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CAMPO Trip London: How do people get close to collections? (Teil 2) (mit Kate Parsons, Director of Conservation, Collections Care and Access V&A)
Episode 1225th March 2025 • Wohin damit? • Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte (SKKG)
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Shownotes

Für Recherchen ist Podcast-Gastgeber Alain Gloor im Februar 2024 mit einer Delegation der SKKG und mit Unterstützung von The Liminal Space nach London gereist. Die bunt zusammengewürfelte Gruppe hat sich Institutionen, Projekte und Sammlungen angeschaut. Und vor allem den Menschen zugehört, die damit zu tun haben. Im ehrwürdigen V&A – dem Victoria and Albert Museum – durften sie mit Kate Parsons sprechen.

Kate ist «Director of Conservation, Collections Care and Access» im V&A. Im Mai 2025 eröffnet das erste von zwei neuen Standorten des Museums, das «V&A Storehouse». Im Storehouse werden die Besucher:innen einen noch nie dagewesenen Zugang zu über 500‘000 Werken aus der Sammlung erhalten und hinter die Kulissen eines geschäftigen Depotbetriebs schauen können. 


In einem zweiten Gespräch mit Alain erläutert Kate die Grundüberzeugung hinter «total access», spricht über den Einsatz von KI im Dokumentationswesen und über «Order an Object»: Ein Service für Museumsbesucher:innen, damit sie sich während der Öffnungszeiten des Museums sämtliche Objekte aus dem Lager zur Ansicht bestellen können.


In dieser Folge wird viel Englisch gesprochen. Im Skript findest du die Übersetzung.


Du hast Fragen, Inputs oder Kritik? Melde dich via sammelstelle@skkg.ch oder via Sprachnachricht an 077 456 07 41.


Links

Alle Info zu CAMPO findest du hier, alle Info zum Siegerprojekt hier, und den Jury-Bericht zum Architekturwettbewerb hier.


Hier und hier gibt es mehr Info und Bilder zum V&A East Storehouse.



Transcripts

CAMPO Trip London: How do people get close to collections? (Teil 2) (Folge 12)

[Alain Gloor:] Hoi! In der letzten Folge habe ich erzählt vom CAMPO Trip, den eine Delegation der

SKKG im Frühling:

you build a space in the mind, and the heart?»

In dieser Folge geht es um die zweite von drei Fragen, die ich vertiefen will: «How do people get

close to collections?» Also: «Wie kommen Menschen nahe an Sammlungen heran?» Wir hatten

Kate Parsons ebenso vor einem Jahr in London zum Gespräch getroffen.

Doch das V&A, das Victoria and Albert Museum, eines der zehn grössten Museen weltweit, war

aber gar nicht so happy, als ich aus diesem Gespräch eine Folge schneiden wollte. Die

Kommunikationsabteilung wollte mehr Kontrolle.

Sie habe einen Masterplan, sagte mir Kate Parsons beschwichtigend. Als ich dann das V&A

Storehouse, um das es heute geht, auftauchen sah auf der Titelseite des Londoner Magazins Time

things to do in the world in:

destinations» in der grossen jährlichen Reisevorschau der New York Times, war ich tatsächlich ...

beschwichtigt. Nun ist es soweit, nach einigen Umwegen konnte ein zweites Gespräch – wenn

auch online – stattfinden. Ich freue mich sehr!

Und schön, bist du wieder dabei! Falls Du das noch nicht gemacht hast: Abonniere den Podcast auf

der Plattform deines Vertrauens. Dann verpasst du auch bestimmt keine Folge. In dieser Folge wird

viel Englisch gesprochen. Im Skript unten findest du die Übersetzung.

Wie gesagt: In der letzten Folge habe ich von unserem Ausflug nach Thamesmead erzählt. Dieser

Ort am äussersten Rand von London. Wir waren unterwegs mit der Künstlerin Verity-Jane Keefe.

In Thamesmead haben wir mit ihr das Quartierzentrum «Moorings Sociable Club» in einem

Stadtteil besucht, der so ziemlich das Gegenteil von der «City of London» ist.

Danach – Szenenwechsel: Wir steigen in den Doppeldeckerbus und fahren vom «Moorings

Sociable Club» zurück zur Tube in Thamesmead, nehmen die Tube ins Zentrum, steigen aus bei

South Kensington, laufen von der Station durch einen Tunnel direkt ins Victoria and Albert

Museum. Wir finden uns zurück mit Mantel und Rucksack und Regenschirm direkt in der

Skulpturenhalle. Inmitten von vielen anderen Museumsbesucher:innen. Wie aufregend

unaufgeregt.

Wohin damit? Folge 12 Transkript 2

«How do people get close to collections?» – Das ist auf jeden Fall eine Variante. Denke ich für mich.

Direkter Tunnelzugang vom Zug. Kein Eintritt. Kein Sicherheitscheck. Keine Garderobe. Die

Skulpturenhalle ist voll von Menschen. Und wir mittendrin. Doch ein bisschen staunend. Als wären

wir durch ein Portal gegangen, ohne dass wir eins bemerkt hätten.

Nun. Wir gehen weiter und werden beim Museumsshop von Mitarbeiter:innen des V&A abgeholt.

Bekommen eigene Badges. Es geht weiter durch ein Labyrinth von Gängen. In einem

Hinterzimmer wartet Kate Parsons auf uns. Kate ist «Director of Conservation, Collections Care and

Access» im V&A. Das Gespräch, das nun folgte, durfte ich, wie gesagt, nicht verwenden. Aber ich

kann dir versichern, du verpasst nichts. Sie hat auch vor ein paar Wochen online wieder sehr viel

Spannendes erzählt. Und auf dem aktuellsten Stand sind wir somit auch gleich. Also, worum

geht’s?

[Kate Parsons:] «V&A Storehouse is the first of two new V&A sites. So there's V&A Storehouse,

Museum, which opens in spring:

And Storehouse is going to be where we offer visitors unprecedented access to our collections, to

the behind-the-scene-world of a busy working store.»

[Kate Parsons:] «Das V&A Storehouse ist der erste von zwei neuen V&A-Standorten. Es gibt das

V&A Storehouse, das Ende Mai dieses Jahres eröffnet wird, und dann das V&A East Museum, das

im Frühjahr:

dagewesenen Zugang zu unseren Sammlungen bieten, zu der Welt hinter den Kulissen eines

geschäftigen Depots.»

[Alain Gloor:] Das interessiert mich besonders, das V&A Storehouse. Ein riesiges zugängliches

Depot. Auch das V&A ist mit dem Storehouse auf der Suche nach einem neuen Bautypus für

Kulturererbe – weder Museum noch Schaulager. Wie wir es mit CAMPO sind. Darum hat uns dieses

Storehouse auch besonders interessiert. Leider waren sie vor einem Jahr, als wir in London waren,

so im Verzug mit dem Bau, dass wir es uns nicht vor Ort anschauen konnten. Die Baustelle durfte

auf keinen Fall gestört werden. Nun soll es also bald endlich eröffnet werden können.

[Kate Parsons:] «At Storehouse, there’s going to be over half a million creative works across our

collections at the V&A, so from the Glastonbury archive to costumes to decorative arts, sculpture,

paintings. There'll be an extensive self-guided visitor experience, so the public can have a self-

guided route through Storehouse and really be kind of within, surrounded by objects, above them,

besides them, underneath them.

And for the areas that are not in that public experience, we have what we are calling an ‘Order an

Object’-service, which means that anyone can book to see any item, any object, any part of any

object, in fact, at Storehouse at a time of their choosing seven days a week, any object that they

like.»

[Kate Parsons:] «Im Storehouse wird es über eine halbe Million Werke aus unseren Sammlungen im

V&A geben, also vom Glastonbury-Archiv über Kostüme bis hin zu dekorativer Kunst, Skulpturen

und Gemälden. Es wird ein umfangreiches, selbstgeführtes Besucher:innenerlebnis entstehen, so

dass die Öffentlichkeit einen selbstbestimmten Weg durch das Storehouse nehmen kann und

wirklich inmitten, umgeben von Objekten, über ihnen, neben ihnen, unter ihnen sein kann.

Und für die Bereiche, die nicht zu diesem öffentlichen Erlebnis gehören, bieten wir einen Service

an, den wir Order an Object nennen. Das bedeutet, dass jede:r zu einem Zeitpunkt ihrer Wahl an

sieben Tagen in der Woche ein beliebiges Objekt im Storehouse besichtigen kann; jedes Objekt,

das ihm oder ihr gefällt.»

[Alain Gloor:] Hoppla, denke ich für mich. Totale Zugänglichkeit, «total access», das ist der Ansatz

des V&A Storehouse. Es geht nicht nur darum, das Depot zu öffnen und die Sammlung so anders

sichtbar zu machen. Sondern sie tatsächlich zugänglich zu machen. Mit allem Drum und Dran.

Wohin damit? Folge 12 Transkript 3

Grosse Ansage. Ich mag das ja grundsätzlich. Scheitern darf man immer. Diese Ansage zeigt einen

grossen Umbruch im Museumswesen auf. Es ist ein Umbruch, der schon seit längerer Zeit wirkt.

Mit offenem Ausgang. Um in der Aufmerksamkeitsökonomie zu bestehen und im

Standortmarketing einen Unterschied zu machen, sind Institutionen auf der Suche nach neuen

Erzählungen, was ein Museum ist oder sein könnte. Im Buhlen um Besucher:innen und um

Anerkennung von der internationalen Museumsszene. Mittendrin die Themen Zugänglichkeit und

Mitbestimmung.

[Kate Parsons:] «There is a desire, an ambition for a kind of new standard of access to national

collections. That's not unique to the V&A, I think that's happening across the sector and in other

places, but the V&A, you know, we really are dedicated to the sort of power to kind or bring change

in it. And it had that opportunity for us to really open up our collections for everyone. And

storehouse has been designed with access at its heart. And the fact that we were designing a new

facility made it possible for us to really think about those things.

And also because it involved a huge collections move. So we were able to think about what it

meant to really design for access and think about that at the very early stages of that move in

terms of the objects and how we approach them. ... And it's kind of grown, I have to say as well.

Once you have that ambition, that principle in your mind, and you hold that core ambition, you

don't want to let go of it. And then suddenly you're in that position and we're kind of doing it, which

is daunting but also wonderful.»

[Kate Parsons:] «Es gibt einen Wunsch, eine Vision für eine Art neuen Standard des Zugangs zu

nationalen Sammlungen. Das gilt nicht nur für das V&A, sondern ich denke das geschieht in der

gesamten Branche und auch an anderen Orten. Aber wir beim V&A haben uns wirklich der

Aufgabe verschrieben, Veränderungen herbeizuführen. Und das war für uns die Gelegenheit,

unsere Sammlungen wirklich für alle zu öffnen. Das Storehouse wurde so konzipiert, dass der

Zugang im Mittelpunkt steht. Und die Tatsache, dass wir eine neue Einrichtung entworfen haben,

hat es uns ermöglicht, grundlegend über diese Dinge nachzudenken.

Und auch, weil es sich um einen großen Umzug der Sammlungen handelte. So konnten wir

darüber nachdenken, was es bedeutet, die Zugänglichkeit effektiv zu gestalten, und dies bereits in

den frühen Phasen des Umzugs in Bezug auf die Objekte und die Art und Weise, wie wir uns ihnen

nähern. ... Und das ist irgendwie weiter gewachsen. Wenn man einmal diese Ambition, dieses

Prinzip im Kopf hat und dieses Kernziel verfolgt, will man es nicht mehr loslassen. Und dann ist

man plötzlich in dieser Position, und wir machen irgendwie einfach vorwärts. Das ist beängstigend,

aber auch wunderbar.»

[Alain Gloor:] Kate Parsons hatte ihren ganz eigenen Erweckungsmoment in diesem

Zusammenhang:

[Kate Parsons:] «One of the places that I visited, we visited a group of us who are on the project,

was the Library of Congress in the US, which is a library, but it's not a library just in terms of it

having library volumes. It has all kinds of objects in its collections as well.

One of the things that they said, which really, you know, it sort of resonated with us and I've held in

my head is ... so we asked them how do you feel about providing access and, you know, what is

your view about, you know, the importance of providing access and how do you think about that?

And they just ... were almost like: ‘We don't understand the question.’ ‘Access is what we do, that's

just what we do. That's why we're here.’ It's not a question of: how did you decide to provide this? It

just is. That's the reason why they're there.»

[Kate Parsons:] „Einer der Orte, die wir besucht haben, war die Library of Congress in den USA. Eine

Bibliothek, die aber nicht nur aus Büchern besteht. Sie hat auch alle Arten von Objekten in ihren

Sammlungen.

Wohin damit? Folge 12 Transkript 4

Eines der Dinge, die sie uns dort erzählt haben und die uns wirklich beeindruckt haben und die mir

im Gedächtnis geblieben sind, ist, dass wir sie gefragt haben, was sie von Zugänglichkeit halten

und wie sie die Bedeutung der Ermöglichung von Zugang sehen und wie sie darüber denken. Und

sie meinten nur so: ‹Wir verstehen die Frage nicht. Zugang ist unsere Aufgabe, das ist einfach unser

Job. Deshalb sind wir hier.› Es geht nicht um die Frage: Wieso haben sie sich dazu entschieden,

Zugang zu ermöglichen? Es ist einfach so. Das ist der Grund, warum sie da sind.»

[Alain Gloor:] Das klingt alles schön und gut und gross und wichtig und richtig. Aber wie kam ihr

Team ins Umsetzen dieses grossen Vorhabens?

[Kate Parsons:] «Access doesn't start with physical access. Access starts with information about

your collections. First of all, having that information and then also making that information

available. So that was ... we took time at the beginning of the project, considerable time and some

years to actually make sure that that information about our collection was captured in terms of

auditing it, documenting it, both in image and in word as well. And then also being able to do things

like use electronic tracking to track objects, knowing that we wanted to be able to provide access

to them quickly and know where they are and have systems that do that. It meant that things like

when we're making decisions around housing for objects, we're thinking all the time about that

housing being able to be used for access ... For example, a pair of shoes. So we devise new ways of

housing all of our objects. So a pair of shoes, the housing that they have, it has a handle, it's

practical, you can see the shoe in the housing rather than it being enclosed. It means that you can

move the objects safely and also swiftly.»

[Kate Parsons:] «Zugang beginnt nicht mit dem physischen Zugang. Zugang beginnt mit

Informationen über Sammlungen. Zuallererst muss man über diese Informationen verfügen und

sie dann auch zur Verfügung stellen. Wir haben uns zu Beginn des Projekts viel Zeit genommen

und einige Jahre gebraucht, um sicherzustellen, dass die Informationen über unsere Sammlung

erfasst werden, und zwar in Form von Überprüfungen und Dokumentationen, sowohl in Bild als

auch in Wort. Und dann waren wir auch in der Lage, Dinge wie die elektronische Standorterfassung

von Objekten zu nutzen, weil wir in der Lage sein wollten, systematisch zu wissen, wo sie sich

befinden und so schnell auf sie zugreifen zu können. Wenn wir Entscheidungen über die Lagerung

von Objekten treffen, denken wir auch daran, dass diese Lagerung einen Einflus auf die

Zugänglichkeit hat... Zum Beispiel ein Paar Schuhe: Wir entwickeln neue Möglichkeiten für die

Lagerung all unserer Objekte. Die Aufbewahrungskiste der Schuhe hat einen Griff, weil das

praktisch ist. Man kann den Schuh in der Kiste sehen, anstatt dass er eingeschlossen ist. Das

bedeutet, dass man die Objekte sicher und auch schnell bewegen kann.»

[Alain Gloor:] Aber es ging noch um ganz andere Themen in der Entwicklung als um die Frage, wie

eine konkrete Aufbewahrungskiste für zum Beispiel Schuhe designt sein muss. Das V&A-Team hat

auch intensiv mit künstlicher Intelligenz gearbeitet.

[Kate Parsons:] «So the use of AI in documentation is again fairly new in museums. The project that

we're using it for relates to fragility of objects. So the V&A has more than two million objects in its

collection. So we have to think of ways of being able to document that collection, and again, with

access in mind. And one of the things that we knew we wanted to look at was the difference

between condition of objects and fragility of objects. We're used in my world in collections care and

access world's is thinking about the condition of objects, so making them displayable. But that's

different to fragility. For example, something could be very dirty, and it's condition therefore you

would say would to be poor. But actually, in terms of fragility, it's robust, it's not fragile. So it's also a

different thinking about different documentation that you need in order to then be able to think

about access to collections.

So what we have been working on with AI is a machine learning model. Our staff have given

fragility ratings across a sample of the collection, a very large sample, so around 10,000 objects.

And we've rated that fragility based on a framework from being very robust at one end to very

fragile at the other. And what we're doing is using a machine learning model to then learn from

Wohin damit? Folge 12 Transkript 5

that information and apply the same thinking across the rest of the collection, across other

objects. So it's thinking about the decisions that we made and is applying a framework to them.»

[Kate Parsons:] «Der Einsatz von KI in der Dokumentation ist in Museen noch relativ neu. Das

Projekt, für das wir KI einsetzen, hat mit zerbrechlichen Objekten zu tun. Das V&A hat mehr als zwei

Millionen Objekte in der Sammlung. Wir müssen uns also überlegen, wie wir diese Sammlung

dokumentieren können, und zwar mit Blick auf den Zugang. Wir wussten, dass wir uns unter

anderem mit dem Unterschied zwischen dem Zustand von Objekten und der Fragilität von

Objekten befassen wollten. In meiner Welt sind wir es gewohnt, bei der Pflege von Sammlungen

und beim Zugang über den Zustand von Objekten nachzudenken, sie also ausstellungsfähig zu

machen. Aber das ist etwas anderes als Fragilität. Zum Beispiel könnte etwas sehr schmutzig sein,

und man würde sagen, der Zustand ist schlecht. Aber in Bezug auf die Fragilität ist es robust, es ist

nicht zerbrechlich. Es geht also um eine andere Art der Dokumentation, die man braucht, um über

den Zugang zu Sammlungen nachzudenken.

Wir haben mit Hilfe von KI an einem maschinellen Lernmodell gearbeitet. Unsere Mitarbeiter:innen

Sammlung bewertet, also etwa:

Objekte. Und wir haben die Fragilität anhand eines Rahmens bewertet, der von sehr robust bis sehr

fragil reicht. Wir verwenden ein maschinelles Lernmodell, um aus diesen Informationen zu lernen

und dieselbe Denkweise auf den Rest der Sammlung anzuwenden. Wir denken also über die

Entscheidungen nach, die wir getroffen haben, und wenden einen Bezugsrahmen auf sie an.»

[Alain Gloor:] Das muss ich eigentlich nicht sagen, aber trotzdem: das Zeigen und Ausstellen von

Objekten hängt eng zusammen mit der Sorge um ebendiese Objekte. Das ist ein Paradox, das sich

nicht auflösen lässt: Der möglichst lange Erhalt von Objekten und das Verfügbarmachen derselben

ist ein ständiges Ausloten zwischen verschiedenen Interessen. Ein Konflikt so alt wie das Museum.

Und jetzt bringt künstliche Intelligenz eine neue Dimension in dieses uralte Thema, das

Museumsmitarbeitende täglich beschäftigt. Und ich weiss nicht, ob das übertrieben ist. Aber das

Einführen der Fragilität als Kriterium in der Arbeit mit Museumsobjekten könnte eine kleine

Revolution sein. Oder zumindest eine neue Perspektive auf Altbekanntes.

[Kate Parsons:] «I think it is. I mean, of course, as conservators, we've always considered the

fragility. The fragility is the inherent property of an object to change as opposed to condition, as I've

explained, which is different. Of course, as conservators, we understand that inherent fragility of

objects. But I think that's right, in collections management practice, we haven't really needed to

think about it in this way, we've thought more about condition of objects rather than their inherent

fragility.»

[Kate Parsons:] «Ich denke schon. Ich meine, als Restaurator:innen haben wir natürlich immer die

Fragilität im Blick. Die Fragilität ist die inhärente Eigenschaft eines Objekts, sich zu verändern, im

Gegensatz zum Zustand, der, wie ich bereits erklärt habe, etwas anderes ist. Als Restaurator:innen

wissen wir natürlich um die inhärente Fragilität von Objekten. Aber in der Praxis der

Sammlungsverwaltung mussten wir bisher nicht wirklich auf diese Weise darüber nachdenken,

sondern wir haben mehr über den Zustand der Objekte als über ihre inhärente Fragilität

nachgedacht.»

[Alain Gloor:] Ich finde das sehr interessant. Die Fragilität als Kriterium zu benennen, macht eine

implizite Voraussetzung für die Arbeit mit Museumsobjekten explizit.

[Kate Parsons:] «It's true and also, and what this project I think has helped with as well is

sometimes we've had to think about really basic questions, which you just don't really even think

about. But we've had to, as you say, try to apply judgment to them, apply evidence to them, think

about systems of documenting them, think about what decisions we might make around them,

around some of these really straightforward concepts that previously, you know ... A conservator or

a collection manager would just be doing that in their head, you know. And we've had to, as you

Wohin damit? Folge 12 Transkript 6

say, like, make it explicit, articulate it, say, this is the evidence as to why we're going to care for our

collections in this way. This is the evidence as to why we're going to triage our objects and make

judgments around levels of access to them.»

[Kate Parsons:] «Das stimmt und ich denke, dass dieses Projekt auch dazu beigetragen hat, dass

wir manchmal über wirklich grundlegende Fragen nachdenken mussten, über die man nicht

einmal wirklich nachdenkt. Aber wir mussten, wie du sagst, versuchen, sie zu beurteilen, sie zu

belegen, über Systeme zu ihrer Dokumentation nachzudenken, darüber nachzudenken, welche

Entscheidungen wir in Bezug auf sie treffen könnten, in Bezug auf einige dieser wirklich einfachen

Konzepte, die früher ... Ein:e Konservator:in oder ein:e Sammlungsverwalter:in würde das nur im

Kopf machen. Und wir mussten es, wie du sagst, explizit machen, es artikulieren. Wir mussten

sagen: das sind die Beweise, warum wir unsere Sammlungen auf diese Art und Weise pflegen

werden. Das sind die Beweise, warum wir unsere Objekte sortieren und den Zugang zu ihnen

regeln werden.»

[Alain Gloor:] Wir haben uns mit Blick auf das CAMPO-Projekt und das Sichtbarmachen von der

Arbeit mit Kulturerbe immer gesagt, dass wir keinen Schaukäse-Betrieb aufbauen wollen. Wir

wollen nicht die Arbeit mit Kulturerbe «spielen», sondern die Arbeit «machen» – auch wenn sie

stärker vor die Kulissen kommt und dabei in Dialog tritt.

[Kate Parsons:] «We're really inviting people into our behind the scenes world. And it's not

theatrical, it's real. And that's very important to us. We're not creating an experience that is staged

for people. They're coming into our workplace. And that means that our technicians will be

working, you know, alongside, certainly in full view of and within. It'll be noisy, they'll be driving

equipment around, they'll be undertaking their activities with the public around them.

Which is very different for people that work behind the scenes. There's been this sort of barrier

between, you know, front of house, back of house, behind the scenes. And Storehouse is

intentionally breaking down those barriers. And to our teams, of course. And so far ... so to use our

technical teams as an example, because they love talking about what they do. They love to talk

about their work. They're not, we're not always, and I include myself in that as well, not always ... It's

not always natural to us to be able to talk about things, you know, with visitors. So that's the

learning, but we love doing it.

Also, we've got to think about what that means in terms of having the public in close proximity to

our teams, there are risk assessments that need to be made around everything that they do,

which has meant also that we're surfacing all of this, which means also that their job and their skills

is going to be known and explained to people.

So we're recruiting and we've had two open days where we invited people in to come and hear

about roles that we have available. And some of those roles are our collections access roles. And

we had over 400 people for each of those days. Local people come into Storehouse to learn about

the roles that were available and it was the most wonderful experience. And a lot of, of course,

what we heard from people is a beginning of an interest in all of these jobs that exist behind the

scenes in museums that people didn't even know existed.»

[Kate Parsons:] „Wir laden die Leute wirklich in unsere Welt hinter den Kulissen ein. Das ist nicht nur

Theater, sondern echt. Und das ist sehr wichtig für uns. Wir schaffen kein inszeniertes Erlebnis für

ein Publikum. Menschen kommen an unseren Arbeitsplatz. Und das bedeutet, dass unsere

Techniker:innen nebenher arbeiten werden, natürlich vor den Augen der Zuschauer:innen. Es wird

laut sein, sie werden mit Geräten herumfahren, sie werden ihre Tätigkeiten mit der Öffentlichkeit

um sie herum ausführen.

Für Menschen, die hinter den Kulissen arbeiten, ist das etwas ganz anderes. Es gibt diese Art von

Barriere zwischen dem, was für alle sichtbar passiert und dem, was hinter den Kulissen geschieht.

Wohin damit? Folge 12 Transkript 7

Das Storehouse baut diese Barrieren absichtlich ab. Das gilt für unsere Teams natürlich auch. Ich

nehme unsere technischen Teams als Beispiel, denn sie lieben es, über ihre Arbeit zu sprechen. Es

ist nicht immer normal oder natürlich für uns, mit Besucher:innen zu sprechen. Das ist unser

Lernprozess, und wir machen ihn gerne.

Wir müssen auch darüber nachdenken, was es bedeutet, die Öffentlichkeit in der Nähe unserer

Teams zu haben. Es gibt Risikobewertungen, die gemacht werden müssen für alle Tätigkeiten der

Teams. Diese Tätigkeiten werden publik, was auch bedeutet, dass die Arbeit und die Kompetenzen

der Teams den Leuten erklärt werden müssen.

Wir stellen also neue Mitarbeiter:innen ein und haben zwei Tage der offenen Tür veranstaltet, an

denen wir die Leute eingeladen haben, um sich über die offenen Stellen zu informieren. Einige

dieser Stellen kümmern sich um den Zugang zu unseren Sammlungen. An jedem dieser zwei Tage

kamen über 400 Personen. Menschen aus dem Quartier kamen ins Storehouse, um sich über die

verfügbaren Stellen zu informieren. Das war eine grossartige Erfahrung. Und was wir von den

Leuten hörten, war ein wachsendes Interesse an all diesen Jobs, die hinter den Kulissen der

Museen existieren und von denen die Leute noch nicht einmal wussten, dass es sie gibt.»

[Alain Gloor:] Wieder klingt das alles sehr rosig und gut. Aber ich kann mir fast nicht vorstellen, dass

so ein Prozess innerhalb der internen Teams ohne Widerstand und Reibung vonstatten geht. Wie

war oder ist das im Storehouse-Projekt?

[Kate Parsons:] «Of course, there is, you know, concern for change that always is in institutions and

about anything large or small. And the way that we've approached that, which I find, you know,

which I think our teams would say works and we find works, is to involve people. It's in many ways,

it's very simple. We ask people what they think. We are very transparent about everything that

we're doing. And so we find with that people are hugely keen to, you know, they have great

ambitions and ideas and we have shared values as an institution. And one of those values is to

provide access to our collections and to surface that. So with our considerations around objects

being on open display, for example, we think very carefully about what those objects are and

where they are and what type of housing, as I've mentioned, objects are in. And we're able to have

those discussions with our curators, with our conservators, with people who work in obviously

experienced teams, with our technicians, to be able to really think those things through and see

the benefit. Resistance, no, but definitely a desire to be involved.

We take an evidence risk-based approach. That's what I say all the time. We take a risk-based

approach to everything and we provide evidence to that. We have conservation scientists teams

who absolutely provide evidence to everything that we do.»

[Kate Parsons:] «Natürlich gibt es Bedenken bei allen Veränderungen. Wir sind so vorgegangen,

und das hat bei unserem Team nachweislich gut funktioniert, dass wir die Menschen

mitbeinzogen haben. Das ist in vielerlei Hinsicht sehr einfach. Wir fragen die Leute, was sie denken.

Wir sind bei allem, was wir tun, sehr transparent. Und wir stellen fest, dass die Leute sehr daran

interessiert sind. Sie haben Ambitionen und Ideen, wir haben gemeinsame Werte als Institution.

Und einer dieser Werte ist es, unsere Sammlungen zugänglich zu machen. Bei der Ausstellung von

Objekten denken wir zum Beispiel sehr sorgfältig darüber nach, um welche Objekte es sich

handelt, wo sie sich befinden und, wie ich bereits erwähnt habe, in welcher Art von

Schutzverpackung die Objekte gelagert sind. Wir sind in der Lage, diese Diskussionen mit unseren

Kurator:innen, mit unseren Konservator:innen, mit unseren Teams und Techniker:innen zu führen,

damit wir das gemeinsam wirklich durchdenken können und den Nutzen sehen. Widerstand, nein,

aber auf jeden Fall der Wunsch, einbezogen zu werden.

Wir verfolgen einen evidenzbasierten, risikobasierten Ansatz. Das sage ich auch immer wieder. Wir

verfolgen bei allem einen risikobasierten Ansatz und wir liefern die entsprechenden Nachweise. Wir

haben Teams von Naturwissenschaftler:innen, die alles, was wir tun, mit Beweisen untermauern.»

Wohin damit? Folge 12 Transkript 8

[Alain Gloor:] Ich möchte mehr erfahren über dieses «Order an Object»-Programm. Wie funktioniert

das genau? Was ist der Clou daran? Von unserem Gespräch von vor einem Jahr habe ich erinnert,

dass sie sich gesagt haben, dass da drei Kriterien wichtig sind: Es soll «safe», «meaningful» und

«equitable» sein, also «sicher», «bedeutsam» und «gerecht» sein.

[Kate Parsons:] «There's four actually. ‘Easy’ is the fourth one. And I'll probably start with that one.

So, «Order an Object», as I mentioned, means that anyone can access any, any item at Storehouse

at a time of their choosing, seven days a week. So, whenever we're open. So the way that it works

is, so the easy part, it was really important to us that it would be a straightforward process. That it

needed to be so easy that anyone would be able to do it and it would not be off-putting. So what

happens is you go onto our ‘Explore the Collections’-area of our website and you can select up to

five objects. And by select I genuinely mean select, so there'll be a little button underneath each of

the objects which says. And you will select that object and drag it literally into a virtual group of

objects and you can have up to five and then you will go to a calendar and choose a time and a

date to come, choose a duration of your appointment between one and four hours which will be as

easy as booking a restaurant. And it's up to you. And the critical difference is it's not a request, it's a

booking. So historically and elsewhere as well, the way that you might be able to access collections

not on displays, that you make a request in differing ways, which might be an email or an

exchange or a conversation to say, can I come and see this? And the museum will say yes or no.

And then you'll have a conversation about when and how. What this means is you're booking it,

you're selecting those objects and you're booking to come and see them. And we will enable that

access. So it's not, we can't, we're not going to then say, no, can you change a different date,

please? You will come, it's booked. And then it's our job to enable that access. So behind that is a

very powerful booking system and what that system does is it not only manages the appointment

booking that the public will see, but it also manages all of the work that we have to do to enable

that booking. So we have to do risk assessments for every appointment, for every object, as I've

said, we have different types of objects, different types of levels of risk.»

[Kate Parsons:] «Eigentlich sind es vier. Easy ist der vierte. Und damit fange ich wahrscheinlich an.

Also, «Order an Object» bedeutet, dass alle zu einem Zeitpunkt ihrer Wahl und an sieben Tagen in

der Woche auf jedes beliebige Objekt im Storehouse zugreifen können. Also während unserer

Öffnungszeiten. Es war uns sehr wichtig, dass es ein unkomplizierter Prozess ist. Er sollte so

einfach sein, dass jede:r ihn durchführen kann und er nicht abschreckend wirkt. Du gehst also auf

den Bereich 'Sammlungen erkunden' auf unserer Website und kannst bis zu fünf Objekte

auswählen. Und mit auswählen meine ich wirklich auswählen, d. h. unter jedem Objekt befindet

sich eine kleine Schaltfläche, auf der auswählen steht. Dann wählst du dieses Objekt aus und ziehst

es buchstäblich in eine virtuelle Gruppe von Objekten. Du kannst bis zu fünf Objekte auswählen

und dann gehst du zu einem Kalender und whälst eine Zeit und ein Datum, um zu kommen. Du

wählst eine Dauer von einer bis vier Stunden für den Termin. Es ist so einfach wie eine Restaurant-

Reservation. Du entscheidest alles. Und der zentrale Unterschied ist, dass es sich nicht um eine

Anfrage, sondern um eine Buchung handelt. In der Vergangenheit und auch andernorts konnte

man auf Sammlungen zugreifen, die nicht ausgestellt waren, indem man auf unterschiedliche

Weise eine Anfrage stellte, z. B. per E-Mail oder durch einen Austausch oder ein Gespräch, um zu

fragen: Kann ich vorbeikommen und mir das ansehen? Und das Museum wird ja oder nein sagen.

Im Falle von Book an Object kannst du die Objekte wählen und den Zeitpunkt. Und wir werden

diesen Zugang ermöglichen. Wir können und werden also nicht sagen: Nein, kannst du bitte ein

anderes Datum wählen? Du wirst kommen, du hast gebucht. Und dann ist es unsere Aufgabe,

diesen Zugang zu ermöglichen. Dahinter steht also ein sehr leistungsfähiges Buchungssystem, das

nicht nur die Terminbuchung verwaltet, die die Öffentlichkeit sieht, sondern auch alle Arbeiten, die

wir durchführen müssen, um diese Buchung zu ermöglichen. Wir müssen also für jeden Termin

und für jedes Objekt eine Risikobewertung durchführen, denn wie ich bereits sagte, gibt es

verschiedene Arten von Objekten und verschiedene Risikostufen.»

Wohin damit? Folge 12 Transkript 9

[Alain Gloor:] Ich glaube, jetzt habe ich verstanden, was mit «easy» gemeint ist. Es ist nicht «easy»

hinter den Kulissen, überhaupt nicht, aber «easy» vor den Kulissen. So easy wie Uber Eats, zum

Beispiel. Nur dass du dann das Objekt nicht vor die Haustür geliefert bekommst wie das Essen von

Uber ... vielleicht ist eine Reservation in einem Restaurant ein besseres Beispiel. Egal, ich glaube du

weisst, was ich meine. Weiter geht’s: Was ist mit dem Kriterium «meaningful», also «bedeutsam»

gemeint?

[Kate Parsons:] «As I mentioned, there'll be different levels of access. Some of it will just be

observational. People will just view things. But also, it might be meaningful to me ... I might be a

cabinet maker, and I want to see how this particular drawer is made. So it's only meaningful for me

to see that piece of furniture if I can see the drawer and the back of the drawer.

So what we're saying is we will enable you to see the back of the drawer. That's what we'll do. We

will make it meaningful to you. So a process after you've booked, made your selection and booked

your time and date, the team will undertake all of that work to then determine the circumstances

under which your visit will take place. And you'll arrive and be able to access the objects as you

need.»

[Kate Parsons:] «Wie bereits erwähnt, wird es verschiedene Stufen der Zugänglichkeit geben.

Einiges wird nur zur Ansicht sein. Die Leute werden sich die Objekte nur ansehen können. Aber wie

wird das bedeutsam? ... Ich bin vielleicht eine Möbelschreinerin und möchte sehen, wie eine

bestimmte Schublade hergestellt wurde. Es ist also nur dann sinnvoll für mich, dieses Möbelstück

zu sehen, wenn ich die Schublade und die Rückseite der Schublade sehen kann.

Dann ist es unser Anspruch es zu ermöglichen, die Rückseite der Schublade zu sehen. Das werden

wir möglich machen. Wir werden es für diese Person sinnvoll machen. Nachdem du also gebucht,

deine Auswahl getroffen und deine Zeit und dein Datum reserviert hast, wird das Team all diese

Arbeit übernehmen, um die Umstände zu bestimmen, unter denen dein Besuch stattfinden wird.

Und wenn du dann ankommst, kannst du auf die Objekte zugreifen, wie du es brauchst.»

[Alain Gloor:] Und was hat es mit dem Kriterium «equitable», also «gerecht» (oder vielleicht besser

«unparteiisch») auf sich?

[Kate Parsons:] «So we're not requiring any credentials for you to view material. And this again is

something that I heard also when I was at the Library of Congress ... Libraries of course have that

concept, too. So we don't ask people why you want to see it. Historically, lots of questions like that

are asked, you know: Are you a researcher? How important is your research? And those questions

are asked because there's a level of resource that goes into these things. But what that means is

the access is not equitable. So not everybody is able to see material. And it's a core principle right

from the beginning that we had is that this access must be the same for everyone. It is available to

anyone for any reason. You don't have to justify why you want to see it.»

[Kate Parsons:] «Wir verlangen keine Berechtigungsnachweise, damit du Material einsehen kanst.

Und das wiederum ist etwas, das ich auch gehört habe, als ich in der Library of Congress war ...

Bibliotheken haben natürlich auch dieses Konzept. Wir fragen die Leute also nicht, warum sie das

Material sehen wollen. Historisch gesehen, werden viele solcher Fragen gestellt: Sind Sie ein:e

Forscher:in? Wie wichtig ist Ihre Forschung? Und diese Fragen werden gestellt, weil diese Objekte

mit einem gewissen Aufwand verbunden sind. Das bedeutet aber auch, dass der Zugang nicht

gleichberechtigt ist. Es kann also nicht jede:r das Material sehen. Und von Anfang an war es ein

Grundprinzip für uns, dass dieser Zugang für alle gleich sein muss. Er steht allen aus jedem Grund

zur Verfügung. Man muss sich nicht rechtfertigen, warum man es sehen will.»

[Alain Gloor:] Also: Es ist egal, ob du eine Wissenschaftlerin bist oder ein Hobbyarchäologe oder

eine Schülerin. Jede und jeder kann ein Objekt bestellen. Du und ich. Egal von wo. Ja, das gilt

weltweit, wie mir Kate versichert. ... Kommen wir zum letzten Kriterium: «safe». «Sicher».

Wohin damit? Folge 12 Transkript 10

[Kate Parsons:] «We also have to make sure that your visit is safe. Safe for the object, safe for you

as a visitor, and safe for our staff. And our different objects have different levels of risk attached to

them. So, one of those things is making sure that the object can't damage the visitor, and the

visitor can't damage the object. So we're going through this process of triage and this is where the

documentation that I mentioned comes in is so critical. Because if we don't have good

documentation about our objects, then we don't know, we can't make those choices about

ensuring that the object is safe and the visitor is safe. And if we hadn't been able to make choices

about how we protect our objects when we were determining this at the beginning of the

collections move, then we wouldn't potentially be able to provide access to those objects.

So for example, we have swords in the collection, so we've been able to pack them and think about

them to make those edges of swords be in housing, which is safe, rather than having to then make

other judgments or have to say that objects aren't accessible because they're not safe for people.

So we go through a process of risk assessment, which is based on documentation around the

objects, and then of course the visit as well. And risk assessments are dynamic, so it depends on

things like how many people might be coming, of what the physical nature of that object might be,

what circumstances the object is going to be seen in.»

[Kate Parsons:] «Wir müssen auch dafür sorgen, dass dein Besuch sicher ist. Sicher für das Objekt,

sicher für dich als Besucher:in und sicher für unsere Mitarbeiter:innen. Und unsere verschiedenen

Objekte sind mit unterschiedlichen Risiken verbunden. So müssen wir unter anderem sicherstellen,

dass das Objekt die Besucher:innen nicht beschädigen kann und die Besucher:innen das Objekt

nicht beschädigen können. Wir durchlaufen also diesen Prozess der Triage, und hier kommt die

von mir erwähnte Dokumentation ins Spiel, die so wichtig ist. Denn wenn wir keine gute

Dokumentation über unsere Objekte haben, können wir nicht wissen, wie wir die Sicherheit des

Objekts und der Besucher:innen gewährleisten können. Und wenn wir nicht in der Lage gewesen

wären, Entscheidungen darüber zu treffen, wie wir unsere Objekte schützen, als wir dies zu Beginn

des Umzugs der Sammlungen festgelegt haben, dann wären wir möglicherweise heute nicht in

der Lage, den Zugang zu diesen Objekten zu ermöglichen.

Wir haben zum Beispiel Schwerter in der Sammlung und konnten sie so verpacken, dass diese

Schwertkanten in einem Gehäuse untergebracht werden, das sicher ist. So musste später nicht

eine Entscheidung getroffen werden, dass die Objekte nicht zugänglich sind, weil sie für Menschen

Risiken bergen. Wir führen also einen Prozess der Risikobewertung durch, der auf der

Dokumentation der Objekte und natürlich auch auf dem Besuch basiert. Und Risikobewertungen

sind dynamisch, d. h. sie hängen davon ab, wie viele Personen kommen, wie die physische

Beschaffenheit des Objekts aussieht und unter welchen Umständen das Objekt zu sehen sein

wird.»

. Mai:

werde mir das bestimmt möglichst bald anschauen gehen. Wenn Kate sich das

Eröffnungswochenende und die Zeit danach vorstellt: Worauf freut sie sich am meisten?

[Kate Parsons:] «I mean, this is the reason I came to the V&A. So on a personal level, I came here

because of Storehouse, because of the commitment to this kind of unprecedented access and to

wanting to be part of that. So in terms of what I look forward to, I look forward to that, you know, it's

been three and a half years for me and the team of moving towards this and so we just can't wait

really for people to actually be in the building.

My experience of people accessing objects that are not on display, which I have had, you know,

previously elsewhere, is that it's the most incredible experience. Like your proximity to objects, it's

different to seeing them when they're exhibited or on display. It's completely different. It's so

personal and so wonderful. And it really is a very emotional thing and can be because you are so

close to things which people, think ... you don't quite expect and you don't quite realize what that

means in terms of having that access to things. And objects have the power to do that.»

Wohin damit? Folge 12 Transkript 11

[Kate Parsons:] «Das ist der Grund, warum ich zum V&A gekommen bin. Auf persönlicher Ebene

bin ich also wegen Storehouse hier, wegen des Engagements für diese Art von beispiellosem

Zugang und dem Wunsch, ein Teil davon zu sein. Was meine Vorfreude angeht, so freue ich mich

darauf, dass ich und das Team seit dreieinhalb Jahren darauf hinarbeiten, und wir können es kaum

erwarten, dass die Menschen tatsächlich im Gebäude sind.

Meine Erfahrung mit Menschen, die Zugang zu Objekten haben, die nicht ausgestellt sind, ist eine

unglaubliche Erfahrung. Die Nähe zu den Objekten ist etwas ganz anderes, als wenn sie ausgestellt

sind. Es ist etwas völlig anderes. Es ist so intim und so wunderbar. Und es ist wirklich eine sehr

emotionale Angelegenheit, weil man so nah an Dingen dran ist.»

Das klingt gut. Auch wenn das bestimmt nicht für alle Sammlungen und Objekte gilt. Die

Sammlung des V&A ist eine – nach musealen Kriterien – erstklassige Sammlung Was, wenn eine

Sammlung vor allem besteht aus Objekten, die vielleicht weniger gut im Modus «Sehen»,

«Bewundern» und «Wertschätzen» funktioniert?

Ich habe wieder viel gelernt in diesem Gespräch. Wir haben gehört von diesem radikalen Ansatz

des «total access» im V&A Storehouse. Von der aufwändigen Vorarbeit, die er bedingt. Wie

künstliche Intelligenz eingesetzt wird. Wie das «Order an Object»-Programm funktionieren wird.

Mich beeindruckt dieser Ansatz. Aber im Team haben wir auch diskutiert: Soll das die Rolle von

Museen tatsächlich sein? Totale Verfügbarmachung? Ist das in gewisser Weise nicht auch eine

Kapitulation vor den Ansprüchen des Publikums? Zumindest eines imaginierten Anspruchs? An

diesem Thema will ich dran bleiben, es zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufnehmen.

Ebenso haben wir im Team diskutiert, wie es denn um die Nachhaltigkeit steht. Ist das ökologisch,

ökonomisch und sozial nachhaltig. Für Letzteres kann man auf den ersten Blick sagen: Ja,

Zugänglichkeit schaffen, die Barrieren niederreisen – das fällt sicher erstmal unter die Kategorie

soziale Nachhaltigkeit. Aber auch das muss ich einmal genauer anschauen. Wie steht es um die

ökonomische Nachhaltigkeit? Es ist auf jeden Fall ein enormer personeller Aufwand, der mit

diesem Ansatz verbunden ist. Das V&A will 12 zusätzliche Mitarbeiter:innen einstellen für das «Order

an Object»-Programm. Toll. Mehr Arbeitsplätze in Museen. Aber jetzt, da Kulturinstitutionen über

weite Strecken finanziell unter Druck stehen, muss man sich auch fragen: Auf welches Budget

gehen wohl diese zusätzlichen Ausgaben? Wer oder was hat allenfalls in Zukunft weniger Geld zur

Verfügung? Jetzt nervt es mich ein bisschen, habe ich das nicht nachgefragt. Zuletzt das Thema

ökologische Nachhaltigkeit: Objekte im Stil vom V&A zu lagern, wo das Publikum um sie

herumstreicht, braucht bestimmt mehr Platz. Und damit mehr Ressourcen. Effizient ist das

Storehouse in diesem Sinn nicht.

Um dieses Thema abzuschliessen: Solche radikalen Ansätze hängen notgedrungen mit

tiefgreifenden Organisationsentwicklungen zusammen. Das ist mir wohl am meisten geblieben.

Also das, was hinter den Kulissen im Team geschehen muss, damit neue Ideen und Konzepte vor

den Kulissen auch zum Fliegen kommen. Das kann eine Institution, wenn es denn gelingt,

resilienter machen. Und relevanter. Und das zahlt wieder auf die Nachhaltigkeit ein. Das V&A

Storehouse ist sicher ein extremes Beispiel für das Thema Organisationsentwicklung. Aber ein

Beispiel, das hierzu viel erzählt.

Dieses Thema ist eine gute Überleitung in die nächste Folge, in der ich den Rückblick auf unseren

CAMPO Trip in London abschliessen will. Da geht es um die Frage, wie Museen in Zukunft

organisiert sein sollen. Es würde mich freuen, wenn du wieder mit dabei bist.

Hast du Feedback oder Fragen? Schreib mir auf sammelstelle@skkg.ch oder schicke mir eine

Sprachnachricht an: 077 456 07 41.

Wohin damit? Folge 12 Transkript 12

Mein herzlicher Dank geht an Kate Parsons sowie an Sarah, Liv und Izzie von The Liminal Space

und an Sabrina fürs Organisieren des CAMPO Trips.

Und ein grosses Dankeschön auch dem SKKG-Team, der Podcastschmiede sowie Nico Feer für

die neuen Sounds. Und, last but not least: danke, Bruno!

Alle Info zu CAMPO findest du hier, alle Info zum Siegerprojekt hier, und den Jury-Bericht zum

Architekturwettbewerb hier.

Hier und hier gibt es mehr Info und Bilder zum V&A East Storehouse.

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