Zu Gast in Folge sieben ist Andrzej Weber, besser bekannt als «Tänzer von St.Gallen». Im Gespräch mit Tim Kramer und Corinne Riedener gibt er Einblicke in seinen Weg zum stadtbekannten Outdoor-Performer und spricht über die tiefe Verbindung zwischen Bewegung und Emotion. Offen erzählt er von seiner Erfahrung mit Burnout, einem Wendepunkt, der ihn dazu brachte, den Tanz als heilende und befreiende Form des Selbstausdrucks zu entdecken. Weber lädt dazu ein, die eigene Verletzlichkeit als Stärke zu begreifen und den Tanz als Weg zu innerem Gleichgewicht und persönlicher Erfüllung zu sehen.
Das Gespräch wurde am 30. April 2025 aufgezeichnet.
Square Talks, unser Podcast mit den Personalities und Artists in Residence.
Andrzej Weber, willkommen bei uns im Square. Du bist hier Artist in Residence und machst heute einen Podcast mit mir.
des SQUARE. Andrzej, du bist: Frau und ihren beiden Kindern:Kannst du auch in einem Gebäude tanzen oder geht das nur draußen?
Andrzej:Also die Frage hat mir noch nie jemand gestellt. Nein, Erstmal herzlichen Dank für die Einladung, für die Gelegenheit, hier mal so ein tolles Gespräch zu führen. Und ja, die Musik und das Tanzen.
Also für mich war das Tanzen in geschlossenen Räumen hat er einfach zu viel Grenzen gehabt. Ich bin einmal gegen die Wand. Außerdem wollte ich ja mal raus und feststellen, was das Ganze mit uns denn so tut, wenn ich so anfange.
Da geht es ja mehr oder minder um Schwingungen und Resonanzen und so. Und es war einfach auch zum einen Experiment für mich und zum anderen war es durch mein Gefühl getrieben. Ich musste es einfach tun.
Und als ich den Mut dann zusammengenommen habe und angefangen habe, da ging es drunter und drüber.
Corinne:Emotional reagieren die St. Galler innen auf deinen Tanz im öffentlichen Raum. Merkst du was von der Ostschweizer Brötigkeit? Sind wir anders als die Leute in anderen Städten?
Andrzej:Also ihr braucht ein bisschen länger zum Anlauf.
Corinne:Ein bekanntes Problem?
Andrzej:Nein, ihr habt mich wahrscheinlich vom ersten Tag an irgendwo wahrgenommen, dass ich da bin. Und ja, die ersten Begegnungen waren dann auch manchmal heftig. Ich wurde dann gefragt, ob ich Hilfe brauche und Krankenwagen bestellt werden soll.
Ich habe da alles Mögliche so mitbekommen, aber es wird irgendwie weniger. Genauer gesagt, in St. Gallen gibt es das gar nicht mehr.
Corinne:Du warst ja eigentlich lange Zeit inkognito unterwegs. Man wusste, es gibt da diesen Typen, der tanzt, aber man kannte deinen Namen nicht, man kannte deine Geschichte nicht. Und dann ist dann im St.
Galler Tagblatt ein Porträt über dich erschienen und seither kennt man dich. Hast du diese Öffentlichkeit gesucht und kommst du auch gut mit ihr klar?
Andrzej:Also gesucht habe ich sie nicht.
Ich wusste also alles, was ich zurzeit in meinem Leben so erlebe, hätte ich mir nie vorher träumen können und nichts davon war irgendwie geplant, gewollt oder ich habe irgendwann entschieden, dem Leben den Vorzug zu geben und nicht meinem Kopf. Deswegen, es gibt da so viele Erlebnisse, wieso das so gekommen ist. Aber im Endeffekt geht es um den Fluss des Lebens.
Und eines Tages kam ein Tibeter zu mir und fragte Hey, wie hast du das geschafft? Und dann sage was meinst du?
Ja, das, was du ausstrahlst und tust, das ist das, was jeder Tibeter in seinem Leben als Ziel hat, nämlich Leben zu springen und sich vom Leben mitnehmen lassen, ohne Angst, dass man an der nächsten Stromschnelle zerschlagen wird im Flow sein. Und irgendwann habe ich auch ein Gefühl dafür entwickelt, ob ich in diesem Flow wirklich bin oder nicht. Das geht, das kannst du lernen.
Aber das Wichtigste ist, bevor du das fühlen kannst, musst du deine lauten Emotionen und deinen Verstand mal ein bisschen sagen, dass sie etwas ruhiger werden.
Corinne:Geht das gut, wenn dir die Leute quasi dabei zuschauen, wie du im Flow bist? Ich stelle mir das wahnsinnig schon.
Andrzej:Das fragen mich ja viele. Also ich habe grundsätzlich immer so eine Art Lampenfieber, sag ich mal.
Das ist so, als würdest du jeden Tag auf die Bühne gehen, Theater oder irgendwo dieses Kribbeln, das ist immer da, weil ich niemals weiß, was mich dann erwartet. Aber ganz ehrlich, ich werde dafür so, sag ich mal, ich bekomme so viel geschenkt dafür. Mir fließt so viel positive Energie dazu.
Das geht gar nicht anders. Ich bin jeden Tag unterwegs im Jahr, egal bei welchem Wetter.
.: Corinne:Du hast es ja schon ein bisschen angetönt. Deine Reise zum Tanz hin hat ja durchaus auch einen ernsten Hintergrund. Du hattest einen Burnout.
Magst du uns vielleicht nochmals ein bisschen mitnehmen in diese Zeit, wie das sich damals angefühlt hat? Ist das Schleichen gekommen, hat gegeben. Wie ging es dir damals?
Andrzej:Also dieser sogenannte Schalttag, der war am 9. September 22. Hörst du mich so besser? Alles klar. Anfang September 22, ich saß in meinem sogenannten Zwangs Homeoffice, mitten in der Corona Zeit.
Und da sind so viele, ich sag mal, einschneidende Dinge passiert und hab dann gleichzeitig, war auch meine Familie nicht auf Homeoffice eingestellt. Ich hab deren Leben ja auch durcheinander gebracht. Ich hatte kein Büro, alles war improvisiert, weil wir hatten dann gerade so eine Baustelle gehabt.
Also da kamen viele, viele Dinge zusammen, aber ich habe schon einige Zeit davor gemerkt, dass irgendetwas da nicht so mit mir stimmt. Aber ich konnte es nicht artikulieren. Nein, nein, es war einfach nur so ein dummes Gefühl. Und dann kamen Szenarien und und und.
Und am Wochenende hatte ich dann ein Erlebnis im Zoom Meeting mit einem meiner Vorgesetzten und in einem dieser Meetings wurde ich eigentlich nur beschwichtigt. Es wurde versucht, irgendwie Nähe aufzubauen, aber ich habe gesagt, ich starre gerade auf dem D Bildschirm, das ist hier keine Kommunikation.
Auf jeden Fall, es gab viele, viele Ereignisse, wo ich immer, immer irgendwie, ja, ich wurde immer ruhiger und in mich gekehrt und und und. Und an dem Morgen habe ich meinen Rechner eingeschaltet, meine Frau hat mir gerade einen Kaffee gebracht.
Ja, und dann war das so, stell dir vor, Lichtschalter im Raum, klick, Licht aus. Und das meine ich wirklich schwarz vor.
Corinne:Augen geschaltet, bewusstlos oder mehr eine Panikattacke.
Andrzej:Also im Endeffekt, das hat mich daran erinnert, wenn dein Kurzzeitgedächtnis ausgeschaltet wird, das war wirklich wie ein Schalter Clip auf einmal schwarz vor Augen, nichts mehr gehört, nichts mehr gesehen. Wie lange dieser Zustand war, keine Ahnung, war wahrscheinlich gar nicht so lang. Aber in dem Moment hast du kein Zeitgefühl.
Und solche Blackouts habe ich dann öfters bekommen. Deswegen für mich ist das kein Burnout gewesen, sondern wahrer Blackout und im Endeffekt ein Weckruf.
Denn dann ist alles, was sich über die letzten Jahrzehnte so aufgestaut hat in meiner Seele, in meinem Herzen, die ganzen Traumata der Kindheit, Jugend und so, die sind auf einmal alle explodiert und ich kann mich an einen Großteil der Zeit nicht erinnern. Ich weiß nicht, was ich gesagt habe.
Ich weiß nicht, was ich alles getan habe, Aber das ist dann so, Ich muss das auch irgendwo anfangen mal anzunehmen, dass Dinge so passiert sind.
Corinne:Und hattest du denn Leute, die dich irgendwie auffangen konnten in dieser Zeit? Oder wie hast du dir allgemein Hilfe holen können?
Andrzej:In der Corona Zeit waren die Psychotherapeuten ziemlich belegt. Also ich habe fast, glaube ich, fünf Monate oder so gewartet, bis ich einen Therapieplatz bekommen habe.
Und in der Zwischenzeit sind auch meine Familie ist im Endeffekt irgendwie dann in Panik gekommen, sage ich es mal so. Und ich wurde nach und nach immer mehr isoliert.
Corinne:Also sie waren auch überfordert.
Andrzej:Sie waren absolut überfordert, aber sie haben mich quasi, ich durfte irgendwann nicht mehr mit ihnen gemeinsam essen, ich musste alleine Zimmer schlafen auf einer eigenen Etage und ich habe mich wirklich immer einsamer gefühlt und ich wusste immer noch nicht, was eigentlich vor sich geht. Ja, und dann gab es eben, dann fing ich an in die Therapie zu gehen und ich hab wieder so ein Glück gehabt mit den Menschen.
Das erinnert mich an mein ganzes Leben. Wenn es mir wirklich irgendwie schlecht ging oder irgendwas passiert ist, kamen plötzlich aus dem Nichts Menschen, die dir geholfen haben.
Das finde ich so spannend und so war es genauso. Meine Psychotherapeutin, das Ärzte, was sie mich Nimmst du Medikamente, sage ich nein, sagte alles klar.
Sie hat mir trotzdem einen Psychopharmaka mitgegeben eben sagte nur für den Fall solltest du wirklich mal in Panik kommen für.
Corinne:Krisenak.
Andrzej:Und ihr werdet es nicht glauben, ich habe es vielleicht gebraucht.
Corinne:Also darf ich nachfragen, warst du dann stationär oder hast du diese Therapie ambulant machen?
Andrzej:Also stationär wäre für mich noch ein größeres Gefängnis als das, was ich gerade im Haus empfunden hab. Kommt überhaupt nicht in Frage. Ich habe schon zu dem Zeitpunkt gemerkt, dass ich wohl mehr Verantwortung für mein eigenes Leben übernehmen muss.
Und meine Therapeutin hat dann auf einmal einen Aspekt nach vorne gebracht, mir bewusst gemacht, der mich quasi aus den Socken gehauen hat. Also eine völlig unerwartete Entwicklung ist da passiert.
Ich habe an alles Mögliche gedacht, warum ich diesen Burnout hab, Überforderung, vielleicht habe ich mir zu viel vorgenommen, vielleicht Fehler gemacht oder was weiß ich. Aber das, was mir meine Psychotherapeutin dann auf einmal so mitteilte zwischendurch Das hat mich wirklich umgehauen.
Da geht es ein bisschen um Bindungen, Respekt und und und.
Die Erkenntnis war dann meine Frau, also das sind meine Stiefkinder, die ich hier habe, und meine Frau hat Sie möchte gerne für die Kinder immer da sein. Priorität 1 Kinder, aber die Kinder sind in der Zwischenzeit dreiig und acht und dreiig. Also es geht um das Thema Bindung.
Und meine Psychotherapeutin hat mir völlig klargemacht, dass die Bindung zwischen meiner Frau und ihren Kindern einfach so eng ist, dass für mich kein Platz mehr da ist. Und das hat mich völlig.
Corinne:Das war ein Wendepunkt.
Andrzej:Das war so ein Wendepunkt, Die Beziehung, die ich lebte, mein Leben, was ich lebte, mal wirklich mal zu hinterfragen, hinter die Illusion zu schauen, was lebst du dort wirklich? Und dann kam das eins nach dem anderen, dass es so explodiert und diese Entwicklung ist einfach abgelaufen.
Corinne:Und ihr habt euch dann getrennt daraufhin oder ging das noch mal eine Weile?
Andrzej:Wie gesagt, es ging bis zum 10. Juni 23, das ist nämlich der Tag, an dem ich nach St. Gallen kam.
Corinne:Davor lebtet ihr im Glanerland.
Andrzej:Im Glanerland, genau. Als Generationenhaus. Und könnte ich alleine schon tagelang darüber erzählen, was das wirklich bedeutet. Auf jeden Fall. Es gab dann ein Ereignis.
Ich habe auf einmal eine Panikattacke mitten in der Nacht bekommen, Ängste ohne Ende. Und ich war ja alleine auf der Etage und ich hatte auch so ein Kloß im Hals, aber mir ging es wirklich schlecht.
Und dann bin ich aus dem Bett gekrochen, auf allen Vieren bin ich durchs Haus gelaufen und habe um Hilfe geschrien. Niemand ist gekommen.
Und dann habe ich überlegt, das war der Moment, wo ich die Tablette genommen habe, damit ich überhaupt da irgendwo in Ruhe komme. Und am nächsten Morgen kam meine Stieftochter zu mir und meinte, ich sollte doch abends bitte etwas ruhiger sein.
Und an dem Moment war die Entscheidung getroffen, Ich gehe. Das war der Auslöser. Und ich habe dann quasi im gleichen Moment noch mir ein Zimmer gesucht. Nach St.
Gallen bin ich gekommen, weil meine Intuition war auf einmal im Kopf und hab OK, St. Gallen, wunderbar. Und dann habe ich meine Sachen gepackt und weggegangen. Ich habe kein Auf Wiedersehen gesagt. Ich habe kein Gespräch geführt.
Also wenn mir was klar ist und ich handel, dann mache ich das auch.
Corinne:Konsequent nicht so konsequent Hattet ihr inzwischen die Gelegenheit, euch nochmal auszusprechen?
Andrzej:Ja, das ist eben so die Schwierigkeit. Für mich gibt es ja keinen Weg zurück. Und in ein Haus, wo der Groll noch vorherrscht, gehe ich sowieso nicht. Das macht keinen Spaß.
Meine Frau hat mich zwischenzeitlich einmal vor Gericht gezerrt. Dort habe ich sie das erste Mal wieder gesehen. Ich bin zu ihr hingegangen und wollte ihr auch anbieten, dass wir mal ein Gespräch führen.
Sie hat sich umgedreht, noch nicht mal gut, nicht mal gegrüßt, gar nichts. Sie hat mich keines Blickes gewürdigt und komplett Mauer aufgebaut. Aber wenn das so ist, ist das so. Das ist nicht meins.
Ich bin immer für ein Gespräch offen.
Ich habe in der Zwischenzeit alles soweit verarbeitet oder zumindest eine neue Sicht drauf bekommen und dann lasse ich mich mal überraschen, was noch passiert. Aber es hält mich nicht vom Leben ab. Deswegen bin ich nicht unglücklicher.
Corinne:Hast du neben der Bewegung noch andere Strategien, die dir geholfen haben, aus diesem Loch wieder rauszukommen?
Andrzej:Ja, es gibt so einige praktische Erfahrungen. Eines der wichtigsten Erkenntnisse, die ich schon am Anfang hatte, ist, dass dein Mindset einfach neu programmiert werden muss.
Und im Endeffekt war dieser Blackout ja nicht nur ein Abschalten wie ein Computer. Es war auch danach ein Reset.
Und ich musste dann nach diesem Reset feststellen, dass während des Bootvorgangs gewisse Applikationen nicht mehr da sind.
Corinne:Ich höre deinen IT Hintergrund, auch.
Andrzej:40 Jahre IT in allen möglichen. Ich liebe es.
Wobei eine meiner tiefsten Fragen über IT war, warum ich das gemacht habe, war, wie ist es möglich, dass man mit nur zwei Zuständen jede beliebige Information übertragen kann. Über solche Fragen komme ich dann irgendwo mal rein. Aber IT war für mich immer ein Thema. Ich habe eine besondere Beziehung zu Computern.
Ich kenne jede Generation.
Corinne:Trotzdem ist es ja schwergefallen zu zoomen oder zu callen während Corona, obwohl du eigentlich so eine Nähe zu Computern hast.
Andrzej:Ja, da musste eben unterscheiden. Ich liebe Wissenschaft, aber Wissenschaft einfach nur so unter dem Vorwand, uns geht es dann immer besser oder so. Das ist zu wenig.
Und zum Teil ist die Wissenschaft heute noch dogmatisch geprägt. Fehlt mir in der Wissenschaft was. Ich beobachte aber, dass es so langsam kommt. Zum Teil die Kombination von Spiritualität und Wissenschaft.
Ich denke, das ist eine Integration, die gerade passiert.
Corinne:Ich denke immer, das ist eine alte Fehde.
Andrzej:Ja, aber warum soll das eine Fehde bleiben? Integration wäre doch viel spannender.
Aber das beobachte ich schon, dass halt viele mystische Aussagen aus der Welt der Wissenschaft stellt sich nach und nach heraus, dass die alle recht haben. Es wird dann auf Quantenebene schon mal nachgewiesen, dass das wohl so sein müsste. Und ich beschäftige mich gerne mit solchen Themen.
Das ist für mich, wie soll ich sagen, nehmen.
Also wenn mein Gehirn sowieso nicht abschalten kann und immer an irgendwas denkt, dann nehme ich mir das Recht heraus, meinem Gehirn zu sagen, was es zu denken hat.
Corinne:OK, du gehst ja gleich noch, gibst du einen Workshop am Square, wo es auch um Achtsamkeit und um deine Geschichte und einen Weg zu dir selbst gehst.
Ist dir allgemein das Thema psychische Gesundheit wichtig und vielleicht auch ein Botschafter zu sein, dass dieses Thema entstigmatisiert und enttabuisiert wird?
Andrzej:Ja, da hast du schon ins Schwarze getroffen. Das ist so.
Also einer meiner Beweggründe ist sicherlich, den Menschen klarzumachen, dass das Bewusstsein wichtig ist und dass sie einfach sich nicht so überall mitreißen lassen müssen. Die Welt ist voll von Ablenkungen, die Welt ist laut geworden.
In all diesem Lärm sich selbst zu finden ist schwierig, weil wir haben doch als Kinder nicht gelernt, oder ich stelle.
Corinne:In meinem Umfeld so eine Ungleichheit zwischen den Geschlechtern fest, wenn es um dieses Thema geht, Bewusstsein, Traumata allgemein überhaupt irgendwie emotionale Reife zu entwickeln, Self Edukation zu betreiben, dass die Frauen da irgendwie wahnsinnig fit sind, sich die Zeit auch nehmen und viele männliche Personen, dass wir noch ein bisschen beiseiteschieben oder ja, brauche ich nicht, mit wem soll ich denn da überhaupt drüber reden oder so. Ist das ein falscher Eindruck?
Andrzej:Auf den ersten Blick habe ich das auch so wahrgenommen wie du?
Auf den zweiten Blick sage ich die Art und Weise, wie Männer und Frauen Angst und Leid ertragen und darauf reagieren, ist einfach nur unterschiedlich. Aber im tiefsten Inneren fühlen die ja das Gleiche. Wenn du Depressionen hast, hast du Depressionen, egal ob du männlich oder weiblich bist.
Die Art und Weise, wie du sie interpretierst, ist sicherlich unterschiedlich.
Corinne:Ja, ich habe das Gefühl, Männern fällt es schwer, darüber zu sprechen, sich überhaupt zu öffnen, auch in der Öffentlichkeit hinzustehen.
Es ist ja ganz oft so, psychische Probleme oder mentale Gesundheit ist immer erst an ein Thema, wenn es den Leuten wieder gut geht, wenn sie gesagt Ja, ich hatte dann diese und diese Krise, aber jetzt kann ich darüber reden. Aber während der Krise spricht kaum jemand drüber.
Andrzej:Das ist so Psychische Gesundheit ist irgendwie immer noch ein bisschen tabu und ich verstehe nur nicht, warum. Wir brauchen uns nicht dafür schämen, dass wir auch mal psychisch daneben liegen.
Aber auch das musste ich erstmal lernen, mich dann dafür nicht zu schämen. Aber interessant ist, dass mir Männer wie Frauen über solche Dinge berichten.
Es gibt ja auch viele, die haben eine, wie heißt das, bipolare Störung und alles Mögliche, was ich da schon gehört habe. Aber ich mache dort also mir erzählen die Männer genauso offen das Thema wie die Frauen.
Das, was ich mehr beobachte, ist, dass die Frauen es in der Öffentlichkeit anders ausleben. Sie zeigen es auch und die Männer verstecken sich dann gerne hinter ihren Schubladen.
Corinne:Wie ist das hier im Unileben? Tim Kramer Gibt es ein großes Bewusstsein für mentale Gesundheit, auch vielleicht jetzt im Nachgang von Corona, dass das mehr thematisiert wird?
Tim:Also ich bin, glaube ich, der falsche Ansprechpartner. Ich bin noch nicht so lange hier vom Gefühl her. Vom Gefühl her würde ich sagen, das ist etwas, was noch zu wenig thematisiert wird.
Und das ist auch einer der Gründe, warum wir Andrzej eingeladen haben. Auch einmal, weil wir so eine spannende Figur finden, auch eine spannende St. Galler Figur mittlerweile, obwohl du gar nicht so lange hier bist.
Corinne:So schnell ist noch keiner angekommen.
Tim:Aber ich glaube schon, dass das ein Thema ist. Also wir glauben, es ist ein Thema. Wir sind im Gespräch mit vielen Menschen hier.
Ich weiß, was ich wirklich weiß, ist, dass das Thema psychische Gesundheit bei der jetzigen Generation grundsätzlich ein größeres Thema geworden ist.
Bei meiner Stelle, wo ich vorher war in München, haben wir aufgrund dessen sogar, ich habe mehrere Roundtables organisiert mit den jeweiligen Beratungsstellen, die es in München gibt, die uns das eben auch nachgewiesen haben, dass das so ist.
Und eben auch mit denen darüber gesprochen Was müssen wir dann machen als Hochschule, wenn so jemand auf uns zukommt, weil wir uns dessen bewusst waren, dass das eben nach Corona noch mal einen richtigen Schub bekommen hat. Wobei ich glaube, Corona war da mehr so ein, ja wie sagt man, so ein Randbeschleuniger. Genau.
Es ist schon ein gesamtgesellschaftliches Problem, das einfach jetzt dadurch durch Corona noch mal so ein bisschen deutlicher hervorgetreten ist.
Und insofern denke ich also und was ich aus meinem ganz persönlichen Bereich ist, es geht ja hier darum, ganz bewusst Führungskräfte auszubilden für später. Und ich habe auch einige Führungspositionen schon gehabt in meinem Leben und man ist immer zu wenig vorbereitet auf den Druck, der da kommt.
Andrzej:Es ist so.
Tim:Und je mehr wir, glaube ich, den jungen Leuten da schon im Vorhinein wenigstens ein bisschen die Augen öffnen können oder ein bisschen sensibilisieren können für dieses Problem, was mit Sicherheit auf sie zukommen wird und was man immer wegdrückt, wenn man im Vorhinein Naja, aber wenn ich dann in dieser Position bin, dann mache ich das anders und so weiter. Nein, es ist nicht so.
Man ist erstaunt darüber, wie hoch, Auch wenn man relativ resilient ist, ist es trotzdem so, dass der Druck auf einmal enorm hoch ist, sobald du in so einer Führungsposition bist.
Corinne:Jan Es ist wahrscheinlich auf beide Seiten wichtig für einen selbst wenn man in einer Führungsposition ist, aber auch die Sensibilität zu haben, wenn man Menschen im Team hat, die ihn krie Wie geht man damit um?
Nur schon überhaupt mal jemanden anzusprechen, vielleicht zu Hey, ich habe das Gefühl, dir geht's vielleicht nicht so gut, wollen wir mal einen Kaffee trinken oder irgendwie so aufeinander zuzugehen? Überhaupt schon.
Andrzej:Das war früher aus meiner Erfahrung im Berufsleben völlig normal. Es hat erst so Anfang der ER angefangen, sich da in eine andere Richtung zu entwickeln.
Corinne:Also meinst du die ganze Unternehmenskultur, dass die härter geworden ist?
Andrzej:Ja, ich habe ja, sage ich mal, den Überfall der USA erlebt, als die ganzen Unternehmensberater mit ihren Methoden und Vorschlägen kamen. Ich durfte diese Dinge auch genießen, weil ich wurde auch ausgebildet als Trainer für solche Dinge.
Ich habe sie dann nur nie angewendet, weil ich schaue mir gerne mal Sachen an, aber wenn sie nicht zu mir passen, dann lasse ich lieber die Finger davon. Und ich denke mal, die Menschen müssen wieder lernen, gerade als Führungskraft, viel mehr auf ihre Intuition auch zu schauen und auf sich zu schauen.
Denn wie will ich Verantwortung für andere tragen, wenn ich es noch nicht mal für mich alleine kann?
Corinne:Das hat viel mit Selbstführung zu tun.
Andrzej:Und insofern haben die Studenten hier noch eine Herausforderung, die ihnen vielleicht noch nicht so bewusst ist. Es geht nicht nur einfach irgendwie Methodik, Betriebswirtschaft und alles kennenzulernen.
Es geht darum, ein Gefühl dafür zu haben und ein bisschen Rüstzeug, nämlich gesunder Menschenverstand, die Neugier, auch was Neues kennenzulernen. Denn ich sehe das genauso wie Tim, wenn du in so eine Position kommst, du kannst dich nicht darauf vorbereiten. Es ist immer was Neues.
Habe ich auch so erlebt.
Corinne:Ich würde gerne nochmals zurückkommen zur Bewegung. Und du warst ja auch früher Läufer. Also Bewegung hat schon immer eine wichtige Rolle in deinem Leben gespielt.
Aber vielleicht kannst du uns nochmals beschreiben, wieso es genau der Tanz ist, der die irgendwie so auch als Blitzableiter Funktion hilft.
Andrzej:Also wie gesagt, ich habe ja schon immer gerne Musik gehört und mich auch bewegt und so, aber in dieser Zeit, wo ich immer noch heilen war, hat die Musik auch am Anfang überhaupt keine Rolle gespielt für mich. Ich war glücklich, dass ich wieder Stille hatte, aber eines Nachts bin ich wirklich aufgewacht, hab mich aufgesetzt.
Das war nachts um 2 Uhr, ich weiß das noch wie heute und hab nur Ich brauch Musik, egal welche.
Corinne:Oder hast du ein bestimmtes Stück gedacht?
Andrzej:Gar nicht, gar nicht. Aber ich habe mich auf einmal an die alte Musik erinnert in der Kindheit und in der Jugendzeit besonders.
Da bin ich los, hab meine Kopfhörer gekauft und dann wusste ich, jetzt habe ich auch unterwegs Musik, alles wunderbar. Es ist einfach so entstanden. Das war kein willentlicher Akt so, sondern einfach Mupf.
Corinne:Du stellst dir jeden Tag so deine eigene Playlist zusammen. Was läuft heute.
Andrzej:Heute ein bisschen Popdisco, aber auch Cha Cha Cha und mal.
Corinne:Aber das ist nicht. Also das heißt, du hörst nicht explizit aufheiternde Musik. Also es kann auch mal ein trauriges Stück drin sein.
Andrzej:Es gibt wundervolle romantische Musik und Musik zum Träumen.
Corinne:Und hat diese Bewegung, wenn du sagst, sie hat eine heilsame Wirkung auf dich? Ist es wirklich das Körperliche? Also ist dein Gehirn dann abgeschaltet und bist du wirklich voll bei dir im Körper zu Hause?
Oder wie muss ich mir das vorstellen, wenn du da unterwegs bist in der Stadt?
Andrzej:Alles? Also im Endeffekt, es ist nicht so, dass wir haben ja zwei Hirnhälften.
Die linke, die hier ist, glaube ich, zuständig für das Kreative, Nein für den Verstand und die andere Seite eben für das Kreative. Und intuitive. Und ich denke mal, dass die Musik dazu dient, einen Ausgleich zwischen diesen beiden Dingen zu machen.
Also zuerst einmal hat sie mein kreatives Zentrum irgendwie angeregt, aber in der Zwischenzeit muss ich sagen, es ist für dich ausgleichend. Seitdem bin ich auch viel entspannter und da draußen kann die Welt einstürzen.
Corinne:Ja, und ich sage schon, nebst dem sinnlichen, kreativen Teil ist ja Musik wirklich auch eine beinharte Wissenschaft. Also Musik, Theorie und Mathematik sind sich ja recht nahe. Also da sind wir auch wieder beim 1 und beim 0, wo du dich ja auch zu Hause fühlst.
Hat dein Vater einen Einfluss auf deinen Lebensweg jetzt? Er war ja Musiker, soviel ich weiß.
Andrzej:Also ich bin ziemlich sicher, dass ich nach diesem Reset ganz einfach nur meine väterlichen Gene eingeschaltet habe, weil das liegt genetisch drin. Den Rhythmus und so etwas habe ich von meinem Vater definitiv. Ich habe schon als Kind, wenn er Musik gemacht hat, dazu getanzt.
Nur da mein Vater nicht so sonderlich mich mochte, ist eine eigene Geschichte.
Aber ich bin von ihm ausgestoßen worden und nicht als Kind akzeptiert, weil ich bin einfach mit blonden Haaren und blauen Augen auf die Welt gekommen. Er wollte eigentlich jemanden mit braunen Augen und schwarzen Haaren. Und so ist das eben passiert.
Also mein Vater, ich habe nicht viel von meinem Vater mitbekommen, aber ich liebte seine Musik.
Und irgendwann wahrscheinlich hat mein Unterbewusstsein dann entschieden, du willst nicht so werden wie dein Vater, habe ich mich nie mit Musik groß beschäftigt. Kein Instrument gelernt. Doch, Blockflöte hast du gespielt, aber mit Widerwillen. Aber diese Gene sind erwacht.
Corinne:Und wenn du jetzt heute ein Instrument nochmals lernen könntest, Schlagzeug, ich dachte, es muss was Perkussives sein.
Andrzej:Ich hatte auch in St. Gallen hier noch in der Wohnung, Schlagzeug macht Spaß, aber wenn ich unterwegs bin, kann ich kein Schlagzeug spielen.
Corinne:Das ist schlecht. Mich würde noch interessieren, du bist ja meist allein unterwegs, wenn du tanzt.
Das heißt, du musst nur mit dir selbst zugange kommen, aber du nimmst ja auch Tanzstunden und dann tanzt man da ja mit anderen Personen zusammen. Das ist Wahnsinn. Ja, ich kann das bis heute nicht. Wie ist das?
Oder wieso brauchst du vielleicht auch diesen Gegensatz dann sich auf jemand anderen noch einlassen müssen?
Andrzej:Ja, das Gefühl mit einer Tanzpartnerin sich zu bewegen, ist etwas völlig, völlig anderes. Aber ich finde diese Mischung so spannend.
Ab und zu, wenn ich mit meiner Tanzpartnerin am in der Tanzstunde war, da war mir auf einmal danach irgendwas anderes zu tanzen und dann habe ich das auch gemacht. Du wirst nicht glauben, meine Tanzpartnerin hat das einfach mitgemacht und am Ende hat sie mich Was haben wir da getanzt?
Und meine Tanzlehrerin, die findet das auch immer so spannend. Egal was ich zwischendurch mache, ich bin trotzdem irgendwann bin ich wieder drin.
Corinne:Also aus der Reihe tanzen ist bei dir Programm?
Andrzej:Ja, genau. Ich war schon immer irgendwie eine Art Außenseiter und aus der Reihe tanzen, irgendwann fängt es an Spaß zu machen.
Corinne:Magst du diese Rolle auch die des Einzelgängers, des Loners?
Andrzej:Ja, ich war ja mein ganzes Leben lang nicht alleine. Noch nie. Ich hatte immer in Großfamilien bin ich aufgewachsen und ich habe noch nie alleine gelebt. Und ich muss sagen, spannende Zeit.
Natürlich musst du mit ihr alleine klarkommen, aber das ist okay und darum geht's schön.
Corinne:Vielen Dank. Zum Schluss hätte ich noch eine praktische Frage und zwar, du tanzt ja viele Stunden am Tag. Hast du eine Schuhempfehlung oder vielleicht?
Nein, zuerst noch, Wie viele Schuhe? Wie hoch ist so dein Verschleiß pro Jahr An Schuhen?
Andrzej:Naja, 23 glaube ich, hatte ich 13 Paar Schuhe, also durchschnittlich einmal im Monat. Manche schaffen es nur zwei Wochen, je nach Modell und Qualität.
Aber nach ein paar hunderttausend Schritten sind die normalen Schuhe, Sneakers und so, die sind dann einfach durch. Und deswegen habe ich einen Sponsor für meine Schuhe. OK. Und das ist die Kybon Joya AG. Und diese Schuhe sind so fantastisch.
Corinne:Die können gar nicht so viele Schuhe sponsern, weil du nur einen pro Jahr brauchst.
Andrzej:Nicht ganz. Aber das letzte Paar, was ich hatte, das hat 10 Millionen Schritte ausgehalten. Und im Vergleich zu den normalen, die sind maximal bis durch.
Corinne:Ich sehe, du trackst deine Schritte, du hast eine Sportuhr am Handgelenk. Kannst du uns sagen, wie viel du so machst pro Tag?
Andrzej:Das kommt drauf an. Zwischen ist so der normale Tag. Es waren aber auch schon mal.
Corinne:Ja, ich hoffe natürlich sehr, dass du diesen Rekord heute noch überbieten kannst beim Daydance im Square, wenn da getanzt wird, auch wie du mit Kopfhörern. Und es haben sich sehr viele Leute angemeldet. Ihr habt das beste Wetter. Ich wünsche euch viel Spaß dabei.
Andrzej Weber, vielen Dank, dass du hier warst. Tim Kramer für das Gespräch.
Tim:Vielen Dank. Dankeschön.