D wie Digitalisierung, das Kapitel für Fortgeschrittene. Isabell Welpe ist zu Gast, Professorin an der TU München und Expertin für Strategie und Organisation. Sie betont, dass digitale Prozesse Unternehmen attraktiver machen. Sie ermögliche Beteiligung, Interaktion und zeigen die Kultur. Damit löst Digitalisierung noch ein ganz anderes Problem: Es gibt doch gar keinen Fachkräftemangel. Es gibt nur Unternehmen, wo niemand mehr arbeiten will.
Isabell sieht die Digitalisierung in einem größerem Kontext. Sie sagt: Unternehmen haben sich immer schon verändert - und zwar immer in Antwort auf neue Technologien. Wollen wir herausfinden, ob eine neue Technologie uns zum Wandel zwingt, ist dies die Testfrage: Wird es einfacher für uns, mit Menschen Verträge zu schließen? Wenn ja, dann müssen wir über unsere Organisation und Strukturen nachdenken. Auf HR bezogen: Wenn es einfacher wird, Menschen zu identifizieren, mit denen wir arbeiten wollen, dann ran! Daher sind Web3 und Smart Contracts ebenso wie KI zweifelsfrei Technologien, die eine weitere Welle der Transformation auslösen werden. Ganz schlicht: Es sinken die Aufwände in Zeit und Energie.
In welchem Feld wird sich diese Welle der Digitalisierung am stärksten in Unternehmen auswirken? Isabell ist ganz klar: Selection beats Treatment. Der Schlüssel für die wirklich großen Effekte liegt im Recruiting, sowohl bei der erstmaligen Einstellung neuer Mitarbeiter:innen als auch bei der Frage, wer wann für welche Aufgabe eingesetzt wird. Auswahlentscheidungen haben mit großem Abstand den größten Effekt. Die Identifikation von Lernschritten kommt weit danach. Wenn ich Menschen ins Unternehmen hole und sie an Aufgaben setze, obwohl die fachliche, kulturelle und persönliche Passung nur bei gut 50% liegt, werde ich viel Geld und Zeit für Schulungen, Anreize und Sanktionen aufwenden müssen, um die Defizite auszugleichen. Wer direkt Passungen von 80%, 90% oder mehr erreicht, hat ganz andere Transaktionskosten, nämlich niedrigere.
Werden wir erleben, dass unser eigener Bot die lästigen Gehaltsverhandlungen direkt mit dem Bot des Unternehmens führt? Jedenfalls werden wir unsere Qualifikationen und auch Daten zu unserer Persönlichkeit in der Blockchain hinterlegen - und auf dieser Basis Arbeitsangebote bekommen, die einfach passen. Ohne einen quälenden, oft Monate dauernden Prozess. Auch das ist, für beide Seiten, wieder fern von den Transaktionskosten, die wir im Recruiting lange für unausweichlich gehalten haben. Bis einer kam…
Zu Gast: Prof. Dr. Isabell Welpe lehrt Strategie und Organisation an der TU München.