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Nur kein Marmor: Was für Institutionen brauchen Sammlungen?
Episode 817th October 2023 • Wohin damit? • Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte (SKKG)
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Shownotes

Die Architektinnen Ella Esslinger und Fabienne Girsberger haben im Dezember 2022 ihre Ausbildung am Departement Architektur der ETH abgeschlossen mit der Diplomarbeit «Bauen im Neubau. Ein Renovierungsvorschlag für die vierte Erweiterung des Kunsthauses Zürich». In dieser Arbeit haben sie sich mit dem kontrovers diskutierten Neubau von David Chipperfield gewidmet und einiges ausgelöst.

Gastgeber Alain Gloor trifft die beiden vor Ort im Erweiterungsbau, wo sie gemeinsam über hochwertige Marmorböden und goldige Gönner:innen, «veraltete Neubauten» und die Museen der Zukunft, unpräzise Begriffe und übermächtige Oberflächen nachdenken.

Du hast Fragen, Inputs oder Kritik? Melde dich via sammelstelle@skkg.ch oder via Sprachnachricht an 077 456 07 41.

Links zur aktuellen Folge

Ella Esslinger und Fabienne Girsberger: Bauen im Neubau. Renovierung der vierten Erweiterung für das Kunsthaus Zürich (Diplomarbeit ETH ARCH) (2023)

Daniela Janser: Zukunft des Museums: Zwischen Massenauflauf und Sinnkrise, in: Die Wochenzeitung (Nr. 17, 27.4.2023)

Nicolás Egon Wittig: Können wir das Kunsthaus retten?, in: Hochparterre (19.4.2022)

GTA Ausstellungen: Unschöne Museen, Zürich (1.3.-19.5.2023)

Philipp Ursprung: Geschlossene Gesellschaft, in: Republik (1.10.2021)

Ella Esslinger: Wohnen über Sisis Haarlocke, in: Hochparterre (31.7.2023)

Andras Szanto: Imagining the Future Museum. 21 Dialogues with Architects, Berlin 2022.

Bea Schlingelhoff: No River to Cross, Kunstverein München (2021)

Stewart Brand: How Buildings Learn, BBC-Reportagenserie (1997)

Wilco: Hell is Chrome (2004)

Tim Wu: The Tyranny of Convenience, New York Times (16.2.2018)

Alle Info zum campo-Projekt: www.campo-winterthur.ch

Transcripts

PODCAST: Wohin damit? Unterwegs in die Zukunft des Kulturerbes – Staffel 2

Folge 8

Nur kein Marmor: Was für Institutionen brauchen Sammlungen?

(Ella Esslinger und Fabienne Girsberger)

[Alain Gloor:] «Ich treffe Ella Esslinger und Fabienne Girsberger im Neubau des Kunsthauses Zürich. Wir haben unsere Jacken und Rucksäcke in die Garderobenfächer gestopft – und laufen in die grosse Eingangshalle. Am besten stellen sich Ella und Fabienne selbst kurz vor:»

berger. Wir haben im Dezember:

[Museumsaufsicht:] «Sie händ … Hallo! Sie händ au es Ticket?»

[Ella Esslinger:] «Nein.»

[Museumsaufsicht:] «Und sie wänd ins Museum, oder …?»

[Ella Esslinger:] «Nein. Wir sind einfach nur hier.»

[Museumsaufsicht:] «Ok.»

berger. Wir haben im Dezember:

schichte an der ETH. Er hatte:

Wichtig vielleicht noch: In diesem Artikel und in dieser Podcast-Folge, geht es weniger um den Umgang des Kunsthauses mit der Bührle-Sammlung, sondern im etwas engeren Sinne um den Bau an sich. Und zwar deshalb, weil es auch bei uns langsam ernst gilt. Der Architekturwettbewerb ist vorbei. Studio Burkhardt und Lucas Michael Architekten haben ihn gewonnen. Sie haben mit ihrer Eingabe eine Grundlage geschaffen, mit der wir konkret in die Arbeit gehen. Und in dieser Arbeit müssen wir Entscheidungen mit weitreichenden Folgen treffen.

Doch zurück zu den beiden jungen Architektinnen: Ella Esslinger hat diesen Sommer auch einen präzisen Text über das campo-Wettbewerbsprojekt von Manuel Burkhardt und Lucas Michael im Hochparterre geschrieben. Ich verlinke alles in den Shownotes. Da dachte ich: Es wäre doch spannend, mit den beiden zu sprechen. Und nun stehe ich da mit beiden im Kunsthaus.»

[Fabienne Girsberger:] «Momentan befinden wir uns gerade in der Eingangshalle vom Neubau. Der befindet sich am Zürcher Heimplatz gegenüber von den Bestandsgebäuden des Zürcher Kunsthauses. Der Bau von David Chipperfield, wo wir uns jetzt gerade befinden, ist der vierte Erweiterungsbau. Bis anhin der grösste von allen. Wir befinden uns in der sehr grosszügigen Eingangshalle, die vom Heimplatz durchgeht, bis auf die gegenüberliegende Seite zum Garten der Kunst, der ebenfalls Teil des Entwurfs war von David Chipperfield Architects. Wir stehen hier auf sehr hochwertigem Marmorboden, umgeben von enorm hohen, sehr handwerklich gekonnt ausgestalteten Sichtbetonwänden. Mit Goldbuchstaben sind jeweils die Namen der Gönner auf den Wänden eingebracht …»

[Ella Esslinger:] «… vielleicht muss man noch dazu sagen, dass es ein höchst technisch ausgestattetes Gebäude ist und dass sich hinter Betonwänden wahnsinnig viel Technik und Wärmebauteilaktivierung befindet. Und das ist auch der … also die klimatischen Bedingungen sind vor allem auch der Grund, weshalb man jetzt nicht total durch die Achse vom Heimplatz in den Garten der Kunst gehen kann, sondern dass es jeweils die kleinen Windfänge gibt. Und allein dieses Detail ist was, wo es eigentlich total toll wäre, nicht diese Kurve machen zu müssen, sondern einfach gerade durchzugehen.»

[Alain Gloor:] «Hier spricht eine neue Generation Architektinnen. Und zwei Protagonistinnen einer öffentlichen Debatte, ich habe es bereits beschrieben, rund um den Neubau des Kunsthauses. Es ist aber auch, wenn man etwas herauszoomt, eine Generation, die Museumsbauten ganz neu bewertet und verstehen will. Und sich als Community einbringen will in die Institutionen. Dadurch verändern sich die Institutionen und Museen natürlich. Das finde ich hochspannend. Wir stehen hier in einem Gebäude, wofür vor rund zwanzig Jahren die Planung begann. Mit Ella und Fabienne treffen frische Ideen auf einen, etwas böswillig gesagt, veralteten Neubau. Es sollte ein «Museum für das 21. Jahrhundert» werden, hiess es, als der Wettbewerb ausgeschrieben wurde.»

[Fabienne Girsberger:] «Wir haben uns auch die Frage gestellt, wenn man tatsächlich daran interessiert ist, die Sammlung einer möglichst breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, gäbe es sicher einfachere Wege als so ein 200 Millionen teurer Neubau. Eben beispielsweise die Vermietung von Werken oder die Sammlungen auf Reise schicken oder dezentralisieren oder was auch immer … oder Depot schauen. Ein Schaudepot.»

[Ella Esslinger:] «Also ich glaube, aber das sagen auch alle, die irgendwie beteiligt waren in diesem Prozess, dass das, was das Museum ist und sein soll, nicht viel diskutiert wurde und dass das natürlich auch einer sehr konservativen Ansicht von was Museen sind, entspricht. Und so sieht es auch aus. Und es ist im Grunde ja schon das da, was bestellt wurde. Und wir kritisieren ja auch die Bestellung. Und am Gebäude selbst kann man natürlich auch Sachen kritisieren. Aber es ist ja auch total viel darauf zurückzuführen oder wie zu dieser Zeit bestimmte Ansichten von Museumsbauten halt waren oder auch sind.»

[Fabienne Girsberger:] ««Gut belichtete Ausstellungsräume von Flachwaren», glaube ich, war eine Formulierung.»

[Alain Gloor:] «Vor kurzem habe ich das neueste, empfehlenswerte Buch von Andras Szanto gelesen, für das der Kulturstratege und -berater mit 21 Architekt:innen über die Zukunft des Museums gesprochen hat. Dort ist wiederholt die Rede vom historischen Weg der Museumsbauten vom Tempel, dann zum ikonischen Bau – das beliebte Beispiel ist immer das Guggenheim-Museum von Frank Gehry in Bilbao – zu etwas … ja, Neuem … Was ist dieses Neue? Ich komme später darauf zurück. Aber zunächst: Wie schafft man es denn, dass der umgesetzte Bau, für den vor 20 Jahren ein Wettbewerbsprogramm geschrieben wurde, überhaupt noch «neu» sein kann?»

[Ella Esslinger:] «Ich habe das Gefühl, dass in so einer Wettbewerbserstellung, dass es wahnsinnig wichtig wäre, sich zu überlegen, wie genau diese Programme geschrieben werden. Oder wer die schreibt oder in was für einem Modus. Ich glaube auch, dass halt oft so Wörter und Formulierungen fallen wie,«das öffentliche Museum» oder so … Und das aber die, also dieses Wettbewerbsprogramm … jetzt auch von dem Museum … das liest sich sehr trocken. Ich weiss nicht, wird irgendwie mit diesen Begriffen, die super wichtig sind, gar nicht so sensibel umgegangen. Ich glaube, manche Sachen weiss man dann vielleicht zu Beginn auch noch nicht so genau. Aber da gab es ja dann schon auch einerseits super konkrete Raumvorstellungen für diese Bührle-Sammlung zum Beispiel und natürlich super viele total präzise technische Angaben. Aber jetzt nach Eröffnung, wo ja dann auch, war das letztes Jahr, wird von der ICOM dieser Museumsbegriff neu gebracht und diskutiert.Und man hat halt das Gefühl, dass in der Zeit wahnsinnig viel in der theoretischen Welt passiert ist und dann aber in der praktischen angewendeten Welt irgendwie dann diese Begriffe fallen, aber gar nicht nuancierter diskutiert werden.»

[Fabienne Girsberger:] «Kennst du diese Museumsdefinition von der ICOM?»

[Alain Gloor:] «Ähhh … ja, ja, klar, Fabienne! Jetzt vielleicht nicht gerade auswendig, aber schon so ziemlich. Ein Moment …»

sammen und jetzt die neueste,:

[Ella Esslinger:] «Also nicht, dass diese Definition jetzt total präzise ist.»

[Fabienne Girsberger:] «Nein, überhaupt nicht.»

[Ella Esslinger:] «Die ist ja auch sehr kontrovers.»

ein Museum ist und was nicht.:

«Ein Museum ist eine dauerhafte Einrichtung, die keinen Gewinn erzielen will, öffentlich zugänglich ist und im Dienst der Gesellschaft und deren Entwicklung steht. Sie erwirbt, bewahrt, beforscht, präsentiert und vermittelt das materielle und immaterielle Erbe der Menschheit und deren Umwelt zum Zweck von Studien, der Bildung und des Genusses.»

Und diejenige von:

«Ein Museum ist eine nicht gewinnorientierte, dauerhafte Institution im Dienst der Gesellschaft, die materielles und immaterielles Erbe erforscht, sammelt, bewahrt, interpretiert und ausstellt. Öffentlich zugänglich, barrierefrei und inklusiv, fördern Museen Diversität und Nachhaltigkeit. Sie arbeiten und kommunizieren ethisch, professionell und partizipativ mit Communities. Museen ermöglichen vielfältige Erfahrungen hinsichtlich Bildung, Freude, Reflexion und Wissensaustausch.»

Neu sind die Stichworte «barrierefrei und inklusiv», «Diversität und Nachhaltigkeit» sowie dass Museen mit Communities arbeiten – und, dass sie vielfältige Erfahrungen ermöglichen. Ein gewichtiger Kritikpunkt daran ist, dass in der Neudefinition keine Rede ist von Dekolonisation und Rückgaben. Es ist klar, dass eine Museumsdefinition, die weltweit gelten soll, Kompromisse eingehen muss. Doch sei der Kompromiss zu sehr zugunsten konservativer Kräfte eingegangen worden.

Die beiden Definitionen protokollieren auf anschauliche Weise die zwar zaghafte, aber andauernde Weiterentwicklung dessen, was ein Museum ausmacht oder nicht. Auch wir mit unseren Überlegungen und Plänen verstehen uns als Stiftung als Teil dieser Weiterentwicklung.»

Was macht das «Museum der Zukunft» für Ella und Fabienne aus?:»

[Fabienne Girsberger:] «Grosse Frage.»

[Ella Esslinger:] «Ich mag gerne Projekte, die etwas als Museum claimen, was kein Museum ist, oder die etwas zu einem Ausstellungsort machen. Mit Freunden haben wir in der Weststrasse so Ausstellungsvitrinen, die ganz einfach zu einem Ort geworden sind, wo jetzt alle kommen, und einfach alle paar Monate etwas stattfindet und der Ort drum herum gehört irgendwie so dazu.»

[Fabienne Girsberger:] «… auf der anderen Seite: Bei grösseren Institutionen muss ja je nach dem gar nicht das Museum das eigentlich Interessanteste sein, sondern der Ort, den sie ermöglichen. Wir haben auch oft darüber geredet, dass es hier auch schon ausreichen könnte, wenn diese Halle nicht vom Kunsthaus selbst bespielt wird, sondern zum Beispiel von der Stadt … wenn irgendeine Art Vielstimmigkeit ermöglicht würde durch eine Gleichzeitigkeit von verschiedenen Akteurinnen, die daran teilnehmen können. Also das auch in dem Fall jetzt die Einstimmigkeit von Programmformulierung bis jetzt Bespielung dazu führt, dass es ein sehr träger Ort ist, der sich nicht wirklich relevant für uns anfühlt.»

[Alain Gloor:] «Ich finde es hochinteressant, was die beiden ansprechen. Vielleicht könnte man sagen, dass sich in den Beispielen von Fabienne und Ella die Institution ein Stück weit zurückzieht. Oft sprechen wir heute in diesem Fall von «Plattformen». Das Museum als ein Ort, der etwas ermöglicht: Beziehungen und Begegnungen, eine Vielstimmigkeit.

So. Falls du regelmässig diesem Podcast zuhörst, fragst du dich jetzt vielleicht: Was schwafelt der jetzt überhaupt schon wieder vom «Museum der Zukunft». Ja, stimmt schon. Wir wollen ja auch kein Museum werden. Aber trotzdem haben wir eine Sammlung. Und wir bauen ein Haus, insbesondere für diese Sammlung. Und: Es wird halt langsam ernst bei uns. Und da stellt sich diese Frage nach dem Wirkungsfeld für unsere Sammlung nochmals, aber jetzt viel konkreter: Was für eine Institution braucht unsere Sammlung? Und welche Architektur?

Unsere Architekten Manuel Burkhardt und Lucas Michael haben uns mit ihrem Projektvorschlag überzeugt, weil sie gesagt haben, dass sie uns ein robustes Haus zum Brauchen bauen. Ein Haus, das Flexibilität erlaubt. Kein ikonischer Bau. Ein Bau im Zeichen der Nachhaltigkeit und Begegnung, des Prozesses. Wir reden intern viel davon, dass wir im Sammlungshaus und campo vielmehr in einen Betriebsmodus kommen müssen als aus einer institutionellen Setzung heraus zu operieren. Dazu passt das Haus, das wir bauen werden. Hoffen wir.

Und es soll im «Museum der Zukunft» ja auch nicht nur um Beziehungen und Begegnungen gehen, sondern ganz konkret und zentral um Teilhabe. Das haben auch Ella und Fabienne nach Abschluss ihrer Diplomarbeit ernst genommen. Sie wurden Mitglieder des Vereins des Kunsthauses:»

[Ella Esslinger:] «Ja, weil wir vor allem auch viel in Kontakt waren mit Bea Schlingelhoff, diese Künstlerin, die am Kunstverein München diese Arbeit gemacht hat, wo sie so eine Änderung in den Vereinsstatuten bewirkt hat.»

No river to cross» und fand:

[Ella Esslinger:] «Wie man sich halt … dass das jetzt so positionierungskritische Projekte, wo man aber nicht nur darauf zeigt und sagt, das ist blöd, sondern man versucht auch ein Teil davon zu werden oder diese Strukturen zu verstehen. Also jetzt muss man schon auch noch überlegen, ob wir weiterhin Mitglied sind und so. Weil es auch wahnsinnig viel Arbeit ist, dann so was voranzutreiben und so weiter.»

[Fabienne Girsberger:] «Und in dem Fall eher ...»

[Ella Esslinger:] «… Vereinsmitglieder auf die Seite ziehen muss …»

[Fabienne Girsberger:] «… was in dem Fall unbezahlte Marketingarbeit für das Kunsthaus ist.»

[Ella Esslinger:] «Und alle sagen: Das ist eine total tolle Idee und halt, ob wir nicht noch ein paar neue Mitglieder kennen.»

[Fabienne Girsberger:] «Es ist spannend am Kunsthaus, das ist als Verein aufgestellt, je nach Quelle um die 24’000 Mitglieder. Und dementsprechend auch so angelegt, dass die Mitglieder theoretisch über alles entscheiden könnten an der Generalversammlung. Also bis zur Auflösung des Vereins und zur Auflösung der Sammlung. Das fand ich einen verlockenden Gedanken, uns das zu Nutzen zu machen …»

[Alain Gloor:] «Wie Ella und Fabienne zu Beginn gesagt haben, trägt ihre Diplomarbeit den Titel «Bauen im Neubau». Was meinen sie damit?»

[Ella Esslinger:] «Die Arbeit hat quasi in dem Moment angesetzt, wo eine vermeintliche Fertigstellung da ist. Und wir haben uns dann dafür interessiert: Was passiert mit einem Gebäude eben nach dieser Zeit? Wie wird es aufgenommen vom Publikum? Aber auch: Das Gebäude hat eine über 20-jährige Planungsdauer gehabt und dass sich innerhalb dieser Zeit natürlich auch Ideen verändern und es Paradigmenwechsel gibt und wie man jetzt dann im Nachhinein mit sowas wieder umgeht. Eine starke Referenz war für uns Stewart Brand, der ein Buchprojekt gemacht hat, das heisst «How Buildings Learn. What Happens After They’re Built». Und in dem Sinne haben wir versucht, die Leistungsphasen, die so ein Bauprojekt beinhalten, von Konzeptskizze bis Baukostenplanung und Bau und dann Fertigstellung und Schlussabnahme … und dann gibt es normalerweise die Mängelüberprüfung, die sich natürlich nur auf technische und bauliche Mängel bezieht … Und ja, wir haben uns in der Phase bewegt, die es in dem Sinne wie nicht so gibt, die es aber vielleicht geben könnte vor allem für öffentliche Gebäude … wahnsinnig spannend und auch hilfreich ist, um davon zu lernen.»

[Fabienne Girsberger:] «Also so in dem Sinne eine zusätzliche Leistungsphase vorgeschlagen haben, die eben eine solche Evaluierung auch auf programmatischer Ebene beinhaltet nach Fertigstellung eines öffentlichen Gebäudes.»

[Alain Gloor:] «Wir gehen weiter. Eine grosse Treppe hinunter und an der Toilette vorbei.»

[Fabienne Girsberger:] «Wir sind jetzt im Tunnel, welcher den Neubau mit dem Altbau verbindet. Der wurde hauptsächlich aus Kostengründen erstellt, um Kunstwerke vom einen Gebäude ins andere zu transportieren, ohne die Strasse überqueren zu müssen. Dieses bankähnliche marmoreingefasste Element zu unserer Linken.»

[Alain Gloor:] «Wie lange ist das hier?»

[Fabienne Girsberger:] «80 Meter. Das ist die technische Lebensader, eine sehr schicke Kabelleiste, die die beiden Gebäude verbindet und ist auch Ausdruck dafür, was wir vorher kurz angesprochen haben, wie viel Technik sich hinter diesen glatten Oberflächen verbindet und wie hoch das auch priorisiert wird in den Museumsbauten.»

[Alain Gloor:] «Etwas später, mittlerweile sind wir auf der anderen Seite aufgetaucht und sitzen beim Kaffee, kommen wir nochmals auf dieses Thema zurück. Sie erzählen von einem Mitarbeiter damals in der Umsetzung des Architekturprojekts, den sie interviewt haben für ihre Diplomarbeit:»

[Ella Esslinger:] «Im Wettbewerbsprogramm fällt eben dieses «Museum des 21. Jahrhunderts». Und dann haben wir ihn gefragt, was er darunter versteht. Und dann hat er also gar nicht so erstaunlich so gesagt, ja, also für ihn sei jetzt das total das gute Beispiel dafür, wie diese ganzen technischen Anforderungen an das Gebäude in einem so archaischen Baukörper verschwinden können. Und dass das wie so, also dass das ist ja dieses «Museum des 21. Jahrhunderts», dass man das ja total ausblendet und das hinter diesen glatten Wänden eben verschwinden kann.»

[Fabienne Girsberger:] «Dass das Sicherheitskonzept absolut unsichtbar ist.»

[Ella Esslinger:] «Und wie wahnsinnig schwierig das war, das umzusetzen.»

[Alain Gloor:] «Im Hintergrund hörst du das Lied «Hell is Chrome» von Wilco, eine meiner Lieblingsbands. Jeff Tweedy singt:

“Come with me

You must go

So I went”

«Komm mit mir

Du musst gehen

Also bin ich gegangen“

“Where everything was clean

So precise and towering”

«Wo alles sauber war

So präzise und alles überragend»

“I was welcomed with open arms

I received so much help in every way”

«Ich wurde mit offenen Armen empfangen

Ich erhielt so viel Hilfe in jeglicher Hinsicht»

(Entschuldige, auf Deutsch klingt das schrecklich.)

“And I felt no fear

I felt no fear”

«Und ich habe keine Angst gespürt

Ich habe keine Angst gespürt»

Genau darum geht es in diesem Lied. Chrom oder Marmor: Was hinter der Oberfläche verschwindet, ist weg. Man muss sich nicht mehr darum sorgen. Aber es fragt sich natürlich auch, was denn genau hinter diesen Oberflächen verschwinden, verdeckt, unter Kontrolle gebracht werden muss? Vielleicht nicht nur die Kabel und die Alarmanlage?

Man muss keine Angst mehr haben. Alles ist in Ordnung und sauber. Man ist besänftigt. „The Tyranny of Convenience“ hat die New York Times vor ein paar Jahren einen Essay übertitelt. «Die Tyrannei der Bequemlichkeit» – oder vielleicht besser: «Die Tyrannei des Komforts». Die Welt ist schon streng genug, dann soll der Rest wenigstens komfortabel und bequem sein. Ich verlinke in den Shownotes. Da spüre ich einen starken Kontrast zu den Gesprächen bei uns in der Stiftung. Wir reden oft davon, dass die Sammlung bei uns auch eine Zumutung sein soll. Und um alle Leitungen wegzuzaubern, dafür haben wir sowieso kein Budget.

Aber, das muss schon noch gesagt sein, Ella und Fabienne haben auch mit Ann Demeester, der neuen Direktorin des Kunsthauses Zürich gesprochen:»

[Fabienne Girsberger:] «Im Gespräch mit der neuen Direktorin Ann Demeester hat sie auch die Ausstellungsräume ziemlich vehement verteidigt, sie meinte – bei aller Kritik des Gebäudes und all den Prozessen, wie es zustande gekommen ist – die Ausstellungsräume sind genial belichtet, sie sind grosszügig, sie sind unkompliziert.»

[Alain Gloor:] «Ich habe zu Beginn dieser Podcast-Folge davon gesprochen, dass mit Ella und Fabienne hier eine neue Generation von Architektinnen auf diesen Neubau schaut, in dem wir uns getroffen haben. Zum Abschluss unseres Gesprächs habe ich sie gefragt: «Wie versteht ihr eure Aufgabe als Architektinnen?»»

(Lachen. Lange Pause.)

[Fabienne Girsberger:] «Also schon so ziemlich brainwash, dass das Bauen so weit wie möglich zu unterlassen wäre …»

[Ella Esslinger:] «Ja, ich glaube, das ist schon noch krass, auch in der Zeit, in der wir angefangen haben zu studieren, Man macht nur Neubauten und gegen Ende des Studiums sind dann alle so: «Oh Gott, wir können gar nichts mehr neu bauen». Und gleichzeitlich ist es dann vorbei und alle sind so: «Doch, stimmt, wir müssen jetzt ins Architekturbüro. Und das ist das, was man ja auch handwerklich auf eine Art irgendwie gelernt ... Und wie man da vielleicht auch etwas findet, was zu einem passt.»

[Alain Gloor:] «Das wünsche ich den beiden von ganzem Herzen: Dass sie etwas finden, was zu ihnen passt. Wir sind in dieser Folge an vielen verschiedenen Schauplätzen vorbeigezogen. Was ich als Quintessenz mitnehme: Was wir nicht bauen dürfen, ist eine in Marmor oder Chrom eingefrorene Definition einer bestimmten Art und Weise, über Sammlungsinstitutionen zu denken. Unser Bau und unsere Institution müssen sich weiterentwickeln können. Nicht glatt, glänzend, abgeschlossen sollen sie sein. Sondern sich stetig verändernd. Sie sollen anschlussfähig sein für neue Ideen, neue Nutzungen, neue Menschen – ja, auch für neue Generationen von Architekt:innen.

Vielen Dank fürs Zuhören. Hast du Feedback oder Fragen? Schreib mir auf sammelstelle@skkg.ch oder schicke mir eine Sprachnachricht an: 077 456 07 41.

Bis bald! Falls du den Podcast auf deiner Plattform des Vertrauens noch nicht abonniert hast – dann mach das. So verpasst du auch bestimmt nicht, wenn’s weitergeht.

Mein herzlicher Dank geht an Ella Esslinger und Fabienne Girsberger und ans Podcast-Projektteam.

Und ein grosses Dankeschön natürlich auch dem SKKG-Team, der Podcastschmiede sowie Nico Feer für den Sound. Und, last but not least: danke, Bruno!»

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