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Glühwürmchen und Kometen: Wie entsteht der Wert einer Sammlung?
Episode 36th December 2022 • Wohin damit? • Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte (SKKG)
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Shownotes

Was ist der Wert eines Objekts? Einer Sammlung? Wie entsteht er? Wie vergeht er? Um diese Fragen geht es in der dritten Folge des neuen Podcast der SKKG. Gastgeber Alain Gloor spricht mit Olga Schreiner, Leiterin Restaurierung, mit Jasmin Eckhardt, Registrarin und mit Severin Rüegg, Leiter der Sammlung. Und was hat das alles mit Glühwürmchen und Kometen zu tun? Tune in and find out.

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Transcripts

PODCAST: Wohin damit? Unterwegs in die Zukunft des Kulturerbes

Glühwürmchen und Kometen (Folge 3)

[Jasmin Eckhardt:] «Viel. Verrückt. Magisch. Vielleicht nicht magisch … rätselhaft!»

[Olga Schreiner:] «Ungewöhnlich. Überraschend. Und faszinierend vielleicht. Irgendwie gehen meine Gedankengänge alle in diese Richtung, dass es etwas ist, was ich bisher noch nie so gesehen und erlebt habe. Egal in welchem Bereich.»

[Severin Rüegg:] «Unmittelbarkeit. Divers. Persönlich.»

[Alain Gloor:] Hallo zusammen – ich bin Alain Gloor, Projektleiter bei der Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte, kurz SKKG.

Ich habe Jasmin, Olga und Severin aus dem SKKG-Team gebeten, mir unsere Sammlung in drei Worten zu beschreiben.

Unsere Sammlung beinhaltet über 85’000 Objekte – alle gesammelt von einer Person. Unserem Stiftungsgründer Bruno Stefanini.

In diesem Podcast schaue ich aufs grosse Ganze rund ums Thema Kulturerbe, tauche aber auch immer mal wieder in Spezialthemen ein. Ich erzähle dir, woran wir dran sind bei der SKKG. Was uns gelungen ist. Woran wir gescheitert sind. Wohin es gehen soll.

Unsere Sammlung umfasst die verschiedensten Objekte und Objektgruppen. Wie und ob wir überhaupt die Sammlung vergrössern, das diskutieren wir zurzeit noch. Um das besser herauszufinden, machen wir einen Testlauf. Diesen Test macht Severin Rüegg. Er ist unser Sammlungsleiter. Er war vor kurzem in England.

[Severin Rüegg:] «Um mir eine private Sammlung anzusehen. Eine wohl einzigartige Sammlung in der Grösse und Form, aber auch in der Qualität.»

[Alain Gloor:] Es geht um die Sammlung einer bestimmten Objektgruppe. Um Objekte, von denen wir schon einige bei uns in der Sammlung haben – über 240, um präzise zu sein. Sie stammen aus allen Kontinenten, was super ist, aber echte «Juwelen» oder «Perlen», wie das Severin formuliert, sind eben nicht darunter.

Und die hat’s aber in der Sammlung in England. Könnte man nun diese beiden Sammlungen zusammenführen, dann hätten wir etwas echt Spezielles bei uns.

Ich darf leider noch nicht sagen, um welche Objektgruppe es geht. Wir wollen die Verhandlungen nicht unnötig torpedieren. Severin war also als Kaufmann für die SKKG unterwegs.

[Severin Rüegg:] «Ja, und ich habe natürlich versucht, eigentlich die kaufmännische Seite ein bisschen auf der Seite zu lassen und zu sagen: Für uns ist nicht … wir sind nicht das Gegenüber, wenn es um einen möglichst hohen Preis geht. Also wir haben einen Vorschlag gemacht, der nicht nur einen Einkaufspreis umfasst hat, sondern eigentlich primär ein Vorgehen über die nächsten zehn Jahre. Forschung, Zugänglichkeit, Leihverkehr, museale Praxis. Das ist unser Thema, das ist unser Angebot … Das liegt jetzt dort auf dem Tisch mit einem zusätzlichen Geldbetrag. Und jetzt ist eine Reaktion gefragt.»

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Der Testlauf wirft Fragen auf, die auch im Mittelpunkt dieser Folge stehen: Was ist der Wert eines Objekts? Einer Sammlung? Wie entsteht er? Wie vergeht er? Um auf Antworten auf diese Fragen zu kommen, habe ich mich in unserem Team umgehört.

[Alain Gloor:] «Viel. Verrückt. Rätselhaft.» «Ungewöhnlich. Überraschend. Faszinierend.» «Divers. Unmittelbar. Persönlich.» So hat das SKKG-Team unsere Sammlung beschrieben.

Wir haben sehr viele Objekte in der Sammlung, die einen direkten Bezug zu einem historischen Ereignis oder einer historischen Persönlichkeit haben. Einen Tisch, an dem John F. Kennedy einen Vertrag unterschrieben hat. Churchills letztes persönliches Fahrzeug. Sisis Turnschuhe. Napoleons Bett. Josephine Bakers Puderdose.

r jüngstes Objekt stammt aus:

Hängen geblieben ist mir etwas, das Severin gesagt hat: Neben grossartigen klassischen Kunstwerken gäbe es bei uns in der Sammlung genauso Trash, Kitsch, Punk. Das sei ein riesiges Potenzial. Da habe ich realisiert: Die Frage des Werts klebt eigentlich schon immer an unserer Sammlung.

Ist es vielleicht sogar die Frage, die unsere Sammlung im Innersten zusammenhält?

In den letzten anderthalb Jahren haben wir unsere gesamte Sammlung im Detail angeschaut. Zum ersten Mal wurden die rund 80'000 Objekte gereinigt, inventarisiert, fotografiert, verpackt. 10 Millionen Franken hat das gekostet. Ob es nun ein Gemälde von Ferdinand Hodler war oder ein verschimmelter Spielzeug-Lastwagen. Jedes einzelne Objekt wurde mit derselben Sorgfalt behandelt.

Olga Schreiner ist Leiterin des Bereichs Restaurierung:

[Olga Schreiner:] «Das hatte unter anderem was damit zu tun, dass wir die Problematik verschleppt haben zu einem externen Standort, wo wir gesagt haben, wir können eigentlich den Anbietern, die uns die Lagerflächen zur Verfügung stellen, nicht zumuten, dass wir dort lange am Reinigen sind. Es war klar, wir müssen das Ganze so stark wie möglich verkürzen in der Zeit, die nötig ist mit der Gründlichkeit, die nötig ist. Ich würde sagen, das ist der grösste Punkt, wo wir gesagt haben, wir gehen jetzt mal alle Objekte gleich schnell durch und vertiefen uns nicht bei einzelnen Objekten.»

[Alain Gloor:] Gut. Das verstehe ich. Wir haben das auch ausgewertet. Objekte ohne Asbest wurden im Schnitt etwas über 4 Minuten gereinigt. Objekte mit Asbest während 7.5 Minuten. Grosse Gemälde im Schnitt 9 Stunden, grosse Möbel 3 Stunden. Aber wenn wir jetzt alle Zeit der Welt gehabt hätten? Was hätten dann Kriterien sein können?

[Olga Schreiner:] «Ja, schwierige Frage. Das ist vielleicht auch der Grund, weil man noch keine Kriterien hat aufsetzen können; dass wir gesagt haben, wir behandeln alle Objekte gleich und schaffen uns später die Kriterien, um zu schauen, was machen wir eigentlich mit den Objekten hinterher? Eben weil die Frage so schwierig ist, wieso jetzt der eine Hodler so eine Sonderbehandlung bekommt, aber die Rasierklinge nicht, weil es ein industrielles Produkt ist?»

[Alain Gloor:] Auf mögliche Kriterien kommen wir später nochmals zu sprechen. Denn ein spannender Aspekt ist die persönliche Beziehung zu Objekten, wenn man mit ihnen arbeitet. So wie Olga, die das schon ihr Leben lang tut. Sie ist ausgebildete Gemälderestauratorin.

[Olga Schreiner:] «Ich habe schon recht früh gewusst, dass ich Restaurierung machen oder studieren möchte oder das werden will, also schon mit 16 und … also … vielleicht kann man das jetzt nach 20 Jahren, nachdem die Schule vorbei ist, mal auch zugeben: Ich war keine besonders gute Schülerin. Und dann überlegt man sich: Was kann man mit den Fähigkeiten, die man hat, eigentlich so in seinem Berufsleben anfangen? Und ich habe gemerkt: Das Handwerkliche liegt mir und ich habe mich schon immer für Kunst interessiert … Also ich hab nie was anderes gemacht. Seit 17 mache ich eigentlich Restaurierung oder habe damit zu tun und ich kann nichts anderes. Ich habe kein Plan B gehabt. Also der Plan A wurde verfolgt, mit allen Konsequenzen. Ich weiss nicht, wie oft ich in meinem Leben umgezogen bin deswegen.»

[Alain Gloor:] Restaurieren ist Olgas Leben.

[Olga Scheiner:] «Ja, total. Ja. Und ich glaube, es war einfach Glück. Ich würde sagen: Es war Glück, dass die Kombination auf mich zutraf und sie mir dann wirklich so Spass gemacht hat.»

[Alain Gloor:] An den Objekten – jetzt sind es die Objekte aus der Sammlung der SKKG – hängt ein Stück weit Olgas Leben. Also das verstehe ich. Dass so Wert entstehen kann. Aus einer persönlichen Geschichte.

In meinem Team ist auch Jasmin. Sie ist Registrarin.

Das heisst, sie ist so etwas wie die Drehscheibe zwischen unserem Restaurierungsteam, den Objekten aus unserer Sammlung – und den Leihnehmer:innen. Also den Museen, die uns anfragen, ob sie Objekte bei uns für ihre Ausstellungen ausleihen können. Zwischen diesen beiden Seiten vermittelt Jasmin.

In ihrer Kindheit war Jasmin oft am Frankfurter Flughafen, weil ihre Mutter Iranerin ist, in Teheran geboren. Am Flughafen hat Jasmin ganz viele Dinge kommen und gehen sehen, erzählt sie mir.

[Jasmin Eckhardt:] «Und diese Flugzeuge und die ganzen persischen Verwandten, iranischen Verwandten, die gekommen sind, ihre Koffer aufgemacht haben mit fremden Gerüchen und Dingen da drin, die ich noch nie gesehen habe. Und die … die für meine Mutter eine ganz grosse Bedeutung hatten, hat sich immer wieder gefreut, wenn die Koffer aufgingen und ich mich eigentlich auch, weil der Geruch irgendwie, ich weiss nicht, so was Unbekanntes, neugierig Machendes ausgestrahlt hat. Ich glaube, das hängt alles irgendwie damit zusammen, dass ich in dem Bereich gelandet bin, in dem die Dinge ausgetauscht werden und reisen um die Welt.»

[Alain Gloor:] Ich glaube, das können wir alle nachvollziehen: Dass der Wert von Objekten – wie jetzt bei Olga oder Jasmin – durch einen persönlichen Bezug entsteht. Man denke nur an sein Lieblingsspielzeug zurück.

[Olga Schreiner:] «Ich ertappe mich dabei, dass der Wert oft am Monetären festgehalten wird. Ich ertappe mich dabei, weil es, glaube ich, die einfachste Art und Weise ist, Wert zu definieren, auch im Alltag, um Entscheidungen zu treffen. Aber ich muss immer wieder auch in mich gehen und fragen, ob das der richtige Weg ist. Aber so im Alltäglichen würde ich sagen, es ist der monetäre Wert.

Und da fängt eigentlich auch schon der Gedanke an: Also was heisst das denn also? Ist es jetzt der Einkaufswert oder ist es jetzt der Versicherungswert? Da geht es ja auch schon los. Und der Einkaufswert war in den siebziger Jahren ein anderer als es der jetzt wahrscheinlich wäre. Es könnte jetzt billiger oder teurer geworden sein als damals. Oder ist es der Versicherungswert? Und wer bestimmt den? Wir machen einen Vorschlag und die Versicherungsmitarbeiterin ist der Meinung, der ist zu hoch oder zu niedrig eingeschätzt.

Oder ist es der Auktionsmarkt? Wir tippen das Objekt oder vor allem die Gemälde irgendwie in vergleichbare Portale ein, die uns dann ausspucken: Bei der letzten Auktion hat dieser Künstler mit

dieser Darstellung soundso viel gekostet. Orientieren wir uns jetzt da dran? Also es ist nicht ganz einfach.»

[Alain Gloor:] Mit Versicherungswerten hat vor allem Jasmin viel zu tun. Sie erklärt mir zum Beispiel, dass es nur schon bei Gemälden von Ferdinand Hodler grosse Unterschiede gäbe:

[Jasmin Eckhardt:] «Es ist einfach wirklich so … also der Markt macht halt einfach den Versicherungswert aus und es ist so, dass die Frauen und die Landschaften sich besser verkaufen als die martialischen oder als die Männer.»

[Alain Gloor:] Was ist denn wichtiger? Dass der Versicherungswert möglichst hoch sei? Damit vielleicht mehr Sorge zum Objekt getragen wird auswärts? Oder möglichst tief, damit sich Leihnemer:innen möglichst problemlos auch Objekte ausleihen können?

[Jasmin Eckhardt:] «Mit dem Versicherungswert? Den möchte ich eigentlich gerne möglichst vernünftig haben. Also man sagt ja, es ist der obere Handelswert der Versicherungswert, also dass man ein Objekt unter allen Umständen bei einer Auktion wieder ersteigern können muss. Das ist eigentlich der empfohlene Versicherungswert, der untere Handelswert wäre der Erbschaftswert. Ja, und ich glaube, ich tendiere zu etwas unterhalb vom oberen Handelswert.»

[Alain Gloor:] Aha. Da kommen wir der Sache näher. Und ich frage mich – ist das jetzt einfach eine politisch korrekte Antwort für diesen Podcast?

[Jasmin Eckhardt:] «Muss ich mit Severin besprechen.» (Lachen.)

[Alain Gloor:] Hmm … Muss ich das vielleicht von der ganz anderen Seite her betrachten? Oft bemerkt man ja den wahren Wert von Dingen (oder Menschen) erst, wenn sie nicht mehr da sind.

[Jasmin Eckhardt:] «Man fragt sich einfach auch: Kann ich dieses Objekt überhaupt wieder irgendwoher erstehen? Oder ist es so einmalig? Das ist ja oftmals so, dass Dinge total einmalig sind und ich kann sie nicht ... Ich kann sie nicht einfach nochmal kaufen, wenn sie kaputt gehen oder verloren gehen, sondern die sind dann eigentlich weg.»

[Alain Gloor:] Das Geld, das man erhalte, wenn ein Objekt zum Beispiel aus einer Ausstellung gestohlen werden würde, kann den Verlust des tatsächlichen Objekts nicht entschädigen. Unsere Objekte sind auch nicht vor allen Ereignissen sicher – versichert …

[Jasmin Eckhardt:] «Also dass zum Beispiel ein Komet einschlägt. Wobei, es ist gar nicht so unwahrscheinlich, wie ich letztens von Herrn Zurbuchen erfahren habe. Er kann nicht sagen, wann es passiert. Er kann auch nicht ausschliessen, dass es nicht passiert.»

[Alain Gloor:] «Zurbuchen isch wär?»

[Jasmin Eckhardt:] «Ah, der Thomas Zurbuchen. Der kommt aus Heiligenschwendi und ist der aktuelle Chef der NASA.»

[Alain Gloor:] Aha. (Lachen) Jasmin hat einen Podcast mit ihm gehört.

[Jasmin Eckhardt:] «Fünfeinhalb Stunden.»

[Alain Gloor:] Also, dass wir uns recht verstehen. Das hat sich Jasmin nicht im Rahmen ihres Jobs bei der SKKG angehört. Sie fand das einfach spannend. Man müsse auch nichts von Astrophysik verstehen, um Freude an diesem Podcast zu haben.

Ich habe dann nach dem Podcast gesucht und im knallharten Fact-Checking herausgefunden, dass Thomas Zurbuchen mittlerweile zurückgetreten ist. Einfach zur Info.

Du findest den Podcast in den Shownotes. Die sind im Beschrieb des Podcasts. Da, wo du Play gedrückt hast.

Zurück zum Thema: Man merkt erst, was etwas wirklich wert war, wenn es weg ist. Davon kann auch Olga ein Lied singen. Sie hatte gerade erst bei der SKKG angefangen. Und da war diese stark verschimmelte Grafik. Und die hat sie entsorgt – in Absprache mit Severin. Weil der Aufwand, die zu reinigen, unheimlich hoch gewesen wäre.

Das hätte viel Geld, viel Arbeitszeit gekostet. Und die Schimmelspuren hätte man sowieso nie mehr ganz wegbekommen.

Überhaupt kannst du Schimmel nur am Wachsen hindern, wenn du ein ganz bestimmtes Klima herstellst – und die Grafik in diesem Klima ruhen lässt. Heisst: Diese Grafik hätte kaum je mehr das Tageslicht gesehen.

[Olga Schreiner:] «Und als wir diese Grafik tatsächlich entsorgt haben, habe ich gemerkt, dass es kein unbedeutender Künstler gewesen ist. Ich habe die Qualität aufgrund des Zustandes nicht erkannt. Und habe es unglaublich bereut. Unglaublich. Das war … ich … Es gibt immer noch diesen Ordner, wo diese Grafik fotografiert worden ist. Das war so doll. Ich habe gedacht: Okay, zumindest wir machen ein Foto, dass wir wissen, wir hatten es und werden es nicht mehr haben. Und dieser Ordner existiert irgendwo in meinen Ablage-Untergründen. Und ich bin zuletzt darauf gestossen. Ich hatte mich noch nicht mal getraut, diesen Ordner aufzumachen, weil ich mir gedacht habe: Da habe ich echt einen Fehler begangen.»

[Alain Gloor:] Wobei sie sich auch da nicht ganz sicher sei, sagt sie. Was hätte es wirklich gebracht, die Grafik zu behalten? Auf jeden Fall sei es ihr eine Lehre gewesen.

Nächstes Mal würde sie sich mehr Zeit nehmen, um eine solche Entscheidung zu treffen. Was aber nicht heissen muss, dass es nicht trotzdem schmerzt. Auch gut abgewogene Entscheidungen können weh tun.

Objekte können für immer verloren gehen. Sie lassen sich versichern. Oder in Sicherheit bringen.

Die SKKG hat nun schon mehrmals Kisten in die Ukraine geschickt. Damit dort vor Ort Kulturerbe geschützt werden kann. Warum tun wir das eigentlich? Worum geht es da?

[Olga Schreiner:] «Das sind dann die … kulturelle Identität, die sonst zerstört werden könnte im Verlauf des Krieges. Erinnerungen, die verloren gehen könnten. Also das ist alles, diese Zusammenhänge, ist ja etwas erhalten, was nicht, wenn etwas, wenn etwas praktisch weg wäre, dann ist es sozusagen aus den Augen, aus dem Sinn. Und wenn es noch praktisch vorhanden ist, versucht man noch Bezüge zu dem herzustellen. Und wenn es durch Krieg zerstört werden könnte, kannst Du keine Bezüge mehr dazu schaffen.»

[Alain Gloor:] Das, was Olga hier anspricht, hat mich erinnert an etwas, das Juri Jaquemet gesagt hatte. Juri ist Sammlungskurator im Museum für Kommunikation. Wir haben ein externes Depot des MfK in Schwarzenburg besucht. Wir machen immer wieder Ausflüge an verschiedene interessante Orte, um unser eigenes Projekt besser zu verstehen. Ich muss dir ein anderes Mal mehr davon erzählen.

Anyway. Nun aber zu Juri:

[Juri Jaquemet:] «Dr Fernand Braudel, französische Historiker, bekannt als Gschichtstheoteriker, het in dütscher Kriegsgfangeschaft Zit gha, ines Büechli zschriebe. Dört het er gespottet über die bishärigi Gschichtsschreibung: Nämlich die, wo sich uf grossi Männer und uf Date konzentriert und het das verglicht mit Glüehwürmli.»

Geschichtstheoretiker, hat um:

Man konzentriere sich nur auf die grossen Männer und wichtige Daten. Das seien aber nur Glühwürmchen. Die leuchten in der Finsternis, geben aber nur punktuell Licht. Das Gesamtbild sehe man nicht in der Nacht.

[Juri Jaquemet:] «Und für mi, muessi würklech sääge, si die Objekt … mir chöme ou immer Glüehwürmli i Sinn …»

[Alain Gloor:] Und wenn Juri im Depot steht und die vielen Objekte sieht, dann sieht er – seitdem er das gelesen hat – Glühwürmchen. Die Objekte sind seine Glühwürmchen. Und man könne nicht den Anspruch haben, mit diesen die Nacht zu erhellen. Aber etwas Licht geben sie eben schon. Das habe etwas Tröstendes für ihn. Er sei Glühwürmchensammler. Mehr leisten könne er nicht. Aber er könne zu diesen Glühwürmchen Sorge tragen und gut zu ihnen schauen.

Ja, warum eigentlich? Weil Objekte auch immer eine Geschichte haben. Dank derer wir uns und unsere Zeit besser verstehen können. Dank derer wir Bezüge herstellen können, wie das Olga gesagt hat.

Hier sehe ich einen grossen Wert von Objekten. Aber es ist wohl einer, der sich immer wieder neu herstellen, sich immer wieder neu und anders unter Beweis stellen muss. Wenn ein Objekt keine neuen Bezüge mehr zulässt, wird es kalt. Es verliert an Wert.

Glühwürmchen und Kometen. Es ist Zeit, wieder auf der Erde zu landen – bevor mir noch ein Komet zuvorkommt. Also, zurück ins Konkrete.

Das heisst für mich auch: Zurück zur SKKG. Vielleicht erinnerst du dich: Wir wollen im campo unsere Sammlung auf neuartige Weise in Wert setzen und haben uns dafür drei verschiedene Ansätze ausgedacht: «Re-set», «Re-use» und «Re-play».

Wenn du zu campo und zu diesen drei Ansätzen mehr erfahren willst, musst du in die zweite Folge hineinhören.

Im Zusammenhang mit diesen drei Ansätzen sind wir am Nachdenken und Diskutieren: Was passiert, wenn wir ein Objekt aus der Sammlung z.B. in ein «Re-use», in eine tatsächliche Verwendung, zurückführen? Z.B., wenn wir Geschirr aus dem Palast der Republik in der DDR wieder als Geschirr in unserem geplanten Bistro einsetzen?

Und wozu machen wir das? Das habe ich Severin gefragt. Du hast ihn zu Beginn schon kennengelernt.

[Severin Rüegg]: «Ja, wir werden die Frage der unendlichen Lebensdauer abwägen müssen mit der Frage einer potenziellen Wirkung in der Gegenwart. Und ja, es ist ja fast eine Form von magischem Denken. Man schliesst Objekte ein und durch das werden sie bis am letzten Tag aufbewahrt. Das ist ja eine magische Vorstellung, dass all diese Werte, dass alle diese Konvention, diese gesellschaftlichen Vorstellungen über die Jahrhunderte gleichbleiben, und die Leute sich freuen werden und diese Bunkertüren aufstossen und sagen: «Ah, da hat sich jemand an diese Vorgaben gehalten und dank ihnen können wir das nun betrachten. Ich glaube, dort ist die Herausforderung: Dass wir in dieser Vorstellung dieser Arche Noah nicht eigentlich die Gegenwart verlieren.»

[Alain Gloor:] Ich bin in dieser Folge mehr oder weniger planlos meiner Nase nachgegangen. Ich hoffe, du hattest nicht das Gefühl, dass ich mich in deiner Gegenwart verloren habe.

Wenn ich nun zurückschaue, schält sich für mich heraus: Ein Objekt kann einen Wert haben, weil es ein «Juwel» oder eine «Perle» ist, wie das Severin formuliert hat. Zum Beispiel das letzte oder erste seiner Art. Ein Objekt kann einen Wert haben, weil ich einen persönlichen Bezug dazu habe. Weil es zu einem bestimmten Preis gehandelt wird. Ein Objekt kann aber auch einen – nennen wir es mal – gesellschaftlichen Wert haben. Und natürlich kann ein Objekt alle diese Werte zugleich in sich vereinen.

Was für Werte kann ein Objekt noch haben? Oder willst du mir von einem Objekt erzählen, das für dich einen ganz besonderen Wert hat? Ich sammle und forsche weiter. Bitte schick mir deine Geschichte, deine Einschätzung an: sammelstelle@skkg.ch

Diese Mail-Adresse findest du auch in den Shownotes. Weil für mich und uns als SKKG ist die Suche nach dem Wert von Objekten mit dieser Folge natürlich lange nicht abgeschlossen. Sie beschäftigt uns weiter und tagtäglich.

Das war’s! Danke dir fürs Zuhören. Es würde mich sehr freuen, drückst Du auch nächstes Mal wieder auf Play, wenn es heisst: «Wohin damit? Unterwegs in die Zukunft des Kulturerbes»!

Mein herzlicher Dank geht ans Podcast-Projektteam mit Christine Müller, Rahel Stauffiger und Laura Walde für die tatkräftige Unterstützung im Hintergrund.

Danke auch dem ganzen SKKG-Team, dieses Mal besonders Jasmin Eckhardt, Olga Schreiner und Severin Rüegg sowie der Podcastschmiede und Nico Feer für den Sound. Und, last but not least: danke, Bruno!

Hast du noch einen Moment Zeit? Ich bin dann mit Olga tatsächlich noch in den Ordner. Wo sie das Bild von der verschimmelten Grafik gespeichert hat …

[Alain Gloor:] «Also mir luege jetzt in dä Ordner ine, wo du di läng nüm getraut hesch, z öffne?»

[Olga Schreiner:] «Oh Gott, ja… also um den … wirklich um den, um den trauere ich am allermeisten …»

[Alain Gloor:] «Und do hesch es paar mol schlächt gschlofe?»

[Olga Schreiner:] «Uii … also das Schwarze, das ist alles Schimmel. …»

[Olga Schreiner:] «Und das ist der Künstler … So wird der geschrieben. Weisst du, wie das ausgesprochen wird?»

[Alain Gloor:] «Bielé vilicht?»

[Olga Schreiner:] «Und du siehst, von ihm haben wir über achtzig Werke bei uns.» [Alain Gloor:] «Guet, eins weniger …»

[Olga Schreiner:] «Ja, aber ein sehr schönes … von dem, was man noch gesehen hat.» [Alain Gloor:] «Das ist auch nicht mehr in der Datenbank, nehme ich an.

[Olga Schreiner:] «Ah doch, da. War.»

.:

[Alain Gloor:] OLSC – das ist Olgas Kürzel. Olga Schreiner. Aber du merkst, sie kann heute darum lachen. Sie schläft auch wieder gut. Hey, das war’s jetzt aber. Bis zum nächsten Mal, ich freu mich!

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