oder gesellschaftlich war es einfach so, man wusste es, aber man hat nichts gemacht. Das ist schlimm, tragisch, entschuldigt gar nichts. Ich glaube, das werden wir noch mehr lesen.
Sandra Leis [:Ihren Vorgängern Bischof Ivo Fürer und Bischof Markus Büchel wurde vorgeworfen, nicht immer ganz adäquat gehandelt zu haben in der Aufklärung von Missbrauchsfällen. Was werden Sie anders machen als Ihre beiden Vorgänger?
Bischof Beat Grögli [:Also gesamtkirchlich ist ja auch viel passiert. Es ist so, wenn ich Kenntnis erhalte von einem Fall, von einem Übergriff, dass ich dann sofort handeln muss. Also ich möchte auch persönlich handeln, aber ich muss auch handeln. Das hat sich auch in den gesamt- kirchlichen Regeln verändert.
Sandra Leis [:Ihre Hauptaufgabe sehen Sie darin, dass Sie einfach handeln müssen.
Bischof Beat Grögli [:Also das betrifft das Handeln bei Vorfällen, die ganze Thematik der Prävention, die Schulung der Mitarbeitenden, auch die Schulungen von Freiwilligen, das werden wir weiterführen.
Sandra Leis [:Und gleichwohl, es gibt immer wieder neue Fälle, die aufgedeckt werden, auch in der Schweiz.
Bischof Beat Grögli [:Wenn ich mit dem Fachgremium spreche bei uns, dann sagen sie, dass 95 Prozent der Fälle, die sie jetzt erhalten, also wo Menschen zu ihnen kommen, der Täter, meistens ist es sein Mann, der verstorben ist. Die Fälle, wo der Täter noch lebt, gehen die meisten zurück in die 90er Jahre und älter. Aber natürlich, das Thema bleibt uns in der Kirche erhalten, in der Gesellschaft und wir müssen dranbleiben.
Sandra Leis [:Als Bischof haben Sie ein grosses Pflichtenheft, das haben Sie jetzt auch schon gemerkt in diesen ersten 100 Tagen, und von allen Seiten werden Erwartungen an Sie herangetragen. Was machen Sie, damit Ihnen die Aufgaben nicht über den Kopf wachsen?
Bischof Beat Grögli [:Was einem Freude macht, kostet etwas weniger Energie. Also wenn ich etwas gerne mit Freude tue, also ich möchte mir die Freude erhalten und die Freude auch entdecken, finden in den Begegnungen, in den Anlässen, die schon in meinem Pflichtenheft stehen, aber ich kann sie ja so oder so ausfüllen. Und dann brauche ich sicher auch Zeiten, wo ich mich zurückziehen kann, wo ich zur Ruhe komme, wo ich nachdenken kann, damit ich nicht die Dinge einfach nur noch abspule. Das wäre für mich ein Alarmzeichen, wenn ich einfach da noch hingehe und da noch hingehe und etwas Schönes sage, aber das auch nicht mehr richtig vorbereiten kann.
Sandra Leis [:Sie haben vorhin gesagt, Sie müssten auch zur Ruhe kommen. Wie kommen Sie zur Ruhe?
Bischof Beat Grögli [:Also ich habe Gebetszeiten, ich kann Gottesdienste feiern, die für mich selber auch Oasen sind, die mich nähren, ich gehe gerne schwimmen, wie schon gesagt, ich geh auch gerne in die Natur, und ich habe gute Beziehungen, wo ich einfach sein kann. Auch Dinge einmal aussprechen kann oder vorbesprechen kann, ohne dass es schon hochoffiziell ist.
Sandra Leis [:Haben Sie auch so etwas wie einen Coach, den Sie fragen können, mit dem Sie auch Dinge besprechen können, die wirklich dann unter Ihnen bleiben, die nicht an die Öffentlichkeit geraten, wo Sie auch Persönliches aussprechen können?
Bischof Beat Grögli [:Also ich habe natürlich eine geistliche Begleitung, wo ich monatlich hingehe. Ich mache jedes Jahr eine Woche Exerzitien.
Sandra Leis [:Sie sind ja mit den Jesuiten sehr verbunden, das ist Ihnen wichtig.
Bischof Beat Grögli [:Genau, also das ist mir unglaublich wichtig. Und ich bin seit zwölf Jahren in einer Supervisionsgruppe, die ist entstanden und weitergegangen aus einem Kurs Führen und Leiten in der Kirche in München-Freising. Ob ich das so weiterführen kann, ich hoffe es, weil da eine große Vertrautheit ist. Und es sind Menschen, die zwar die Kirche sehr gut kennen, alle arbeiten in der Kirche. Aber ich habe mit ihnen in meiner Arbeit nichts zu tun. Also das hat eine sehr hohe Qualität, also ich hoffe, dass ich diese Reflexionsräume behalten kann.
Sandra Leis [:Bischof Beat, vielen Dank für Ihre Ausführungen und alles Gute auf Ihrem weiteren Weg als Bischof und auch als Mensch.
Bischof Beat Grögli [:Danke auch Ihnen.
Sandra Leis [:Das ist die 56. Folge des Podcasts «Laut + Leis». Zu Gast war Bischof Beat Grögli. Er ist seit hundert Tagen Bischof von St. Gallen.
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Viele Menschen glauben nicht mehr an Gott und Jesus. Trotzdem gebe es gute Gründe, in der Kirche zu bleiben – oder zurückzukehren. Das hat Margit Osterloh kürzlich in einem Gastbeitrag der Tamedia-Zeitungen geschrieben. Sie ist emeritierte Wirtschaftsprofessorin der Universität Zürich und der nächste Gast im Podcast «Laut + Leis». Bis in zwei Wochen, und bleibt laut und manchmal auch leise.