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Reinhold Beckmann: «Meine Mutter hat über den Krieg gesprochen»
Episode 2426th April 2024 • Laut + Leis • kath.ch
00:00:00 00:33:46

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Shownotes

Der bekannte deutsche Fernsehjournalist und Musiker Reinhold Beckmann hat mit seinem neuen Buch «Aenne und ihre Brüder» einen Bestseller geschrieben. Darin erzählt er die Geschichte seiner Mutter und deren vier Brüder, die alle im Zweiten Weltkrieg gefallen sind. Zurzeit ist er auf Lesereise und füllt grosse Säle auch in kleinen Städten.

Themen dieser Folge:

  • Wie ist die «leidenschaftliche Katholikin» Aenne mit dem Verlust ihrer Familie umgegangen?
  • Wie hat Reinhold Beckmann die Geschichten seiner vier Onkel recherchiert und rekonstruiert?
  • Was hat Aenne ihren drei Söhnen mitgegeben?
  • Welche Rolle spielten die Kirchen im Zweiten Weltkrieg?
  • Weshalb hat das Buch mit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs eine ungeahnte Aktualität erhalten?
  • Wie hat das Schreiben des Buches den Autor verändert?
  • Vor dem Buch hat Beckmann das Lied «Vier Brüder» geschrieben
  • Das Buch von Reinhold Beckmann heisst «Aenne und ihre vier Brüder. Die Geschichte meiner Mutter», Propyläen-Verlag, 352 Seiten

Transcripts

Reinhold Beckmann [:

Sie hat die Tatsache, dass sie keine Schulbildung, keine Berufsbildung hatte, irgendwie auf ihre Art und Weise mit dieser Herzensbildung ausgeglichen. Und das ist schön, dass sie so ihr Leben selber in die Hand genommen hat. Und das andere ist, dass sie natürlich uns mit dieser Haltung auch ein Beispiel gegeben hat, dass auch wenn das Leben einem manchmal richtig was zumutet an harten Verlusten, dass man durchaus weitergehen kann auf eine gute Art und Weise und dass man die, die nicht mehr da sind, wertschätzen soll. Aber das Leben muss weiter gut gelebt werden. Das ist das, was sie vorgelebt hat. Und sie ist 98 Jahre geworden und war hatte auch so eine herrliche Bescheidenheit. Immer wenn ich nach Hause kam und gefragt habe Mutter, wie geht's dir? Och Reinhold, ich bin zufrieden. Wer sagt das heute noch, dieses Wort? Ich bin zufrieden, in dem ja das Wort Frieden drin steckt in dieser Formulierung.

Sandra Leis [:

Das sagt Reinhold Beckmann, der bekannte deutsche Fernsehmoderator, Musiker und Autor. Sein jüngstes Buch heißt «Aenne und ihre Brüder». Darin erzählt er die Geschichte seiner Mutter und deren vier Brüder, die alle im Zweiten Weltkrieg gefallen sind. Zurzeit ist Beckmann mit seinem Buch auf Lesereise und füllt große Säle auch in kleinen Städten. Ich bin Sandra Lais und treffe Reinhold Beckmann in der Nähe von Offenburg in Achern im Hotel vor der nächsten Lesung. Reinhold Beckmann, herzlich willkommen zum Gespräch im Podcast «Laut + Leis».

Reinhold Beckmann [:

Ja, vielen Dank für die Einladung und für die Einladung in diesen schicken Konferenzraum mit Neonlicht in Achern.

Sandra Leis [:

Ja, genau, es ist ein spezielles Ambiente. Es geht um Ihr Buch. Das stand mehrere Wochen lang auf der Spiegel-Bestsellerliste und ist bereits in der achten Auflage erhältlich. Was glauben Sie, was fasziniert die Leserinnen und Leser am meisten an diesem Buch?

Reinhold Beckmann [:

Vielleicht ist es ja ganz okay geschrieben, dass sie sagen: Das kann man lesen Nein, es ist natürlich die Geschichte meiner Mutter, die beispielhaft für viele Verlustgeschichten steht. Alle vier Brüder sind nicht nach Hause gekommen Franz, Hans, Alfons und Willi und das Schicksal zuvor. Also ihre Mutter ist im Wochenbett gestorben, Der Vater, als sie vier Jahre alt war, an den Folgen des Ersten Weltkriegs. Verlust und so viel ungelebtes Leben bei uns in der Familie, das hat natürlich auch uns alle und mich inklusive mitgeprägt. Bei uns war das immer zu Hause Thema. Und dass die Menschen das jetzt so nachempfinden, dass diese Resonanz so groß ist, damit habe ich offen gestanden nicht gerechnet. Ja.

Sandra Leis [:

Ihre Mutter kam 1921 zur Welt, wurde 98 Jahre alt, ist 2019 gestorben und kurz vor ihrem Tod, das schreiben Sie im Buch, hat sie Ihnen den Schuhkarton mit den Feldpostbriefen der Brüder übergeben und Ihnen gesagt: Mach was draus. Sind Sie da erschrocken? Und was haben Sie gedacht, als Sie diesen Schuhkarton plötzlich vor sich hatten?

Reinhold Beckmann [:

Nein, keineswegs. Ich kannte den Schuhkarton. Ich habe da schon öfter drin geschnüffelt. Das stand bei uns auf dem Klavier Adidas, Brasilia. Da waren früher die Fußballschuhe meines Bruders drin. Der durfte schon mit Stollen-Schuhen, Fußball spielen, ich noch mit Gumminoppen. Wir haben da immer rein geschnüffelt, konnten es nicht lesen, weil es in Sütterlin geschrieben war. Wir wussten nur: meine Onkel haben das Blatt, das den Briefbogen immer komplett ausgenutzt, um in jeder Lücke noch eine Nachricht irgendwie aufzuschreiben, unterzubringen. Also von daher war ich nicht überrascht. Ich hatte eher darauf spekuliert. Ich sagte Mutter, irgendwann will ich die Kiste haben und von daher war das konsequent, dass sie kurz vor ihrem Tod mir sagte: Komm, mach was draus. Es sind circa 100 Feldpostbriefe, die netterweise der Volksbund für mich dechiffriert hat.

Sandra Leis [:

Reinhold Beckmann [:

Ja, ja, genau. Und das ist die Grundlage des Buches. Aber natürlich auch eine lange, lange Recherche. Ich war monatelang im Dorf unterwegs, habe Historiker getroffen, lokale Historiker, viele ältere Personen gesprochen, war in verschiedenen Bibliotheken. Um Material mir zu besorgen, haben mir die Feldberichte zusätzlich irgendwo ergattert, um zu wissen, was mit meinen Onkeln denn entsprechend auch passiert ist. Weil sie dürfen keine Ortsangaben formulieren. Sie schreiben immer im Feld, im Krieg. Ich weiß nicht genau, wo sie sind, aber das habe ich durch die Feldberichte rausgekriegt und konnte so immer die Briefe dann auch zuordnen.

Sandra Leis [:

Es war Ihnen wahrscheinlich nicht von Anfang an klar, dass Sie ein Buch schreiben wollen. Zuerst haben Sie ein Lied komponiert. Das Lied heißt «Vier Brüder», und das konnten Sie auch im Deutschen Bundestag vortragen. Wie sind Sie dazu gekommen, nachher aus diesen Briefen und Ihren Recherchen ein Buch zu machen?

Reinhold Beckmann [:

Ja, Ausgangspunkt war tatsächlich dieser Song «Vier Brüder». Nach dem Auftritt im Bundestag kamen ein paar Buchverlage und hatten die Idee

Sandra Leis [:

Reinhold Beckmann [:

Schreib sein Buch. Mach was draus. Sie haben mich ein bisschen auf dem richtigen Fuß gar nicht mal so auf den falschen auf dem falschen Fuß erwischt, sondern ich wollte dieses Buch eigentlich immer schreiben. Mir war nur klar: Das ist kein Buch, das man mal nebenher schreibt an vier, fünf Wochenenden. Das verlangt den kompletten Rückzug, das verlangt die komplette Hingabe. Und das war dann der Anlass. Dann konnte ich nicht mehr kneifen. Ich konnte mich nicht mehr verstecken. Ich habe dann mein Leben verändert, habe dann bei mir in der Firma, einer Filmproduktion gesagt: Ich bin jetzt weg, ich will dieses Buch schreiben, ich bin maximal einen Tag in der Woche da, aber ansonsten werdet ihr mich nicht sehen. Ich werde mich ganz dieser Aufgabe widmen. Das habe ich dann gemacht und habe auch gleich gespürt, wie komplex das ist. Also man muss nicht glauben, dass so ein Buch schreiben gleich am ersten Tag gelingt, sondern ich habe lange nach dem Stil gesucht. Schreibe ich es perfekt, schreibe ich es in der gegenwärtigen Sprache. Und es hat gedauert. Aber irgendwann hatte ich den Fluss raus und wusste auch, wie ich die Geschichten dann miteinander verwebe. Also das Historische, das Geschichtliche, aber auch die Entwicklung und Begleitung der katholischen Kirche. Wie kann es sein, dass in diesem kleinen Dorf am Rande des Teutoburger Waldes Menschen, die immer der Zentrumspartei ihre Stimme gegeben haben, plötzlich dann doch der NSDAP ihr Kreuz geben? Also das wollte ich rauskriegen, Das war für mich wichtig neben der Handlung, was mit meiner Mutter passiert und wie sie den Kontakt gehalten hat während des Krieges zu ihren vier Brüdern.

Sandra Leis [:

Auf dem Cover gibt es ein Bild, eine Collage, bei der alle vier Brüder drauf sind. Sie beschreiben das im Buch, dass die Mutter diese vier Einzelporträts dann zusammen collagiert hat.

Reinhold Beckmann [:

Sie hat sie wiedervereint.

Sandra Leis [:

Genau. Und was mich verblüfft hat, Sie schreiben auch, dass Sie in Ihrem Elternhaus dann diese Fotos, diese Collage in verschiedenen Zimmern aufgehängt wurden. War das als Kind nicht ein bisschen befremdlich, immer wieder das gleiche Bild zu sehen?

Reinhold Beckmann [:

Ja, aber es hatte beides. Also als kleiner Bengel war das eher so ein bisschen bedrängend, würde ich beschreiben. Aber später war das ganz schön zu wissen. Aha, das sind meine vier Onkel. Sie sind zwar nie gekommen, aber irgendwie sind sie doch da. Und zu Weihnachten hat meine Mutter dann immer auch erzählt. Das war so das Fest, wo die vier Onkel Franz, Hans, Alfons und Willi immer präsent waren. Die saßen gefühlt immer mit am Tisch. Und von daher bin ich meiner Mutter sehr dankbar, dass sie das so aufrechterhalten hat.

Sandra Leis [:

Einer ist doch auch an Weihnachten gefallen. Heisst das nicht auch, dass die Mutter dann mit ihrem Schicksal vielleicht auch mal gehadert hat?

Reinhold Beckmann [:

Sie konnte fluchen, sie konnte schwer ins Gericht gehen mit ihrem Herrgott, dem sie ansonsten vertraute. Also das war dann auch so ein bisschen der Gegensatz. Also meine Mutter war fähig zur Kritik, meine Mutter war fähig zum Schimpfen, auch zum Fluchen manchmal. Es hat ihr wohl gutgetan. Es flossen auch einige Tränen. Gerade Weihnachten immer. Das war so der Tag, wo alles perfekt sein sollte. Aber es ist dann nie perfekt. Und die Präsenz, die Rückbesinnung der Vier oder auf die Vier, das war immer da. Es hat aber komischerweise nie was an ihrem ganz grundlegenden Vertrauensverhältnis zu ihrem Herrgott geändert. Das war gegeben.

Sandra Leis [:

Wie erklären Sie sich das?

Reinhold Beckmann [:

Wenn ich das wüsste, wie ich das erklären könnte. Wir leben ja heute in einer Zeit, wo wir, was das Spirituelle betrifft, alle ein bisschen obdachlos durchs Leben laufen. Das hatte meine Mutter nicht. Meine Mutter hatte so ein Grundvertrauen in sich. Sie war ganz klar auch in den Wochen vor ihrem Tod, weil sie wusste, es wird nicht mehr lange dauern. Sie war sich ganz sicher, dass sie sich in sichere Hände begeben kann, dass sie sich in den Schoss des Herrn legen kann und alles wird gut danach.

Sandra Leis [:

Sie schreiben, sie sei eine leidenschaftliche Katholikin gewesen, und gleichzeitig habe sie aber dem lieben Gott nie verzeihen können, dass er ihr die vier Brüder genommen hat. Wie ist sie denn mit diesem Nicht-verzeihen-Können umgegangen, und wie haben Sie das erlebt?

Reinhold Beckmann [:

Ja, es gab dann schon mal traurige Momente. Auch das Hadern hatte auch ein paar melancholische Seiten. So ist es nicht, weil die eigene Familie so verloren zu haben, ist schwer. Und dann dieser Entschluss: Ich muss mein eigenes Leben aufbauen, Ich muss mir selber vertrauen. Das ist das, was sie ausgezeichnet hat. Ich glaube, viele Menschen wären daran zerbrochen. Das ist meine Mutter nicht, sondern sie hat sich 1946, ein Jahr nach dem Krieg, aufgemacht, nach Ende des Krieges, und gesagt: Ich muss jetzt diesen Ort verlassen, ich muss woanders mein Glück finden. Versuchen, mir selber ein Leben zu bauen, eine Familie zu gründen. Aber sie hat die Erinnerung erhalten. Und jetzt, beim Schreiben des Buches, ist mir klar geworden, dass das eine große Gabe war. Zumindest aus der Erinnerung, aus der Rückbesinnung heraus. Diese Familie, die sie verloren hat, Brüder und Eltern doch irgendwie gegenwärtig zu halten für sich und uns damit auch ein Bild zu geben. Wir wussten als Kinder immer so ungefähr auch, wie Mutter wohl gewesen sein mag und der Vater und die Schusterwerkstatt und die vier Brüder. Jetzt, beim Schreiben des Buches ist mir natürlich alles viel, viel nähergekommen. Ich kann jetzt meine vier Onkel differenzierter sehen. Ich weiß, dass Franz eigentlich ein absoluter Verweigerer des Krieges war, dass Hans als Unteroffizier, der sich zwölf Jahre verpflichtet hatte, vor dem Krieg aber keinen Zweifel aufkommen lassen wollte, dass Alfons ein spielerischer Junge war, der 20 Jahre alt war, als der Krieg begann. Und für den war Krieg zunächst Abenteuerspielplatz. Er konnte den Führerschein machen, durfte das Auto seines Truppenführers lenken und fahren und dachte auch: Das ist doch ganz schön. Ja, ich sehe was von der Welt und alles verändert sich. An dem Tag, wo die drei Älteren dann nach Russland müssen, da verändert sich auch die Tonart der Briefe.

Sandra Leis [:

Das beschreiben Sie sehr, sehr genau. Zum einen haben Sie alle diese Briefe studiert, zum anderen die Gespräche mit Ihrer Mutter aufgenommen. Und ganz wichtig: Sie haben ja, wie Sie es vorhin gesagt haben, auch sehr, sehr viel recherchiert vor Ort, in Bibliotheken usw. Im Buch schildern Sie auch, wie die römisch-katholische Kirche und auch die evangelische Kirche, wie die sich verhalten haben. Was sind die wichtigsten Erkenntnisse diesbezüglich?

Reinhold Beckmann [:

Für mich waren es ja neue Erkenntnisse. Ich wusste, dass die evangelische Kirche sich frühzeitig in den Schoss der Nazis gelegt hatte und wenig Bedenken und Kritik an den Tag legte. Und mir ist jetzt noch mal klar geworden bei der Beschäftigung mit dieser kleinen Gemeinde da am Rande des Teutoburger Waldes.

Sandra Leis [:

Wellingholzhausen heisst das Dorf.

Reinhold Beckmann [:

Ja, es steht beispielhaft für viele kleine Gemeinden. Man sieht, wie der Nationalsozialismus es gemacht hat. In Melle und in Osnabrück, den nahe gelegenen größeren Städten, hatte die NSDAP schon längst die Mehrheit, aber die Bevölkerung, die katholische, die tiefgläubige Bevölkerung von Wellingholzhausen machte immer noch ihr Kreuzchen bei der Zentrumspartei, bei der Christlichen Partei. Die hatten mit dem Nationalsozialismus nichts am Hut. Im Gegenteil, sie wussten ganz genau, wenn die sich hier breitmachen, dann wird das unser gläubiges Leben verändern. Und man muss bedenken, es waren tiefgläubige Menschen. Sie sind zu Wallfahrten gepilgert. Die Kirche war immer voll am Wochenende. So, und dann hat sich die SA in ihrer braunen Uniform durch die Kneipen geprügelt und hat die Wahlplakate der anderen Parteien überklebt und Konflikte geschürt. Und irgendwann ist dann der Schuldirektor ausgetauscht worden. Und der hat dafür gesorgt, dass Dinge sich ändern und hat die die klassische Volkssturm-Generation dann propagandistisch betreut. Das hat dann natürlich das ganze Lebensbild, das ganze Gesellschaftsbild, das kirchliche Leben unter diesem Druck verändert. Auch der Pastor Berning hieß wird des Öfteren nach Osnabrück zitiert, muss Strafgelder bezahlen, weil er aus Sicht der Nazis nicht das gemacht hat, was richtig war.

Sandra Leis [:

Ja, aber das würde ja letztlich heißen, sie sind Opfer des Nationalsozialismus geworden. Würden Sie das so sagen? Nein, eigentlich nicht. So schreiben Sie es ja auch nicht.

Reinhold Beckmann [:

Nein, das ist es ja. Die Enttäuschung ist ja, dass die katholische Kirche sich nicht gewehrt hat. Sie hatte die Chancen, denn es ist eine so heterogene Situation gewesen in diesem Dorf. Also alle wollten das nicht und noch mal, das steht beispielhaft für viele kleine andere Orte. Und die Chance wäre gewesen für die katholische Kirche zu widerstehen. Und sie hat sich von Hitler verführen lassen, an der Nase herumführen lassen und einige Bischöfe hier beispielhaft in diesem Buch. Der Bischof Berning aus Osnabrück hat sich verführen lassen, indem man ihm ja Machtposition angeboten hat. Und das ist etwas, was Hitler und das Team drumherum wohl ganz geschickt betrieben hat. Aber die katholische Kirche, besonders dann auch in Rom, hätte wehrhafter sein müssen. Das war die große Chance. Klar, es gab einen gemeinsamen Klassenfeind. Sie ist man ja. Wir müssen den Bolschewismus bekämpfen und all das.

Sandra Leis [:

Das war, glaube ich, ein ganz wichtiges Moment.

Reinhold Beckmann [:

Ja, klar. Das war der Punkt, auf den man sich schnell einigen konnte. Aber man musste doch sehen, wie schnell also auch Nazideutschland dafür gesorgt hat, dass kirchliche Strukturen einfach zerstört wurden, Gemeinschaftsstrukturen wurden, die so fest waren, die so gewachsen waren, wurden einfach zerstört. Und dann dazu noch einige Ermordung, die die katholische Kirche hätte kritisch aufhorchen lassen müssen. Aber sie wollte gefallen.

Sandra Leis [:

Die Frage kommt ja auch immer wieder Wann haben Menschen in Deutschland damals etwas erfahren, etwas gewusst, was die Nazis eigentlich machen? Und sie beschreiben eigentlich auch ihre Mutter als junges Mädchen, wie sie in ihrem eigenen Elternhaus wenig vernimmt. Ihre Eltern, ihre Stiefeltern, die hatten eine Schusterei. Aber Aenne war mal in Stellung bei dem Dorfarzt. Und da schreiben sie, da habe sie dann viel mehr erfahren, weil diese Menschen dann auch andere Radiosender usw. gehört haben. Hat sie Ihnen da mal was erzählt? Wann hat sie zum ersten Mal etwas realisiert? Hat sie auch als ganz junge Frau gewusst, was da wirklich geschieht, welche Verbrechen da geschehen?

Reinhold Beckmann [:

Sie hat gesagt: Wir haben das Böse zunächst gar nicht gesehen. Ich habe diese Debatte ja nicht nur mit meiner Mutter geführt, sondern erst recht mit meinem Vater. Ich fragte: wie konntet ihr diesem bellenden Hitler mit dieser schnarrenden, bölkenden Stimme überhaupt verfallen? Habt nicht das Böse dahinter gesehen. Mein Vater sagte immer: Nein, wir haben es nicht gesehen. Wir dachten, der kann übers Wasser gehen. Dem gelang doch alles. Die Arbeitslosen waren plötzlich weg. Österreich kam zurück, die Sudetendeutschen, all das. Es funktionierte plötzlich alles, und alle waren in einem Rausch. Ich als 15-, 16-, 17-jähriger habe dann schwer kritisiert, war da auch nicht besonders tolerant zu meinem Vater. Ich wollte den Kriegsdienst verweigern aufgrund unserer Familiengeschichte. Was ich auch gemacht habe, um Zivildienst zu machen. Und ich war in der Zeit Gegner des Vietnamkrieges, habe dagegen protestiert und habe zu Hause natürlich diese Streitgespräche geführt. Mutter wollte das nur bedingt immer und sagte mir: Wir haben nichts gewusst, ich habe nichts gewusst. Ich habe das alles erst später erfahren. Das mit den Juden Und ich sagte: Mutter, ihr müsst doch was gehört haben, müsst was gesehen haben. Was glaubst du eigentlich? Die haben uns doch für blöd verkauft. Und bei meiner Mutter ist es so, dass sie mit 13 aus der Schule kam. Keine Schulbildung, keine Berufsbildung. Sie wurde in Stellung geschickt. Sie arbeitete bei einer Bauernfamilie in der Küche, passte auf die Kinder auf, um dafür zu sorgen, dass die Küche sauber blieb. Und danach ging sie zu einem anderen Bauern, weil ihre Stiefmutter glaubte, sie könne vielleicht dort verkuppelt werden mit dem Sohn des Landwirts, was oft gemacht wurde. Meine Mutter hatte keine Bildung, sondern sie hatte glücklicherweise eine Herzensbildung, die ihr nachher ins eigene Leben geholfen hat und die sie wirklich ausgezeichnet hat. Mein Vater, auch ein einfacher Mensch vom Land mit einer kaufmännischen Ausbildung, der auch in den Krieg musste, der hat natürlich in den Debatten, die wir geführt haben, ja, hat versucht dagegenzuhalten. Ich war dann auch nicht besonders gerecht und habe noch nichts gewusst von Sebastian Haffner und seinen tollen Anmerkungen zu Hitler. Herr Haffner war ja selber im Exil und hat dann in den 70er Jahren, zu Beginn der 70er Jahre, diese wunderbaren Bücher geschrieben und noch mal auch formuliert, es brauchte wahnsinnig viel Wissen, Charakterstärke und Information, um tatsächlich das Böse dahinter, was kommen wird, auch zu sehen. Das strategisch Böse, die Idee, nach Russland einzumarschieren, die Judenvernichtung und all das. Das ist ja auch der Schock gewesen, auch für die Generation jetzt meines Vaters zu wissen: Oh Gott, wir haben da Schuld aufgeladen. Das ist einfach so, wie gesagt, wir haben uns nachher darüber versöhnt und viele Gespräche geführt. Mein Vater hat später sein Herz aufgemacht. Der war zunächst sehr verschlossen. Meine Mutter glücklicherweise hat ja gesprochen. Das ist der Unterschied auch. Und deshalb war das Buch ja auch nur möglich, weil meine Mutter gesprochen hat. Ich habe diese Gespräche aufgezeichnet zum Teil. Und diese Offenheit, sich dadurch auch ihre eigene Geschichte zu erhalten, das ist das, was meine Mutter ausgezeichnet hat.

Sandra Leis [:

Im Buch zitieren Sie oft aus diesen Feldpostbriefen Ihrer Onkel, und da findet sich nirgends eine Stelle, in der der Krieg wirklich gut geheißen wird. Im Gegenteil. Eine Passage möchte ich kurz zitieren. Da schreibt Franz: «Wann fliegt der Schwindel hier eigentlich auf?» Damit ist gemeint der Russlandfeldzug. Würden Sie denn sagen, er ist letztlich ein Opfer des Kriegs? Inwieweit waren Ihre Onkel auch Täter? Wie unterscheiden Sie da?

Reinhold Beckmann [:

Darüber habe ich viel nachgedacht und auch mit Militärexperten geredet. Ich versuch’s mal zu beschreiben. Franz, der Älteste, der am 16. April 1945 dann in der Nähe von Pillau noch ums Leben kommt und stirbt, war sicherlich von allen Vieren der kritischste Begleiter des Krieges, der immer wieder diesen Satz formuliert: Wann hört dieser Schwindel eigentlich auf? Wann hat dieses Elend endlich ein Ende?

Sandra Leis [:

Er schreibt auch: «Ich habe die Nase gestrichen voll.» Solche Sätze schreibt er.

Reinhold Beckmann [:

Ich habe ich auch mit dem Militärexperten und Historiker Sönke Neitzel gesprochen von der Uni in Potsdam und hatte ihn auch gebeten: Bitte gucken Sie noch mal auf mein Buch, ob ich historisch irgendwie was Falsches gemacht habe. Ich bin kein Historiker. Sie müssen da noch mal genau reingucken. Und dann hat sich daraus so eine Diskussion, so ein Austausch entwickelt, auch so eine kleine Freundschaft. Und wir haben da oft drüber diskutiert. Bei Franz zum Beispiel, der sehr kritisch alles schreibt, ist es glücklicherweise so gewesen, dass seine Briefe nicht rausgefischt wurden.

Sandra Leis [:

Es hätte ja sein können, Es gab Zensur.

Reinhold Beckmann [:

Ja. Es gab eine Feldpost-Prüfstelle, die wollten immer wissen: Gibt es defätistische Tendenzen in der Truppe? Und er wollte man natürlich die Soldaten rausfischen, die solche Nachrichten nach Hause schreiben. Das war Franz. Franz hat sich immer beklagt: Das Leben wird mir genommen. Ich hätte alles schon gestalten können. Ich hätte schon eine Werkstatt haben können. Eine Schusterwerkstatt. Ich hätte schon vielleicht verheiratet sein können. Er war ja nachher über 30 am Ende, als er fiel. Zu Hans: Der hat sich verpflichtet, aus wirtschaftlichen Gründen, um seine kleine Familie in Leipzig ernähren zu können und sagte: Da kann ich jetzt endlich mal geregeltes Geld verdienen. Da geht es mir besser, als wenn ich als Schneider weiterarbeite. Da waren gar keine ideologischen Gründe dahinter.

Sandra Leis [:

Es ging ihm um den sozialen Aufstieg.

Reinhold Beckmann [:

Sozialer Aufstieg, sicheres Geld zwölf Jahre lang. So, und dann kommt der Krieg. Und dann will er natürlich keinen Zweifel aufkommen lassen und er es am 1. September 1939 dabei, als die Truppe einmarschiert in Polen. Er hat was gesehen, er wird dabei gewesen sein. Wir wissen seit der Wehrmachtsausstellung, dass die Wehrmacht nicht nur da einmarschiert ist, sondern auch der SS logistische, organisatorische Hilfe geleistet hat. Als diese dann in die Dörfer und Kleinstädte ging, um die jüdische Bevölkerung abzuholen und abzuführen und zum Teil auch gleich direkt zu erschießen. Also auch mein Onkel Hans, der Bruder meiner Mutter, wird das gesehen haben. Ich kann dieses Gespräch leider nicht mit ihm führen. Ich lese in den Briefen nichts darüber, aber wie gesagt, es sind keine Einzelfälle. Sönke Neitzel sagte mir auf der Suche nach einer Antwort: Beckmann, Krieg ist nicht in Schwarz und Weiß einzuteilen. Es ist klar, man kommt da nicht mit einer weißen Weste raus. Auch meine Onkel waren ein Rädchen in diesem System, in diesem NS-System, auch wenn sie nicht in der Partei waren. Wenn sie keine Nazis waren. Aber sie waren Teil des Systems, und das ist halt die Trauer, die bleibt. Und ich kann diese Gespräche nicht mit ihnen führen. Ich kann nur versuchen, zwischen den Zeilen oder in den Zeilen zu lesen und versuchen, durch die Recherche rauszukriegen, was wie wo passiert ist. Und da waren die Feldberichte, die ich gefunden habe. Die waren da schon hilfreich, auch wenn sie sehr apologetisch angelegt sind. Die sind ja nicht kritisch, die sind unmittelbar nach dem Krieg geschrieben worden. Da haben sich drei, vier Kameraden oder noch ein paar mehr getroffen und haben den ganzen Ablauf sozusagen der Truppe der Division niedergeschrieben. Für mich war es aber wahnsinnig wichtig, weil ich konnte so die Briefe zuordnen. Ich wusste genau, wenn Hans jetzt diesen Brief schreibt, weiß ich genau, wie beschissen es ihm eigentlich geht, und er mogelt sich da ein bisschen raus. Er will natürlich nicht, dass sie sich zu Hause zu viele Sorgen.

Sandra Leis [:

Klar, der Angelpunkt im Buch ist eigentlich dieses ungelebte Leben, wie Sie es vorhin auch schon angedeutet haben. Und Ihre Mutter hat aber, sage ich, bewundernswert dann trotz aller Schicksalsschlägen ihr Leben in die Hand genommen, mit einer sehr geringen Schulbildung. Was vermuten Sie? Woher hatte sie denn die Kraft, das jetzt zu machen?

Reinhold Beckmann [:

Ja, Mutter war besonders, was das angeht. Sie hat irgendwie so eine Lebenskraft in sich gehabt. Sie hatte auch eine Zugänglichkeit, die einfach schön war. Also wenn ich zum Beispiel ein paar schräge Vögel mit nach Hause gebracht habe aus meiner Clique oder wenn wir irgendwie zu Hause was machen wollten, da war eine Toleranz da. Das hat sie einfach alles nicht nur ausgehalten, sondern die Leute waren immer willkommen. Dieses Menschen willkommen zu heißen bei sich zu Hause, auch sonst im Leben. Das hat sie ausgezeichnet, und sie hatte eine Neugier und eine Sehnsucht nach und nach wirklichem Leben. Und der Stolz war natürlich, diese Familie, diese eigene Familie aufgebaut zu haben.

Sandra Leis [:

Wenn man das Buch liest, spürt man auch eine große Nähe zwischen Ihnen und Ihrer Mutter. Gibt es etwas, was sie Ihnen auf den Weg mitgegeben hat? Weil Sie immer denken: Das, das kann ich oder Das ist mir so bewusst dank meiner Mutter.

Reinhold Beckmann [:

Sie hat die Tatsache, dass sie keine Schulbildung, keine Berufsbildung hatte, irgendwie auf ihre Art und Weise mit dieser Herzensbildung ausgeglichen. Und das ist schön, dass sie so ihr Leben selber in die Hand genommen hat und dafür gesorgt hat, dass diese Familie immer so ganz kompakt in sich zusammen blieb und dass man sich gegenseitig gesorgt hat im Guten, füreinander, miteinander. Und das andere ist, dass sie natürlich uns mit dieser Haltung auch ein Beispiel gegeben hat, dass auch wenn das Leben einem manchmal richtig was zumutet an harten Verlusten, dass man durchaus weitergehen kann auf eine gute Art und Weise und dass man die, die nicht mehr da sind, wertschätzen soll. Aber das Leben muss weiter gut gelebt werden. Das ist das, was sie vorgelebt hat. Und sie ist 98 Jahre geworden und hatte auch so eine herrliche Bescheidenheit. Immer wenn ich nach Hause kam und gefragt habe: Mutter, wie geht's dir? Och Reinhold, ich bin zufrieden. Wer sagt das heute noch bei unserem Selbstverwirklichungsdruck? Dieses Wort. Ich bin zufrieden, in dem ja das Wort Frieden drin steckt in dieser Formulierung. Das war zu schön, wenn sie das sagte.

Sandra Leis [:

Sie war tief verwurzelt im katholischen Glauben. Hat sie Ihnen auch da etwas mitgegeben?

Reinhold Beckmann [:

Ich könnte mal wieder öfter zur Kirche gehen, hat sie gesagt. Ich bin ja noch in der katholischen Kirche. Da darf ich auch mal ein bisschen schimpfen und ordentlich schimpfen. Nein, ich habe mich ja mit der katholischen Kirche oft in meiner Sendung auseinandergesetzt, früher und auch natürlich die Kirchenherren eingeladen und mit denen debattiert. Ja, also sie hatte die ganz tiefsitzende grundlegende Verbindung zu ihrem Herrn. Da gab es gar keinen Zweifel. Bei allem Schimpfen, bei allem Fluchen zwischendurch, bei allem Hadern. Aber das Grundlegende war gelegt, und das war klar – auch nach dem Tod: Ich begebe mich in sichere Hände. Der Herrgott wartet auf mich und alles wird gut. Das war definiert. Darum beneide ich sie. Habe ich sie beneidet und beneide ich. Ich beneide sie noch heute darum.

Sandra Leis [:

Im Februar 2022 haben Sie begonnen, das Buch zu schreiben. Drei, vier Tage später bricht der Ukraine-Krieg aus. Und dann sehen Sie im Fernsehen. Ich nehme an, Sie haben auch Fernsehen geschaut. Plötzlich Städte wie Mariupol. Was hat das bei Ihnen ausgelöst, genau von diesen Ortschaften zu hören, zu merken, jetzt geht da ein Krieg los. Ich schreibe eigentlich über einen ganz anderen Krieg. Das muss noch verrückt gewesen sein.

Reinhold Beckmann [:

Fürs Schreiben brauchte ich erst mal diesen festen Termin. Ich hatte mir diesen Montag gesetzt. 21. Februar neun Uhr wie ein Schreibbeamter. Weil ich hatte so viel recherchiert, so viele Unterlagen, da sagte ich mir: Jetzt musst du endlich mal richtig loslegen. Du hast genügend Stoff. Du musst dir so ein Datum setzen. Das war ein und 20. Februar. 9:00 habe ich tatsächlich da gesessen und begonnen und versucht sozusagen auch das Stilistische zu finden. Wie schreibe ich das? Und dann, drei Tage später, sitze ich vom Fernseher, Donnerstag, 24. und sehe, was da passiert und habe natürlich den Krieg weiter verfolgt und sehe, Mariupol wird wieder in Schutt und Asche gelegt. Wie sich Geschichte wiederholt, wie Menschen jetzt wieder irgendwo diesen Krieg ertragen müssen und auch andere Städte dort, wo Alfons mein Onkel war und wo zum Teil auch Hans gewesen ist. Also das ist etwas, was mich natürlich erst mal ein bisschen aus der Fassung geschoben hat.

Sandra Leis [:

Das Buch bekommt ja eine ungeahnte Aktualität. Wenn man jetzt die Zeitgeschichte anschaut, den Ukrainekrieg, den Krieg im Nahen Osten, lernen wir Menschen nichts aus der Geschichte. Ist das das Fazit, das wir ziehen müssen?

Reinhold Beckmann [:

Na ja, wir hatten ja alle gedacht, wir Friedenskinder. Ich bin ja Jahrgang 1956, also Hippiekind.

Sandra Leis [:

Nie mehr Krieg.

Reinhold Beckmann [:

Nie mehr Krieg. Ja. Make love, not war, war meine Devise. Und wir haben daran geglaubt. Ja, das ist die Enttäuschung. Wir dachten, dass wir einen Zivilisationssprung gemacht hätten durch die Erfahrung unserer Elterngeneration im Zweiten Weltkrieg. Und dass es tatsächlich nie mehr Krieg gibt, dass wir uns darauf geeinigt hätten. Jetzt einigen wir uns plötzlich auf andere Dinge. Als ich mit dem ehemaligen deutschen Innenminister Gerhart Baum vor gewisser Zeit drüber diskutiert habe, zu Hause bei uns, hat er gesagt: Mensch, Beckmann, die Zeiten sind nicht mehr so, kannste vergessen. Man hätte auch mit einer Friedensdemo auf dem Trafalgar Square in London nicht irgendetwas gegen Hitler ausrichten können oder machen können. Und da hat er recht. Es ist so: Wir sind in einer Zeit, wo Russland leider totalitär geführt wird. Also zu glauben, dass da irgendwie nur ansatzweise noch ein offenes, ich will gar nicht mal sagen demokratisches Denken stattfindet. Das kann man vergessen. Und das Schlimme ist es, je länger Krieg dauert, umso mehr verrohen die Soldaten und die führenden Menschen. Wenn man daran denkt, das letzte Jahr im Zweiten Weltkrieg, wo die Verrohung ja Ausmaße angenommen hat, die grauenhaft waren. Ich meine, es sind mehr Menschen im letzten Jahr des Zweiten Weltkriegs gestorben als in den fünf Jahren zuvor zusammen. Und das ist die große Befürchtung, die ich habe, dass das immer mehr um sich greift. Und es ist keine militärische Lösung in Sicht. Und das ist ja fast eine Situation wie im Stellungskrieg des Ersten Weltkrieges. Jeden Tag sterben dort Menschen, ohne dass sich was verändert Das macht einen traurig, dass wir als Menschheit da scheinbar das nicht kapieren. Wir sind dann doch zu wölfisch veranlagt, dass wir sozusagen nicht des Friedens fähig sind. Wir sind ja noch nicht mal fähig, irgendwo eine Erkenntnis zu verwirklichen und einen Konsens der Menschheit darin zu finden, dass wir diesen Planeten retten, gemeinsam, dass wir eine Zukunft haben. Das ist ja schon nicht herstellbar und nicht kollektiv verhandelbar. Was die Kriege betrifft in dem Fall ist das gleiche Problem, also da kann man sozusagen auch die Begrenztheit des Menschseins erkennen und und hier ernüchtert feststellen, Ja, es ist leider nicht so.

Sandra Leis [:

Sie haben jetzt dieses Buch geschrieben. Wie hat dieses Buch Sie selber verändert? Hat es das überhaupt?

Reinhold Beckmann [:

Ja, es hat mich völlig verändert, weil so ein intensives Arbeiten mit einer Sache über so einen langen Zeitraum habe ich auch als Filmemacher nicht erfahren. Das ist der Unterschied. Buch schreiben ist eine einsame und gleichermaßen demütignde Sportart. Also es hat mich sehr verändert, sehr verändert, was das Arbeiten betrifft. Auch was die Beschäftigung natürlich mit Vergänglichkeit, mit Ewigkeit und all diesen Dingen und kirchlichem Leben zu tun hat. Ich muss irgendwann jetzt auch wieder weg von diesem Buch. Das merke ich, weil ich bin jetzt so viel auf Lesetour, weil die Lesungen sind fast alle ausverkauft, die Leute kommen und wollen Antworten haben, und da muss man auch sehr dankbar sein. Das bin ich. Denn so was gelingt einem, glaube ich, einmal im Leben.

Sandra Leis [:

Reinhold Beckmann Vielen herzlichen Dank für Ihre Ausführungen und auch für die Einblicke in Ihre Familiengeschichte.

Reinhold Beckmann [:

Sehr gern. Vielen Dank für die Einladung.

Sandra Leis [:

Das war die 24. Folge des Podcasts «Laut + Leis». Zu Gast war der deutsche Fernsehmoderator, Musiker und Autor Reinhold Beckmann mit seinem Buch «Aenne und ihre Brüder. Die Geschichte meiner Mutter». Erschienen ist der Bestseller im Propyläen-Verlag. Wenn Ihr, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, uns Feedback geben wollt, bitte per Mail an podcast@kath.ch oder per WhatsApp auf die Nummer 078 251 67 83. In der nächsten Folge des Podcasts «Laut + Leis» sprechen wir über den zunehmenden Antisemitismus in der Schweiz und welche Rolle das Christentum und der Islam dabei spielen. Bis in zwei Wochen und bleibt laut und manchmal auch leise.

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