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Irgendwo zwischen Theologie und Poesie
Episode 5724th January 2024 • Central Blog • Central Arts
00:00:00 00:05:26

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Shownotes

Über Gott reden. Für den Theologen Karl Barth einerseits ein Ding der Unmöglichkeit und andererseits eine Pflicht. Als Theologin stellt sich Hanna immer wieder in diese Spannung des Unsagbaren und des Sagbaren, des Geheimnisses Gottes und seiner Offenbarung. Dabei hebt sie beim Durchdenken immer wieder Erkenntnisschätze - kommt mit ihrem Verstand aber auch regelmäßig an Grenzen und entdeckt in der Kunst eine Möglichkeit, diesem Geheimnis auf einer weiteren Ebene des Menschseins nachzuspüren.

Zum Artikel: centralarts.net/blog/2024/01/24/theologie-und-poesie/

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Wir halten Ausschau nach dem Schönen, ergründen das Unergründliche und versuchen, das Staunen nicht zu verlernen. Alle zwei Wochen Gedanken zu Kunst und Glaube. Als Text und Audio.

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Transcripts

Speaker:

Gott zwinkert.

2

:

«Wir denken laut nach.

3

:

Über Gott, das Leben

und populäre Kunst.»

4

:

So die selbstgewählte Anforderung

5

:

für den Central Arts Blog,

6

:

die ich immer wieder gerne

zu erfüllen versuche.

7

:

Und die mich aber

auch wieder vor

8

:

eine Herausforderung stellt,

9

:

die der Theologe Karl Barth folgendermaßen zusammenfasst:

10

:

«Wir sollen als Theologen

von Gott reden.

11

:

Wir sind aber Menschen

12

:

und können als solche

nicht von Gott reden.

13

:

Wir sollen Beides,

14

:

unser Sollen und unser Nicht-Können, wissen

15

:

und eben damit

Gott die Ehre geben.»

16

:

Als Theologin bin ich in diese Spannung gestellt.

17

:

Es ist mein Job, über, von

und mit Gott zu sprechen.

18

:

Mit und über ihn nachzudenken – vom Griechischen θεολογία,

19

:

vom altgriechisch θεός,

Gott und λόγος,

20

:

Wort, Rede, Lehre –

die Rede von Gott.

21

:

Das wird von mir erwartet.

22

:

Und ich tue es gerne.

23

:

Bemühe mich in Gesprächen

24

:

und Vorträgen

um die richtigen Worte.

25

:

Jongliere in meinen

persönlichen Reflektionen

26

:

mit der passenden Ausdrucksweise.

27

:

Taste nach Formulierungen,

28

:

versuche, meine Ohren und mein Herz auf Gott zu richten.

29

:

Durchforste Texte

30

:

aus den letzten 2000 Jahren

31

:

Kirchengeschichte nach Worten,

32

:

die in mir etwas

zum Klingen bringen.

33

:

Forsche und systematisiere

meine Erkenntnisse

34

:

beim wissenschaftlichen Arbeiten.

35

:

Manchmal gelingt es mir

36

:

und doch komme ich dabei immer wieder an meine Grenzen.

37

:

Und das hat zwei, wenn nicht sogar noch mehr Gründe.

38

:

Aber diese zwei bewegen mich immer wieder.

39

:

Eine Begrenzung liegt darin, dass ich Mensch bin und Gott Gott ist.

40

:

Ich bin begrenzt

41

:

und versuche über den Grenzenlosen zu sprechen.

42

:

Ich bin in diese Zeit

und an diesen Ort gestellt

43

:

und stehe dabei dem Ewigen und Allgegenwärtigen gegenüber.

44

:

Und doch:

45

:

Ich versuche einem Geheimnis auf die Spur zu kommen,

46

:

von dem der Evangelist Johannes

47

:

im Prolog als «fleischgewordenes Wort Gottes» spricht.

48

:

Was mir durchaus

rätselhaft erscheint,

49

:

versuche ich so zu fassen:

50

:

Gott, der sich in einem Kind offenbart und so für mich

51

:

greifbar, für mich zu einer konkreten Person wird.

52

:

Jesus.

53

:

Und so stehe ich

in der Spannung

54

:

zwischen Offenbarung

und Geheimnis.

55

:

Zwischen dem,

56

:

was ich anhand von Gottes Geschichte mit den Menschen

57

:

der Bibel und Berichten über das Leben und Sterben von Jesus

58

:

über ihn sagen kann, und dem,

59

:

was ich nicht verstehe und

wo er mir verborgen bleibt.

60

:

Und wo ich ihn vielleicht auch gar nicht verstehen muss.

61

:

Sondern auch fühlen,

erahnen, genießen darf.

62

:

Und das bringt mich zu einer zweiten Begrenzung,

63

:

die das Nachdenken

über Gott mit sich bringt:

64

:

Es ist das Format selbst, das Denken als Weg zur Erkenntnis.

65

:

Der Protestantismus

hat aufgrund

66

:

seiner historischen Umgebung,

67

:

der Aufklärung, in der er sich entwickelt hat, eine Tendenz

68

:

zur Betonung des Verstandes

69

:

als zentrales Merkmal

des Menschen.

70

:

Um mit Kant zu sprechen:

«Ich denke, also bin ich.»

71

:

Was zur damaligen Zeit durchaus eine Errungenschaft war,

72

:

stellt auch eine einseitige

73

:

und verkürzte Betrachtungsweise des Menschen dar.

74

:

Denn der Mensch ist nicht nur,

was er denkt,

75

:

er ist nach frühchristlichem Verständnis Körper, Seele

76

:

und Geist.

77

:

Er tut, er empfindet,

er denkt.

78

:

Gerade das wichtigste Gebot,

79

:

das Doppelgebot der Liebe,

80

:

offenbart dieses Menschenverständnis,

81

:

bei dem all das auf komplexe

und umfangreiche Art

82

:

und Weise miteinander

verwoben ist

83

:

und sogar noch die zwischenmenschliche

84

:

Beziehungskomponente miteinschließt:

85

:

«Du sollst den Herrn,

deinen Gott, lieben

86

:

von ganzem Herzen,

mit deiner ganzen Seele,

87

:

mit aller deiner Kraft

88

:

und mit deinem ganzen Denken» (5. Mose 6,5)

89

:

und «deinen Nächsten wie dich selbst» (3. Mose 19,18).

90

:

Dieses Menschenverständnis weitet und beflügelt mich

91

:

und ich entdecke dadurch neue Wege, Gott zu begreifen.

92

:

Ein Weg ist die Kunst.

93

:

Die Musik. Die Poesie.

94

:

Weil sie mir hilft, zu formulieren und auszudrücken,

95

:

was meine systematisch-theologischen

96

:

Gedankenwege nicht können.

97

:

Weil sie nicht mein Denken ansprechen,

98

:

sondern mein Empfinden.

99

:

Oder wie Goethe

es formuliert:

100

:

«Die Kunst ist eine Vermittlerin

des Unaussprechlichen.»

101

:

In einem achtsam

gestalteten Kunstwerk,

102

:

in einer kunstvoll

komponierten Melodie

103

:

und in einem gut durchdachten und ansprechenden Design

104

:

begreife ich Gottes unsagbare Schönheit und Herrlichkeit mehr,

105

:

als es mir eine

wissenschaftliche Abhandlung

106

:

jemals vermitteln könnte.

107

:

Die systematische Theologin

und Poetin Xiaoli Yang

108

:

drückt es sehr charmant in einem ihrer Gedichte so aus:

109

:

«Theology systemizes

our thoughts

110

:

of the eternal mass

into categories

111

:

creates words of

paradox

112

:

and abstraction

and labels them

113

:

in the safe

box of our doctrines

114

:

we think

the epistemology of God

115

:

and God winks.»

116

:

Gott zwinkert.

117

:

Der Grenzenlose

lässt sich nicht begrenzen,

118

:

und begrenzt sich doch

selbst in einem Kind.

119

:

Er offenbart sich auf so viele unterschiedliche Arten,

120

:

die teilweise in ergänzender Spannung zueinander stehen.

121

:

Und so will ich

nicht aufhören

122

:

über, mit und von

Jesus zu sprechen,

123

:

über ihn nachzudenken

124

:

und Theologie zu treiben –

125

:

und dort, wo mir

die Worte fehlen

126

:

die Kunst für mich

sprechen lassen

127

:

und statt zum theologischen Fachbuch doch mal wieder

128

:

zum Gedichtband greifen.

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